Unterdessen wurden die Kreise, die die Fledermausmonster zogen, immer enger. Sie näherten sich, obwohl sie auf Robert einen nicht besonders zielstrebigen Eindruck machten.
Wir wollen eure Angst etwas länger genießen! , war eine Gedankenstimme zu hören. Wenn wir euch zu schnell töten, dann ist das Vergnügen für unsere Oberen zu rasch vorbei... Und wer wollte so missgünstig sein, ihnen zu verwehren, was den Mächten des Bösen gebührt?
„Bitte hilf uns hier heraus!“, flehte Brenda an den Gnom gewandt. „Das ganze ist ein Irrtum gewesen.“ Der Gnom runzelte die Stirn.
„Ein Irrtum? Nein, das glaube ich kaum. Ihr bekommt, was ihr gewollt habt und verdient.“ Er schüttelte seinen Kopf und fletschte grimmig die Zähne. „Wie gerne würde ich selbst euch zerfleischen und euer Blut in meinen Hals rinnen lassen, aber das lasse ich lieber, denn dann bekomme ich Ärger.
Schließlich bin ich ja nur ein Diener-Dämon.“
„Dann diene auch und lass uns hier raus oder gib uns wenigstens warme Kleider!“, forderte Robert.
„Du hast die Bezeichnung Diener-Dämon vielleicht etwas missverstanden, junger Mann“, antwortete der Gnom. „Tut mir leid, das ist vielleicht meine Schuld, schließlich habe ich euch recht großzügig mit Waffen ausgestattet, sodass ihr vielleicht auf die irrige Idee kommen konntet, ich sei in diesem Spiel, um euch zu dienen. Aber das ist nicht der Fall.
Ich diene den Mächten des Bösen, zu deren Vergnügen ihr hier seid!“
Inzwischen wurde klar, dass die Fledermausmonster noch auf zwei weitere ihrer Art gewartet hatten, bevor sie zum Angriff aufbrechen wollten. Sechs dieser monströsen Mischgeschöpfe aus Mensch und Riesenfledermaus schwebten jetzt am Himmel.
Sie nahmen eine v-förmige Formation ein und flogen auf Brenda und Robert zu.
„Ich schlage vor, wir verschwinden hier!“, sagte Robert.
„Ich dachte, das ist alles nur ein cooles Spiel!“, rief Brenda.
„War offensichtlich ein Irrtum!“
„Na, toll!“
„Komm jetzt!“
Robert steckte das Schwert wieder ins Rückenfutteral. „Da vorne im Wald dürften wir etwas mehr Schutz haben. Sollen sich die Biester an den Ästen die Flughäute aufreißen!“ Wie gebannt stand Brenda da und starrte die herannahenden Monstren an. Das dämonische Leuchten in den Augen dieser Nachtkreaturen hatte eine beinahe hypnotische Wirkung auf sie.
Robert nahm sie bei der Hand und riss sie mit sich.
„Los jetzt, sonst können sie auf offenem Feld angreifen.“ Sie rannten zum Waldrand.
Der Gnom war inzwischen verschwunden. Von einem Augenblick zum anderen war er nicht mehr da gewesen. Aber über seinen Verbleib machten sich die beiden jetzt am allerwenigsten Gedanken.
Sie rannten auf den Nebel verhangenen Wald zu, der aus seltsam verwachsenen Bäumen bestand. Dazwischen war dichtes Unterholz. Hier da fanden sich auch Nadelbäume, von denen Eiszapfen hingen.
Der Schnee wurde hier allerdings plötzlich tiefer. Bis zu den Knien sanken sie ein und kamen kaum noch vorwärts.
So leicht macht ihr es uns? Welch ein Enttäuschung!, nahmen sie beide die Gedankenstimme eines ihrer Verfolger wahr. Ein Chor aus kreischendem Gelächter erscholl.
Robert spürte, wie ihn etwas im Rücken berührte und einen Schlag versetzte, der ihn in den Schnee taumeln ließ.
Er drehte sich am Boden um die eigene Achse, riss das Rapier heraus, aber sein Handgelenk wurde von der Klauenhand der Nachtkreatur gepackt und zur Seite gebogen. Ein Griff wie ein Schraubstock, gegen den Robert nichts tun konnte.
Eine namenlose, unfassbare Kälte ging von dieser Berührung aus. Die Kälte dieser Winterlandschaft war nichts dagegen.
Eine zweite Klauenhand griff nach Roberts Hals.
Das tierhafte Maul des Monstrums öffnete sich und ein fauliger, übel riechender Atem betäubte Roberts Sinne. Das dämonische Leuchten hypnotisierte ihn. Er spürt, wie sein Willem zum Widerstand erlahmte und ihm langsam, aber sicher alles gleichgültig wurde.
Der bleiche, an einen Halbaffen erinnernde Kopf senkte sich nieder und schon berührten die spitzen Reißzähne Roberts Haut.
Die triumphierende Äußerung der Gedankenstimme erreichte ihn noch.
Schwächling! Es war schnell zu Ende mit dir!
Kapitel 4: Kreaturen der Finsternis
Irgendwo hatte Robert mal gelesen, dass man das eigene Leben wie einen Film innerhalb von Sekunden vor sich ablaufen sah, wenn man seine letzten Momente erlebte.
Er hatte sich das nie richtig vorstellen können und deshalb für Unsinn gehalten. Aber jetzt geschah genau das! Er sah Szenen aus seinem bisherigen Leben vor sich. Wie Zeitrafferaufnahmen wirkte das. Aber es lief immer wieder auf dasselbe hinaus. Der Typ an der DeKalb Station… Verdammt, ich hätte mich nie von ihm anquatschen lassen sollen…
Aber für diese Erkenntnis war es jetzt zu spät.
Das Fledermausmonster, das sich über ihn beugte, stieß jetzt einen tiefen, grollenden Laut aus, der ein paar ausgesprochen schrille Obertöne hatte, die Robert fast das Gehör raubten.
Blut! , dachte das Wesen.
Plötzlich surrte etwas durch die Luft.
Ein Pfeil!
Brenda musste ihn abgeschossen haben. Er fuhr dem Monstrum in die Schulter. Die Nachtkreatur brüllte laut auf.
Ein weiterer Pfeil fuhr ihr in den Oberkörper und durchbohrte ihn.
Nein!
Der Schrei der Gedankenstimme fuhr wie ein schmerzhafter Stich durch Roberts Hirn. Das Wesen zerfiel zu übel riechendem Staub, der auf Robert herabrieselte und ihm schier den Atem nehmen drohte.
Nichts blieb von dem Ungeheuer. Nicht einmal die Knochen.
Der beinahe hypnotische Bann der dämonischen Augen war gebrochen. Robert drehte auf dem Boden herum.
Dort, wir er gerade noch gelegen hatte, stürzte sich eine andere Nachtkreatur mit geöffnetem Maul zu Boden, um das Werk seines Vorgängers zu vollenden.
Auch dieses Wesen wurde von Brendas Pfeil getroffen und zerfiel zu Staub. Robert richtete sich auf. Im nächsten Moment stand er wieder auf den Beinen als bereits die dritte Kreatur herannahte.
Diesmal griff Robert zum Schwertgriff. Er zog die zweischneidige Klinge aus dem Futteral auf seinem Rücken und hielt sie mit beiden Händen. Das Wesen stürzte sich auf ihn.
Der Schrei, der dabei ausgestoßen wurde, war so schrill, dass er kaum zu ertragen war und einen allein schon in den Wahnsinn treiben konnte.
Robert hieb der Kreatur den Kopf ab.
Auch sie zerfiel zu Staub, der grau über den weißen Schnee gestreut wurde.
Drei Angreifer waren noch übrig, doch die waren jetzt vorsichtiger geworden. Sie zogen Kreise über den Köpfen von Brenda und Robert.
„Danke übrigens!“, sagte Robert keuchend. „Das war ziemlich knapp eben!“
„Schon gut. Aber sag nie wieder, dass das alles nur ein Spiel ist!“
„Das wirst du nicht mehr von mir hören, Brenda!“, versprach Robert.
Sie legte einen weiteren Pfeil ein und schoss ihn ab, aber er ging daneben.
„Wir dürfen unsere Waffe nur benutzen, wenn wir absolut sicher sind, damit auch einen Erfolg zu erzielen“, sagte Robert.
„Du meinst, dieser nicht gerade sehr zuvorkommende Diener-Dämon gibt uns keine weiteren Pfeile?“
„Sehr hilfsbereit schien er mir jedenfalls nicht.“ Sie gingen Schritt für Schritt weiter in den Wald. Robert schlug das gefrorene Geäst des Unterholzes aus dem Weg. Hier, zwischen den knorrigen, eigenartig verwachsenen Bäumen und dem größtenteils blattlosen und von einer Eisschicht überzogenen Geäst der Sträucher, war es für die Fledermaus-Monster sehr viel schwerer, ihre Beute am Boden anzugreifen.
Zahllose gefrorene Äste behinderten sie dabei.
Mochten diese Schattenwesen auch über eine erstaunliche Regenerationsfähigkeit nach Verletzungen verfügen, so stand nach Roberts Beobachtungen allerdings fest, dass auch sie es vorzogen, nicht verletzt zu werden.
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