Lord Bolingbroke gibt zu, dass die kleinen Streitigkeiten zwischen Lady Marlborough und Lady Masham ihm die Gelegenheit verschafften, den Einzelvertrag der Königin Anne mit Ludwig XIV. abzuschließen:* Dieser Vertrag führte zum Frieden von Utrecht; dieser Frieden von Utrecht bestätigte wiederum Philipp V. auf dem Thron Spaniens. Philipp V. nahm dann Österreich Neapel und Sizilien ab; der spanische Prinz, der heute König von Neapel ist, verdankt ganz offensichtlich sein Königreich Lady Masham und hätte es nicht bekommen und wäre vielleicht nicht einmal geboren worden, wenn die Herzogin von Marlborough der Königin von England mehr entgegengekommen wäre; seine Existenz in Neapel hing also von einer Dummheit mehr oder weniger am Hofe von London ab. Untersuchen Sie die Situationen aller Völker auf der Welt, sie beruhen derart auf einer Folge von Geschehnissen, die von nichts abzuhängen scheinen und die von allem abhängen. Alles an dieser immensen Maschine sind Zahnräder, Flaschenzüge, Zugseile, Federn.
Mit der physikalischen Ordnung ist es dasselbe. Ein Wind, der aus den Tiefen Afrikas und den südlichen Meeren kommt, bringt einen Teil der afrikanischen Atmosphäre mit, die sich dann als Regen in den Alpentälern niederschlägt; diese Regen befruchten unsere Böden; unser Nordwind seinerseits schickt unsere Dünste zu den Negern; wir tun Guinea Gutes, und Guinea tut uns seinerseits Gutes. Die Kette reicht vom einen Ende der Welt zum anderen.
Mir scheint jedoch, dass man die Wahrheit dieses Prinzips auf merkwürdige Weise missbraucht. Man schließt daraus, dass es kein noch so kleines Atom gibt, dessen Bewegung nicht die augenblickliche Anordnung der ganzen Welt beeinflusst hat; dass es keinen noch so kleinen Zufall gibt, der nicht, sei es bei den Menschen, sei es bei den Tieren, ein wesentliches Glied der großen Kette des Schicksals ist.
Verstehen wir uns recht: Jede Wirkung hat natürlich ihre Ursache, wenn man sie von Ursache zu Ursache bis in den Abgrund der Ewigkeit zurückverfolgt; aber nicht jede Ursache hat ihre Wirkung, wenn man ihr bis an das Ende aller Zeiten folgt. Zugegeben, alle Ereignisse wurden voneinander hervorgebracht; wenn die Vergangenheit die Gegenwart geboren hat, wird die Gegenwart die Zukunft gebären; alles hat einen Vater, aber nicht alles hat immer Kinder. Es ist hier genauso wie mit einer Ahnentafel; jeder Stammbaum geht, wie man weiß, auf Adam zurück, aber in der Familie gibt es sehr wohl Leute, die gestorben sind, ohne Nachkommen zu hinterlassen.
Die Ereignisse auf dieser Welt haben einen Stammbaum. So ist es unbestreitbar, dass die Einwohner von Gallien und die von Spanien von Gomer abstammen; und die Russen von Magog, seinem jüngeren Bruder: Man findet diese Genealogie in so vielen dicken Büchern!* Von daher kann man nicht leugnen, dass wir Magog die sechzigtausend Russen verdanken, die heute in der Nähe von Pommern in Waffen stehen, und die sechzigtausend Franzosen, die sich in der Nähe von Frankfurt aufhalten. Ich sehe aber nicht ein, weshalb es Einfluss auf den Entschluss der Kaiserin Elisabeth von Russland gehabt haben soll, Maria-Theresia, der Kaiserin des Römischen Reiches, eine Armee zu Hilfe zu schicken, dass Magog rechts oder links vom Kaukasus ins Wasser gespuckt hat, zwei oder drei Runden in einem Brunnen gelaufen ist und auf der linken oder rechten Seite geschlafen hat. Ob nun mein Hund, wenn er schläft, träumt oder nicht, ich kann nicht die Beziehung entdecken, die diese wichtige Geschichte zu der des Großmoguls haben könnte.
Man muss bedenken, dass in der Natur nicht alles aus festen Körpern besteht und dass nicht jede Bewegung sich so vom einen zum anderen und nach und nach überträgt, bis sie ihren Weg um die Welt gemacht hat. Werfen Sie mal einen Körper von gleicher Dichte ins Wasser, Sie können sich leicht ausrechnen, dass nach einiger Zeit die Bewegung dieses Körpers und die, die er dem Wasser mitgeteilt hat, aufgehört haben.* Die Bewegungen verlieren und erneuern sich wieder; daher kann die Bewegung, die Magog auslösen konnte, indem er in einen Brunnen spuckte, nicht auf das eingewirkt haben, was heute in Russland und in Preußen geschieht. Also sind die heutigen Ereignisse nicht die Kinder all der vergangenen Ereignisse; sicher gibt es direkte Verbindungslinien, aber tausend kleine Seitenlinien sind zu gar nichts nütze. Noch einmal, jedes Lebewesen hat seinen Vater, aber nicht jedes Lebewesen hat Kinder: Wir werden vielleicht mehr darüber sagen, wenn vom Schicksal die Rede ist.
CHAÎNE DES ÊTRES CRÉÉS – Die Kette der geschaffenen Lebewesen
Das erste Mal, als ich Platon las und von jener Stufenfolge der Lebewesen erfuhr, die vom leichtesten Atom bis zum höchsten Wesen aufsteigen, erregte diese Stufenleiter meine Bewunderung; aber bei aufmerksamer Betrachtung verschwand dieses großartige Phantom, wie sich in früheren Zeiten am Morgen beim ersten Hahnenschrei alle Gespenster verflüchtigten.
Der Vorstellungskraft gefällt es zunächst, den kaum wahrnehmbaren Übergang von der rohen Materie zur organisierten Materie zu sehen, von den Pflanzen zu den Zoophyten*, von diesen Zoophyten zu den Tieren, von ihnen zum Menschen, von den Menschen zu den Geistern und dann von diesen Geistern, die von einem kleinen, luftartigen Körper umhüllt sind, hin zu den immateriellen Substanzen; und schließlich tausend verschiedene Ordnungen dieser Substanzen, die sich von der Schönheit in höchster Vollendung bis zu Gott selbst erheben. Diese Hierarchie gefällt den guten Leuten sehr, die glauben, darin den Papst und seine Kardinäle gefolgt von den Erzbischöfen und Bischöfen zu sehen; nach denen kommen dann die Pfarrer, die Vikare, die einfachen Priester, die Diakone, die Unterdiakone, dann tauchen die Mönche auf, und das Ende der Prozession bilden die Kapuziner.
Aber der Abstand zwischen Gott und seinen vollkommensten Geschöpfen ist etwas größer als der zwischen dem Heiligen Vater und dem Dekan des heiligen Kollegiums: Dieser Dekan kann Papst werden, doch der vollkommenste aller vom höchsten Wesen geschaffenen Geister kann nicht Gott werden; zwischen ihm und Gott befindet sich die Unendlichkeit.
Diese Kette, diese angebliche Abstufung, existiert bei den Pflanzen ebenso wenig wie bei den Tieren; der Beweis dafür ist, dass es Pflanzen- und Tierarten gibt, die vernichtet wurden. Es gibt keine Stachelschnecken mehr. Es war verboten, Greif und Ixion zu essen.* Diese beiden Arten sind von dieser Erde verschwunden, was Bochart auch darüber sagen mag:* Wo ist also die Kette?
Selbst wenn wir nicht schon einige Arten verloren hätten, ist es offensichtlich, dass man welche vernichten kann. Die Löwen, die Nashörner beginnen sehr selten zu werden.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass es Menschenrassen gegeben hat, die man nicht mehr vorfindet; aber ich nehme an, dass sie alle existiert haben, wie die Weißen, die Neger, die Kaffern, denen die Natur eine Schürze aus ihrer Haut gegeben hat, die von ihrem Bauch bis zur Hälfte der Schenkel herabhängt; die Samoyaden, bei denen die Brustwarzen der Frauen eine schöne Ebenholzfarbe haben, usw.
Besteht nicht deutlich sichtbar eine Leerstelle zwischen dem Affen und dem Menschen? Drängt es sich nicht auf, sich ein Tier mit zwei Beinen und ohne Federn vorzustellen, das intelligent wäre, aber weder über den Gebrauch der Sprache noch unser Aussehen verfügte, das wir zähmen könnten, das auf unsere Zeichen reagierte und uns zu Diensten wäre? Und könnte man sich zwischen dieser neuen Art und den Menschen nicht noch andere vorstellen?
Jenseits der Menschen bringen Sie, göttlicher Platon, im Himmel eine Reihe himmlischer Wesen unter; unsereins glaubt an einige dieser Wesen, weil der Glaube es uns lehrt. Sie aber, welchen Grund haben Sie, daran zu glauben? Sie haben anscheinend nicht mit dem Geist des Sokrates gesprochen; und dieser brave alte Heres, der eigens zu neuem Leben erwachte, nur um Sie die Geheimnisse des Jenseits zu lehren, hat Ihnen nichts über diese Wesen beigebracht?*
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