»Was soll es denn werden? Ein Junge?«
»Haben wir schon, Dr. Barn.«
»Ein Mädchen also?«
»Haben wir auch schon, Doktor.«
»Sie waren ja fleißig. Und was muss nun vermehrt werden? Bestand an Jungen? Bestand an Mädchen?«
»Die Frage ist noch nicht dringend, Doktor. Die stellen wir nach dem achten Kind.«
Queenie sagte es heiter, aber ihre eigenen Worte hatten für sie versteckte Spitzen und Stacheln, denn sie wusste nicht, ob sie je noch einmal ein Kind von Joe würde haben können.
»Die Indianer sterben nicht aus, das ist sicher. Und auch ein Glück. Was werden Sie denn als Nächstes malen?«
»Prärie.«
»Landschaft? Das wäre neu.«
»Für mich, ja, wäre es neu.«
»Und was reizt Sie daran?«
»Eben die Prärie.«
»Was ist daran zu sehen?«
»Nichts.«
»Und was reizt Sie daran?«
»Eben das Nichts.«
»Wenn Sie das Bild zustande bringen, denken Sie an mich?«
»Ich vergesse nicht, Sie darauf aufmerksam zu machen.«
»Ausgezeichnet.«
»Es könnte aber sein, dass mein einstiger Lehrer, James Clark, ein solches Bild als Beute haben möchte.«
»Beute?«
»Ja. Beute seines Sieges.«
»Sieges?«
»Über mich, seine Meisterschülerin.«
»Erklären Sie, bitte.«
»Clark ist für das Chaos, das Nichts – aus dem allein, wie er behauptet, das Werden kommen kann. Er wollte mich einmal lehren, das Nichts zu sehen.«
»Und jetzt haben Sie es entdeckt?«
»Ja.«
»In der Prärie?«
»Ja.«
»Sie haben nicht unrecht. Es ist ein schauderhaftes Nichts hier ringsum.«
»Nichts – köstlich und wunderbar, Dr. Barn. Verborgener Schatz.«
»Sie sprechen als Indianerin.«
»Die aus dem ›Nichts‹ der Prärie geworden ist.«
»Sie treiben ganz hübsch Ihr Spiel mit uns.«
»Ich bin fröhlich, Doktor.«
»Scheint so. Was freut Sie?«
»Zuviel gefragt, Dr. Barn!«
An dem gleichen Tage noch erschien Dr. Sligh, der Chefarzt, obgleich die Entbindungsanstalt nicht sein Aufgabengebiet war. Die anderen beiden Patientinnen wunderten sich nicht. Queenie King war keine gewöhnliche Frau. Sie war eine geborene Halkett, sie war eine King geworden, und sie war eine Malerin. Die ganze Reservation war stolz auf sie. Die Ärzte sollten sich wohl um sie kümmern.
Auch war sie schön. Ja, schön war sie auch.
Mrs Whirlwind nahm allerdings an, dass ein Teil des ungewöhnlichen ärztlichen Interesses ihr selbst als der Frau des größten indianischen Ranchers gelte.
Sligh richtete sein Gesicht auf das routinierte Lächeln ein, das er bei Visiten zur Ermunterung der Patienten zu zeigen pflegte, kümmerte sich um Mrs Whirlwind, um Mrs Bighorn und endlich auch um Queenie King.
»Wie ich höre, ist bei Ihnen alles in bester Ordnung, Mrs King. Also voraussichtlich schon heute nacht?«
»Ja.«
»Wie soll es denn heißen? Joe?«
»Nein. Einen Namen gibt man nicht so schnell weiter.«
»Aber Altvater Joseph hat schon vor zweitausend Jahren gelebt. An den denken Sie nicht?«
»Ich bin keine Maria, Doktor, und meine Kinder werden keine Heiligen sein.«
»Ich weiß nicht, Mrs King – Sie könnten das Modell zu einem Heiligenbild abgeben. Viel eher als Miss Booth, die den Namen Maria trägt und wie Martha aussieht.«
Queenie schaute auf die weiße Decke. Sie wollte den Schatten nicht sehen, der vor ihre Augen gegangen war.
»Müde?«
»Ja, müde, Dr. Sligh.«
Der Chefarzt sagte zu den beiden anderen Patientinnen noch ein freundliches Wort und entfernte sich.
Queenie hätte darüber nachdenken können, wie Dr. Sligh wohl zu der Bemerkung über Mary Booth gekommen war und warum er eine solche Bemerkung gerade jetzt machen musste. Aber sie wollte die Ruhe der Gedanken, mit denen sie die kommende Nacht erwartete, nicht stören. Als die Sonne unterging und der Himmel in einem linden Farbenspiel vom Tage Abschied nahm, wurde Queenie aus dem Zimmer und in den Raum geholt, in dem die Geburt vor sich gehen konnte. Sie hatte die ersten Wehen schon hinter sich. Die Hebamme erwartete sie und war zufrieden mit ihr, denn die junge Mutter war gehorsam und tapfer.
Als der Morgen graute, durfte Queenie ihr braunhäutiges Kind küssen, ehe es auf die Säuglingsstation gebracht wurde. Sie selbst lag erschöpft und zugleich wie neugeboren in ihrem Bett. Sie dachte an Joe.
An dem für Besuche freigegebenen Nachmittag drängte es sich von Freundschaft und Freude um Queenie Tashinas Bett. Die Kinder waren alle gekommen; die Jungen hatten auch die Zwillinge mitgebracht. Robert erschien, ernsthaft und verlegen, aber durch das allgemeine Gespräch bald aufgemuntert. Bob und Melitta, einst Schüler der Schulranch, tauchten auf, mit ihnen auch Percival, ihr Mitschüler, nunmehr Cowboy bei Mr Whirlwind. Yvonne, jetzt Mrs Charles Morning Star, brachte Grüße und Blumen. Die Rektorin von Queenies ehemaliger Schule, Mrs Holland, ließ sich sehen, mit ihr kam Mr Ball, Wakiyas Klassenlehrer. Mrs Carson schaute auf eine Minute herein und hatte Zeitschriften mitgebracht.
Es war eine lebhafte kleine Feier der lebhaften kleinen Freuden. Ihre tiefe Freude deckte Queenie zu, so wie sie ihren Körper unter der bezogenen Decke barg.
Sie hatte keinen Besuch mehr erwartet, als doch noch jemand kam und trotz der strengen Hospitalordnung nach einigem Disput auch für kurze Zeit hereingelassen wurde.
Queenie lächelte Mary Booth entgegen, der Besitzerin der Nachbarranch und steten Hilfe für die King-Ranch, besonders nun, da Joe nicht zu Hause sein konnte.
Mary war von Sligh zutreffend beschrieben worden. Sie glich der arbeitsbelasteten Martha der biblischen Geschichte, war kräftig, von voller Figur, jetzt, da sie ihr Kind säugte, noch voller als sonst. Sie hatte breite Hüften, starke Arme, und ihre Hände waren wie aus einem Stück damit geformt. Sie konnte es mit einem Cowboy aufnehmen. Ihre Stimme klang fest und derb. Nie hatte sie sich gescheut, unangenehme Wahrheiten auszusprechen.
Mary war die erste Frau, die auf der Reservation die Würde eines Ratsmannes erhalten hatte.
Doch stand sie nicht voll Würde am Bett der jungen Mutter, sondern schüchtern und unsicher, mit einem kleinen bittenden und ungewissen Lächeln, ob sie noch habe kommen dürfen. Mit den andern zusammen hatte sie sich nicht zu dem Besuch aufgemacht, denn die Ranches durften nicht allein gelassen werden.
Als Queenie sie darum bat, setzte sie sich auf einen Besucherstuhl und legte die Hände in den Schoß, was ihr ungewohnt war. Sie gruppierte sie daher ein paarmal um.
»Was machen die Büffel, Mary?«
»Eine Kuh hat schon gekalbt. Alles ist gut gegangen. Robert hält sich ordentlich. Der Stier wird aber gefährlich, er hat zweimal angegriffen. Wir werden ihn wohl abschaffen müssen. Wir haben die ganze Büffelherde schon auf die entferntere Weide getrieben; im Tal, so nahe zu Haus und Straße, ging es nicht länger.«
Mary sprach nicht mehr schüchtern und unsicher, sie sprach trocken anordnend, sobald es um Ranch und Arbeit ging.
»In ein paar Tagen fahre ich zu Joe, Mary.« Das war Queenies Flucht aus der Situation, Marys Anordnungen einfach hinnehmen zu sollen.
»Dann, Queenie, frage Joe, was er denkt. Aber der Stier ist gefährlich geworden; wir müssen ihn abschaffen, ehe ein Unglück geschieht. Vielleicht können wir ihn mit Fell und Fleisch so gut verkaufen, dass das Geld für einen neuen, ganz jungen reicht und noch etwas darüber hinaus bleibt. Schade, dass Joe nicht da ist. Der Stier muss erschossen werden. Das wäre etwas für Joe.«
»Für andere Burschen ja nun auch. Es ist aber schade um das herrliche Tier und alle Erinnerungen. Behalten wir die Hörner?«
»Wenn einer, der das Fell nimmt, nicht auch die Hörner dazuhaben will.«
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