Ausgelöst werden diese Schwankungen während des Eiszeitalters durch einen veränderten Energieeintrag von der Sonne, vor allem auf der Nordhalbkugel. Verursacht werden diese durch regelmäßige Veränderungen der Umlaufbahn der Erde um die Sonne sowie der Neigung der Erdachse. Durch Überlagerung mehrerer dieser Faktoren kann es zu Schwankungen im Energieeintrag von einigen wenigen Watt pro Quadratmeter kommen. Dies entspricht zwar nur etwa 1 Prozent des Energieeintrages der Sonne auf die Erde, aber der veränderte Energieeintrag hält über mehrere Jahrtausende an. Der Effekt wird durch Rückkopplungsprozesse wie der Schnee-/Eis-Rückkopplung verstärkt und kann daher zu den beobachteten starken Veränderungen zwischen den Warm- und Kaltzeiten führen. Die letzte Kaltzeit begann vor rund 115.000 Jahren, erreichte ihren Höhepunkt vor 22.000 Jahren und endete von 12.000 Jahren. Im deutschsprachigen Raum wird diese Kaltzeit auch Würm-Eiszeit genannt. Während der maximalen Eisausdehnung reichte das polare Eisschild in Europa bis nach Berlin und der Alpenraum war ebenfalls großräumig vergletschert. Durch die Wasserspeicherung in den riesigen Eisschilden lag der Meeresspiegel um 120 bis 130 Meter unter dem heutigen Niveau. Dadurch war Großbritannien mit Europa verbunden und auch Sibirien war mit Alaska in Nordamerika verbunden.
Mit dem Ende der Würm-Eiszeit vor 12.000 Jahren begann die relativ stabile Klimaperiode des Holozän und damit auch die rasante kulturelle und technische Entwicklung des Menschen. Der heutige Mensch (Homo sapiens sapiens) entwickelte sich vor rund 200.000 Jahren in Afrika. Vor etwa 100.000 Jahren begann die Ausbreitung von Afrika aus nach Asien und Europa. Da diese Ausbreitung etwa mit dem Beginn der letzten Kaltzeit zusammenfällt, dürfte diese Wanderbewegung auch mit klimatischen Veränderungen in den ursprünglichen Verbreitungsgebieten des Homo sapiens in Afrika zusammenhängen.
Die globale Ausbreitung des modernen Menschen erfolgte vollständig während der Würm-Eiszeit. Der niedrige Wasserspiegel erlaubte auch die Besiedelung von Amerika, das über die Beringstraße mit Asien verbunden war und selbst Australien konnte zu Fuß und mit der Überwindung kurzer Wasserwege besiedelt werden. Wir sind also Kinder der Eiszeit, wobei unsere Vorfahren zu dieser Zeit noch Jäger und Sammler waren und keinen Ackerbau betrieben.
Der Übergang von der Würm-Eiszeit zum Holozän brachte massive klimatische und auch landschaftliche Veränderungen, die sich tief in das Bewusstsein der Menschheit eingeprägt haben. Durch das Schmelzen der großen Eisschilde stieg langsam der Meeresspiegel. Dies führte einerseits dazu, dass viele Landgebiete vom kontinentalen Festland getrennt und zu Inseln wurden. Es wurden aber auch Meeresverbindungen, die während der Kaltzeit trockengefallen waren, wieder aktiviert. Dieser Prozess dürfte der Auslöser für die „Sintflut-Legende“ sein, die in vielen eurasischen Kulturen überliefert ist und auch in der Bibel vorkommt. Der Bosporus, die Meeresverbindung zwischen dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer, war während der Würm-Eiszeit eine Landbarriere, da er an der tiefsten Stelle nur 110 Meter tief ist. Das Schwarze Meer war daher ein Süßwassersee, der von der Donau, dem Dnjepr und dem Don gespeist wurde, wobei die Ausdehnung jedoch deutlich kleiner war als das heutige Schwarze Meer. Die Ufer dieses Sees waren von Jägern und Sammlern sowie Fischerkulturen dicht besiedelt. Vor etwa 8.400 Jahren war der Meeresspiegel des Mittelmeeres so weit angestiegen, dass sich die Salzwassermassen des Mittelmeeres in das Becken des Schwarzen Meeres ergossen und die dortigen Siedlungen entweder zerstörten oder zumindest die weitere Besiedlung unmöglich machten. Da die vertriebenen Menschen in verschiedene Richtungen rund um das Schwarze Meer flüchteten, wurde der Mythos der „Großen Flut“ in alle Kulturen dieses Raums getragen.
Der Übergang von der Würm-Eiszeit zur heutigen Warmzeit erfolgte zwar im geologischen Sinne rasch, dauerte aber dennoch einige Tausend Jahre. Die Erwärmung setzte vor etwa 12.000 Jahren ein, nachdem bereits einige Tausend Jahre davor der Energieeintrag im Sommer auf der Nordhalbkugel angestiegen war und sich die großen Eisschilde in Nordamerika und in Eurasien langsam erwärmten. Der Strahlungseintrag auf der Nordhemisphäre im Sommer erreichte vor rund 9.000 Jahren das Maximum, seither nimmt er langsam wieder ab, dafür im Winter zu. Das Eurasische Eisschild brauchte 5.000 Jahre, bis es vor rund 7.000 Jahren vollständig abgeschmolzen war, und das Nordamerikanische Eisschild verschwand überhaupt erst vor 4.000 Jahren.
Diese Hochphase des Strahlungseintrages im Sommer und der Rückgang der Eisschilde führten zu einem Klimaoptimum auf der Nordhalbkugel, das etwa vor 8.000 Jahren begann und vier Jahrtausende andauerte. In dieser Zeit lag die Mitteltemperatur bei uns in Mitteleuropa etwa 1,5 bis 2 Grad über dem Niveau vor der Industriellen Revolution und dürfte damit in etwa so warm gewesen sein wie das letzte Jahrzehnt. Die Alpen dürften während langer Phasen des Klimaoptimums vollständig eisfrei gewesen sein. Das Klimaoptimum ist auch die Zeit, in welcher der Mensch sesshaft wurde und mit Ackerbau und Viehzucht begann.
Dieser Übergang vom Jäger und Sammler zum Bauern erfolgte nicht freiwillig, sondern wurde durch die Umstellung des Klimas verursacht. Die „Wiegen der Zivilisation“, wie etwa im Zwischenstromland Euphrat und Tigris (heutiger Irak), Kleinasien, Ägypten, aber auch Indien und China, liegen alle zwischen dem 30. und 40. Breitengrad und damit in den Subtropen. Diese Gebiete wurden während des Klimaoptimums deutlich trockener und damit auch im Sommer heißer. Wir wissen, dass die Sahara zu Beginn des Klimaoptimums ein fruchtbarer Landstrich mit einer Vielzahl an großen Säugetieren war, die für die Jagd geeignet waren. Während des Klimaoptimums trocknete die Sahara von Süden her aus, aber selbst zur Römerzeit waren die Küstengebiete um Karthago im heutigen Tunesien noch die Kornkammern des Römischen Reiches.
Diese klimatische Veränderung führte dazu, dass man sich nicht mehr das ganze Jahr von der Jagd und dem Sammeln von Früchten ernähren konnte. Untersuchungen von Skeletten haben gezeigt, dass die Menschen zu Beginn der Ackerbaukulturen deutlich stärker an Mangelernährung litten als die vorherigen Jäger und Sammler. Der Umstieg auf Ackerbau und Viehzucht und die daraufhin folgende Städteentwicklung und Staatenbildung erfolgten also nicht freiwillig, sondern aus klimatischen Gründen. Eine derartige tiefgreifende kulturelle Umstellung war natürlich mit anfänglichen Schwierigkeiten verbunden. Langfristig führte sie zu den ersten Hochkulturen in Mesopotamien, Ägypten, Indien und China. Aus diesen entwickelten sich die griechische und römische Kultur sowie die großen Weltreligionen, die bis in die heutige Zeit nachwirken.
Die historische Entwicklung – eine Folge von Klimaschwankungen?
Klimatische Veränderungen haben die Menschheit also von Beginn an begleitet und geprägt. Durch das Sesshaftwerden und die Umstellung auf Ackerbau und Viehzucht wurde die Abhängigkeit der Menschen vom Wetter und den damit verbundenen Schwankungen bei den Ernteerträgen aber verstärkt. Man konnte nicht mehr einfach den Tierherden folgen, sondern musste mit den Witterungsschwankungen fertig werden. Dies führte zur Entwicklung der Lagerhaltung, aber auch des überregionalen Warenaustausches. Damit konnten zwar Missernten von einem oder wenigen Jahren abgemildert werden – man denke an die sieben fetten und sieben mageren Jahre aus der Bibel –, längerfristige klimatische Schwankungen konnten aber mit dieser kulturellen und technischen Entwicklung nicht überbrückt werden.
Eine deutliche Abkühlung in Europa war mitverantwortlich für den Zusammenbruch des Römischen Reiches und die daran anschließende Völkerwanderung. Diese Abkühlung setzte etwa 400 n. Chr. ein und reichte bis etwa 750. Um 535 n. Chr. gab es zudem eine weltweit spürbare Abkühlung, welche durch einen Vulkanausbruch (Rabaul auf Papua- Neuguinea) verursacht wurde. In Europa wurden speziell die Winter kälter und feuchter, sodass sich im Alpenraum die Gletscher stark ausdehnten und eine ähnliche Ausdehnung wie während des letzten Höchststandes am Ende der Kleinen Eiszeit erreichten.
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