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Montag unterschrieb ich meinen Arbeitsvertrag bei der Firma Peugaß. Ich als Schweißer – welche Veränderungen die Wege des Lebens machen können! Dieter stellte mir meinen Arbeitsort vor, einen großen Komplex.
„Hier entsteht etwas Neues für unsere Alten – für unsere Senioren, meine ich. Mal reingucken?“
„Klar, mach auf.“
Eine Tür zum Untergrund öffnete sich: Dunkelheit, spartanische Beleuchtung, Kriechkeller. Höhe: ganze 90 cm. Mein neues Arbeitsgebiet. Besprechungen an der Öffnung zur Unterwelt. Schock, Klaustrophobie, weiche Knie. Der Boden unter mir öffnete sich. Ich lächelte Dieter an.
„Ich dachte …“
„Dieter, meine Angst verstehst du nicht. Ich lächle aus Verzweiflung, nicht aus Freude!“
Eintauchen in eine unbekannte Welt: Rohrleitungen aus Kupfer, glänzend, kilometerlang, in verschiedenen Dicken, 15 mm bis 110 mm, durch Absperrventile unterbrochen, ungelötet. Na, mal sehen.
Tage im Reich der Unterwelt erwarteten mich.
„Montag in einer Woche fängst du hier an, Markus. Atze und Sauerstoffflaschen sind bestellt, nebst Schläuchen und Brenner.“
Ich nickte ihm zu. Aber ich fühlte Angst.
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In der Nacht fingen die Alpträume an. Schweißnass wanderte ich durch unbekannte Räume, öffnete Türen, wanderte über nächtliche Treppen. Was ist es, was du suchst, Markus? Angstgeräusche erfüllten meine Seele. Was suchst du? Hör auf, mich mit deinen Fragen zu martern, ich kann nicht mehr!
Nasser Schlafanzug, kalter Körper. Prinz blinzelte mich an mit müden Augen.
„Komm, leg dich schlafen alter Knabe, mein innerer Schweinehund hatte genug!“
Ich hörte Worte – diese verstehen? Nein, nicht wirklich! Markus ist wieder auf seinem alten, schlimmen Trip. Drogenähnlich. Nein. Noch schlimmer.
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Ein müder Samstag. Der Dezember war da. Verdammt warm draußen, Sonne, kein Regen, Südwestwind, leichte Brise. Tannenrauschen vor dem Haus.
„Guten Morgen, Prinz!“
Er wollte raus, ich nicht. Ich öffnete schlaftrunken die Hintertür zum 2000-Quadratmeter-Garten, Prinz tobte sich aus. Ich fühlte mich noch nicht danach, er war eben etwas verrückt. Kaffee am Tisch ist immer toll, den Blick in die Sonnenwelt gerichtet. Plötzlich war wieder Ruhe, stille in mir. Seltsam, Markus. Findest du? Ich führte meine Seele aus im friedlichen Zwiegespräch. Kein Streit, wie so oft. Wollen wir die Fenster weihnachtlich schmücken? Willst du? Schon, ein wenig. Na, dann los.
Ich holte die Kiste aus dem Keller, schmückte die Fenster, viel war nicht übriggeblieben, der Umzug hatte in meinem Weihnachtsschmuck gewütet, schade. Der Tag ging schnell dahin, die Nachmittagssonne verschwand im Schatten. Ich ging ins Bett, Stille lag im Raum, es fühlte sich gut an - diese Ruhe.
Plötzlich riss mich diese helle Stimme aus einer anderen Zeit: Komm. Das ist Sie mit dem roten Haar „Markus – Markus, hilf uns!“ Wer bist Du.
Herzrasen, Herzpoltern, Schwindel. „Was ist, warum ruft mich jemand, den ich nicht sehen kann? Wo bist du?“
„Ich bin hier, im Haus!“
Gedankenkreisen – Kloß im Hals. Schlaf, komm Markus! Nein, ich wollte nicht mit, lasst mich hier, „Ich möchte nicht mehr wandern durch das dunkle Brunnental.
Verzweifelt wankend verließ ich das Bett, mit wildem Haar rannte ich ins Bad. Kaltes Wasser ergoss sich über mich. Saukalt. Ich schrie mich aus: „Ist mir kalt, furchtbar kalt!“
Schwankend, dem gefühlten nassen Satan entsprungen, mit einem Badetuch die Kälte aus dem Körper reibend, kehrte langsam Wärme zurück. Plötzlich stand ich am Ende des Flures. Hier gab es noch immer kein Licht.
Dort, hinter der Rigipswand, war die Tür zu der anderen Welt. Ein Schaudern stieg an mir hoch, Markus lass das, dieser wilde Drang schob alles beiseite!
Den Arm erhoben, zum Schlag ausholend, sauste diese alte rote Feuer-Axt in die Trennwand. Ich hatte sie vergessen, verdrängt, jene andere Welt! Laut wurde es durch die Hiebe meiner Hände . Ja, gib es frei, weiter so, Markus! Dumpfer alter Kaffeegeruch drang durch die Tür dahinter mir entgegen.
Ein Haufen Schutt wuchs zu meinen Füßen. Prinz beobachtete mich; er setzte sich am anderen Ende des Flures auf sein Hinterteil.
Endlich hatte ich ein breites Loch geschlagen. Ein erster Blick durch die Tür, diese alte verräucherte Glasscheibe lag im dunklen Schattenland:
Dunkelheit. Ach ja, die Scheiben hatte ich seinerzeit ja mit weißer Kreide bestrichen, zum Schutz und gegen die Verwitterung!
Dunkelheit, ein Druck meiner Hand auf die Tür, knarrendes Geräusch der Scharniere, ungeölt. Ein leerer Raum. Prinz rannte hinein, ich hörte ihn fiepen, er wanderte in seine Vergangenheit – und dann wieder zu mir zurück. Seinem Fiepen folgend, lief ich in diese künstliche Nacht.
Stolpernd tastete ich mich durch den Raum, fühlte das Fenster. Die Flügel waren kalt, die Scheiben rau von der Kreide. Meine Fingernägel kratzten über das Glas, ein Lichtstrahl des neuen Tages drang hindurch, wurde stärker. Ich kratzte immer weiter, das Licht entfaltete sich, meine Hände schmerzten.
Hol dir lieber warmes Wasser, Markus, es ist Sonntag! Wenn du so weitermachst, wird dein erster Arbeitstag schmerzhaft! Schau auf deine Finger! Ich will dich nicht immer an alles erinnern müssen!
Ich schwieg, die Idee war gut. Das heiße Wasser bewirkte Wunder: Der Raum tauchte ins Jetzt. Reinigende Strahlen, staubbehangen das Gewesene. Ich fühlte: Es ist nicht sichtbar, aber da. Im Sonnenlicht an der Tür drehte ich den Schlüssel nach links. Sie öffnete sich nach innen. Ein Windhauch schoss an mir vorbei. Herbstblätter vermischten sich mit Wind.
Bis zum Mittag schuftete ich, dann hatte ich Hunger.
Nach dem Essen machte ich mich weiter an die Arbeit: Ein scharfer Besen für das Grobe, Wischwasser für den Staub der Zeit. Ein großer Raum, vierzig Quadratmeter, über mir die Pracht der alten Stuckdecke. Hinter einer Tapetenwand hörte ich ein dumpfes Geräusch. Mit dem Taschenmesser schlitzte ich die Tapete auf – eine verborgene Tür!
Das Schließblech war nicht mehr da, nur die kleine Öffnung der Klinke war noch zu sehen. Ich zog einen Schraubendreher aus der Werkzeugtasche. Als ich ihn nach rechts drehte, öffnete sich die Tür nicht, aber als ich mich mit der Schulter dagegen warf, sprang sie auf.
Ein dunkler Raum. Wo führte sie mich hin? Im Licht der Taschenlampe erblickte ich eine seit ewigen Zeiten schlafende Backstube: Spinnennetze, staubverhangen. Verdammt, Markus, das alles gehört dir! Zwick dich mal! Aua, ich bin doch da!
Ich schloss die Tür wieder. Alles langsam, mein Lieber.
Beim Blick zur Decke fehlten etwa vier Quadratmeter Putz. Die mussten mal rausgefallen sein. Komm, wir machen jetzt noch die Decke zu. He, alter Streber, es ist Sonntag, der erste Advent! Na los, komm schon!
Ich ärgerte meinen inneren Schweinehund, holte Leiter, Baustrahler, Rigipsplatten und Schrauben. Deckenreste rausschlagen, altes Stroh entfernen, Rigipsplatten anschrauben. Meinen Kopf als Stütze benutzend, versenkte der Akkuschrauber eine Rigipsschraube nach der anderen, fast fertig! Fugenfüller hast du vergessen, stellte ich fest.
Ein Schmerz durchzuckte mich. Der Akkuschrauber stürzte zu Boden, mein Blick erfasste die Situation sofort: Ich war gefangen an der Decke, eine verdammte Schraube hatte sich durch meinen Zeigefinger geschraubt! Es begann zu pochen wie der Briefträger mit einem Einschreiben vor der Tür.
Schmerzen verzerrten mein Gesicht, Angst durchraste meinen Körper, Blut tropfte auf mein Gesicht. Gefangen blickte ich der Nacht entgegen.
Meine Blase meldete sich zum Rapport: Bald konnte ich das Wasser nicht mehr halten. Auf der obersten Stufe der Leiter stehend, zitternd, ergoss mein Inneres sich warm plätschernd meine Beine entlang über die Schuhe. Die Flüssigkeit wurde vom alten Boden aufgesogen wie von einem Schwamm .
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