„Es stimmt“, lächelte er. „Das bin ich. Ich verstehe das auch nicht ganz, aber bei diesem Hammerspiel ist man völlig in der Spielwelt drin. Das musst du selbst erlebt haben!“ Brenda nahm sich das Cover.
„Hellgate – das Tor zur Hölle. Das klingt...“
„Cool, oder?“
„Ich wollte sagen, das klingt eigentlich nicht gerade nach einer Umgebung, die man unbedingt besuchen möchte.“
„Brenda, das ist ein Spiel! Du begegnest Monstern und schlägst sie tot, damit du überlebst. Das ist alles. Ein Riesenspaß eben!“
„Na, ich weiß nicht.“
„Du musst das unbedingt auch mal probieren.“
„Das ist doch wahrscheinlich nur Daumentraining!“
„Nein, bei diesem Spiel nicht. Der Typ, der es mir verkaufte, hatte Recht, es ist wirklich das Spiel der Spiele.
Du bist vollkommen in der Spielwelt drin, so als wärst du ein Teil davon. Ich habe keine Ahnung, wie die das machen, aber es ist einfach so.“
Brenda sah ihn skeptisch an und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie blickte kurz zu dem Bildschirm hinüber und las sich dann noch einmal den Covertext durch.
„Ich bin eigentlich kein besonders großer Fan von so etwas.“
„Aber das wird dich überzeugen, Brenda!“
„Hör mal, ich bin eigentlich hier, um mit dir Mathe zu lernen. Wir schreiben doch morgen den Test.“
„Ja, ich weiß“, murmelte Robert. „Aber weißt du was? Ich fahre den Rechner jetzt noch einmal hoch und dann probierst du es einfach mal. Nur ein paar Minuten, dann wirst du begreifen, was ich meine.“
Sie seufzte. „Okay“, stimmte sie schließlich zu. „Zehn Minuten. Und dann üben wir. Sonst verhaust du morgen den Test. Und ich denke, du weißt, was davon abhängt.“
Kapitel 3: Im Reich der Verdammten
Robert ließ den Computer erneut hochfahren und startete das Spiel. In der Beschreibung sah er nach, wie man den Modus für zwei Personen einstellte.
Brenda hatte sich inzwischen den zweiten Stuhl in Roberts Zimmer passend zurechtgestellt. „Na, dann mal los“, sagte sie und lachte ihn an. Grübchen entstanden dabei auf ihren Wangen.
Auf dem Bildschirm erschien wieder das flammende Höllentor, das von einem Zombie mit scharfer Sense bewacht wurde.
„Und das soll gruselig sein?“, fragte Brenda.
„Warte es ab.“
„Das ist zum Gähnen!“
„Ich sagte: Warte ab!“
„Eine moderne Version der Addams Family. Aber nichts, wovor man sich fürchten müsste.“
„Dann amüsier dich meinetwegen, wenn du es so witzig findest.“
„Ach, Robert!“
„Willkommen am Tor zur Hölle!“, sagte der Zombie mit verrotteter Kleidung und glühenden Augen. Er deutete wieder mit seiner Sense auf das flammende Tor. „Wenn ihr dieses Tor durchschreitet, seid ihr im Reich der Verdammten und es gibt dann kein Zurück mehr. Click hier, wenn ihr dem Satan eure Seelen überantworten wollt – denn nur dann könnt ihr Zutritt ins Höllenreich erhalten.“
„Es ist wirklich zu blöd, Robert!“
„Etwas Geduld, Brenda!“
„Dann schalte die Lautstärke etwas herunter.“
„Wieso?“
„Na, deine Eltern denken doch, dass wir hier fleißig lernen!“
„Click jetzt! Na, los!“
Sie seufzte. „Meinetwegen. Und jetzt du!“ Im nächsten Augenblick erfasste sie beide der unheimliche Sog, den Robert bereits einmal gespürt hatte. Ein Sog, dem man nicht widerstehen konnte. Alles drehte sich vor den Augen und sie schienen in einen bunten Strudel aus Farben und Formen zu stürzen.
Dann wurde es für kurze Zeit dunkel.
Im nächsten Moment fanden sie sich in jener bizarren, tief gefrorenen Welt wieder, die den Hintergrund für einen Horrorfilm hätte abgeben können - der fahle Mond, der helle Schnee, die verwachsenen Bäume und die tierischen Schreie namenloser Kreaturen, die immer wieder die gespenstische Stille unterbrachen.
In der Ferne lag – erhaben und Furcht einflößend – das Schloss, aus dem die riesenhafte Vampirfledermaus gekommen war.
Robert musterte Brenda. Sie sah sich um, machte einen Schritt nach vorn und stellte fest, dass ihre Füße tatsächlich ein Stück in den Schnee einsanken.
„Das ist…“
Sie sprach nicht weiter und hatte offenbar keine Worte für das, was sich ihr darbot.
„Das ist cool, oder?“, meinte Robert. „Gib es zu, so was hättest du nicht erwartet!“
Sie schüttelte den Kopf. „Okay, ich gebe zu, dass dies wirklich ein ganz außergewöhnliches Spiel sein muss!“
„Habe ich es dir doch gesagt!“
„Wie kommen wir hier her? Wie haben die das gemacht?“
„Keine Ahnung, Brenda. Ich weiß nur, dass ich noch nie ein Spiel gespielt habe, das auch nur annähernd an diesen Effekt herankam!“
Brenda trat ein paar Schritte vor und pflückte einen Eiszapfen von einem erstarrten Strauch.
Wenig später ließ sie ihn fallen.
„Der ist ja wirklich kalt!“, stellte sie fest.
„Na klar, was denkst denn?“
„Was ist mit der Verwundung an deiner Hand? Kommt die auch...“, Brenda zögerte, ehe sie weiter sprach, „...von hier?“
Robert nickte. „Ja. Du musst bei den Schwertern aufpassen.
Die sind scharf wie Rasierklingen – und zwar auf beiden Seiten.“
„Was für Schwerter?“
„Wirst du gleich sehen. Eigentlich wundert es mich, dass wir noch keine Waffen zur Auswahl bekommen haben.“ Sie rieb sie die Hände und sagte dann: „Robert, wir sollten jetzt damit aufhören. Wie kommen wir wieder zurück?“
„Aber wir sind doch gerade erst hier!“
„Vergiss nicht, dass wir lernen wollten!“ In diesem Augenblick ertönte eine Stimme.
„Wählt eure Waffen – und versucht zu überleben. Im Schloss wartet der Herr des Bösen auf euch und freut sich, euer Blut kosten zu dürfen. Eure Seelen hingegen, wird ein anderer bekommen, dessen Namen ich nicht auszusprechen wage.“ Im nächsten Moment erschienen nacheinander verschiedene Waffen. Sie schwebten genau wie beim ersten Mal einfach in der Luft, nur war diesmal das zur Verfügung stehende Arsenal etwas größer.
Es gab neben Streitäxten, Schwertern und einer Armbrust auch noch verschiedene Dolche und Rapiers sowie einen Langbogen.
„Jetzt haben wir die Qual der Wahl“, sagte Robert. „Also eins weiß ich, diesmal werde ich mich etwas besser ausrüsten als beim letzten Mal. Ich würde dir dasselbe empfehlen Brenda, sonst hast du nämlich gegen die Monster keine Chance.“
„Quatsch, wir gehen jetzt zurück!“, beharrte Brenda. „Das reicht mir. Vor allem ist mir schrecklich kalt. Auf einen Schiurlaub war ich nämlich nicht so richtig eingestellt!“ Die Stimme meldete sich wieder.
„Wählt die Waffen und überlebt! Aber bedenkt, dass ihr Verdammte seid. Verdammt zu sterben, verdammt eure Seelen und euer Blut zu geben...“
Ein Gelächter ertönte.
„Schluss jetzt mit dem Gequatsche!“, sagte Brenda entschieden und stemmte die Hände in die Hüften. „Ich will jetzt zurück! Definitiv!“
„Wählt die Waffen!“, beharrte die stark verhallte Stimme, deren Kathedralen-Akustik einen eigentümlichen Kontrast zu der Schnee gedämpften Stille dieser gefrorenen Landschaft stand.
Brenda wandte sich an Robert. „Hör mal, was soll das denn?
Gibt es hier keine Escape-Funktion?“
„Anscheinend nicht in diesem Menue“, murmelte Robert.
„Wählt die Waffen oder ihr werdet den Mächten des Bösen ein leichtes Opfer werden. Aber den Jägern des Blutes macht es keine Freude, ihre Beute ohne Kampf zu erjagen!“, verkündete die Stimme. Ein gehässiges Kichern ertönte. Dazu ein schauriger Chor von schrillen Stimmen, die wie ein Singsang zwei Wörter wiederholten.
„Blut!“
„Durst!“
„Blut!“
„Durst!“
„Ich würde sagen, wir bringen es hinter uns!“, sagte Robert.
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