1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 „Ja. Aber nur durch die zweite Begegnung mit Josef habe ich das verstanden. Jetzt bin ich noch fester davon überzeugt, dass wir uns in den späteren Jahren wirklich im Paradies auf Erden treffen werden. Diese Überzeugung hilft mir auch, DICH loszulassen. Ich werde mich nun oft mit Josef treffen. Bevor wir uns für ewig binden. Erst nach unserer Hochzeit ziehe ich als Ehefrau und Gemeinde-Helferin im Pfarrhaus ein. Wenn uns Kinder geschenkt werden, wird mein erstes Kind entweder Christina oder Christian genannt. Sie sollen gleich mit dem Wissen aufwachsen, dass DU ihre Schwester bist. Ich bin überzeugt, dass Gott sich darüber freut.“
Dann überlegend: „Aus meiner Sicht benötigst DU kaum mehr das Leid zum Aufwachen. DU wendest nun selbst schon ganz bewusst DEINE geschenkte Gotteskraft an. Oder?“
Christina lächelt entzückt: „Wie gut DU mich kennst.“
Doch Claudia seufzt. „Ich war so dumm und egoistisch. Dieses ganze Lügengebäude ist eigentlich unverzeihlich. Ach, ich hätte es besser wissen müssen. Ich war einfach zu feige. Aber glaube mir, das Lügen war eine Tortur, eine Qual für mich. Kannst DU mir trotzdem verzeihen?“
Christina neckt sie: „Ich vermute, dass ich DIR verzeihen kann.
Denn ich bin auch egoistisch. Ich wünsche mir, DEINEN Josef kennen zu lernen. Ich möchte bei EURER Hochzeit dabei sein. Durch meine Verzeihung werde ich eventuell EURE Kinder, DEINEN Mann und DICH in unserem Paradies begrüßen dürfen. Wenn das kein Grund ist, gnädig zu DIR zu sein!“
Christina lacht so laut, dass sie kaum mehr atmen kann. Auch ein Schluckauf sorgt für ihre Heiterkeit. Endlich kann Christina wieder mit einer neutralen Stimme sprechen:
„Jetzt denkt Gott und auch DEIN Josef an uns. Weil DU noch glaubst, dass Gott Verzeihung erwartet. Aber für was möchtest DU DICH bei mir entschuldigen? Was sollen wir einem anderen Menschen und uns selbst verzeihen?“
Claudia sitzt wie versteinert auf ihren Platz. Dann kam sie endlich zu sich.
„Christina, jetzt hast DU es mir aber wirklich gegeben. Ich fühle mich überfordert. Ich wollte mich bei DIR entschuldigen, weil ich mich schäme. Denn durch meine Unehrlichkeit habe ich DEIN Vertrauen verletzt. DU sagst doch immer, dass nur mit dem absoluten Vertrauen eine Freundschaft und Partnerschaft möglich ist. Ich wollte DIR damit sagen, dass ich das jetzt begriffen habe.“
Christina setzt sich auf Claudias Schoß und schaut sie zärtlich an. „DU siehst es richtig. Vertrauen ist die Grundlage für jedes inniges Miteinander. Doch es sollte gepaart werden mit der grenzenlosen Liebe. Beantworte mir folgende Frage: Aus welchen Gründen hast DU mir die Wahrheit unterschlagen?“
Spontan antwortet Claudia: „Weil ich DICH schützen wollte.
Ich hatte Angst, dass DU ohne mich nicht mehr leben möchtest.“
Christina nickt. „Aha. DU möchtest DICH also bei mir entschuldigen, weil DU mich schützen wolltest. Verstehe ich das richtig? DU schämst DICH also dafür, dass DU mich so liebst, dass DU die Qual einer Lüge auf DICH genommen hast, um mich zu schützen?“
Claudia steht abrupt auf, so dass Christina von ihrem Schoß auf dem Boden rutscht. Empört sagt sie zu Christina:
„DU bist gemein. Du drehst mir die Wörter im Mund herum.“
Doch dann muss sie doch lachen.
„DU bist raffiniert. Einfach genial.“
Sie nimmt Christina auf den Arm und schaut sie mit leuchtenden Augen an: „Also habe ich gar keinen Grund, mich bei DIR zu entschuldigen und DU hast keinen Grund, mir zu verzeihen!
Danke, meine Lehrerin.“
Sie denkt nach. „So, jetzt werden wir die ideale Sofa-Kuschelhaltung ausprobieren.“
Mehrere Male wird die Stellung gewechselt. Dann endlich sind sie BEIDE zufrieden. Behaglich strecken sie sich noch ein kleines bisschen. „Oh, soooo ist es schön“ sind sie sich einig.
„So, meine süße Christina, nun können meine Gedanken fließen. Ich muss sie nur noch in verständlichen Worten packen.
Habe bitte Geduld mit mir.“
Christina nickt und wagt nichts zu sagen. Stille. Dann doch drängend: „Claudia, worüber denkst DU nach?“
Noch nachdenklich erwidert Claudia: „Christina, es ist wirklich fast alles, was DU gesagt hast, für mich verständlich. Doch mit welchen Gedanken kann ich allen Menschen verzeihen? Wie könnte ich zum Beispiel dem Mörder meiner Tochter verzeihen?
Wie ist das möglich?
Was ist denn nun die Wahrheit, Christina?“
Sie nimmt Claudias Hand: „Die Wahrheit ist, dass kein Mensch bewusstböse ist. Er gibt keine Sünder. Keine Opfer. Wann würde ein Mensch wirklich sündigen, Claudia?“
Claudia hebt nur die Hände und rollt ihre Augen mit dem Ausspruch: „Wieder bin ich überfordert. Sag es mir, meine Lehrerin.“
Christina fragt: „Könntest DU Gründe nennen warum ein Mensch bereit ist, zu töten?“
Stille. „Mmmmeee“ (Claudia denkt noch nach) Dann spricht sie ganz langsam ihre Gedanken aus:
„Wenn ein Mensch so von einem Menschen gepeinigt wird, dass er es nicht mehr aushalten kann. Wenn er glaubt, dass ein anderer Mensch es wirklich verdient hat. Wenn er glaubt, dass es seinem Kind, seinem Partner, ihm, anderen Menschen oder auch Tiere dann besser geht, wenn dieser Mensch nicht mehr auf der Erde ist. Aus Rache. Oder, wenn er mit einer Pistole versucht, eine Bank zu überfallen. Auch wenn er es nicht vorhat, sie zu benutzen, kann es passieren. Natürlich auch, wenn ein Mensch überfallen wird, und er sich aus seiner Sicht nur noch mit einer Waffe wehren kann. Mmmmeee. Nee, jetzt fällt mir nichts mehr ein.“
„Gut“, bewertet Christina die Aufzählung. Aber es gibt doch nur ein Gedanke, der all diesen Menschen aus seiner Sicht die Genehmigung gibt, zu töten. Kannst DU DIR denken, welcher Gedanke es sein könnte?“
Da kommt ganz spontan die Antwort von Claudia: „Weil sie sich verletzt fühlen und dadurch zornig und wütend sind.“
„Eben. Glaubst DU, dass die Menschen mit meinemjetzigen Bewusstsein töten könnten?“
Claudia lacht. „Natürlich nicht!“
Christina fragt: „Warum nicht?“
Claudia antwortet mit fester Stimme: „Weil diese Menschen ja nie zornig und wütend auf andere Menschen sind.“
„Warum kann ich alle Menschen so nehmen wie sie sind?“
„Na ja, das ist doch klar. Weil DU mit dem Wissen lebst, dass nur DU allein verantwortlich bist für DEIN Leid. Nie ein Opfer bist.“
„Eben“ antwortet Christina. Sie schaut liebevoll Claudia an.
„Jetzt hast DU doch die Antwort auf DEINE Fragen. Ich fasse noch einmal zusammen. Ein Mensch tötet nur, weil sein Zorn alle seine Sinne ausschaltet. Er kann nicht mehr denken und fühlen. Nicht, weil er böse ist. Ohne Zorn ist er ein Mensch, der sich klein und ohnmächtig fühlt. Der sich nicht als wertvollen Menschen sieht. Darum ist die Eifersucht sein Begleiter und auch oft der Alkohol, der ihm für kurze Zeit das Vergessen schenkt. Sein Geist ist so krank, dass er ALLE Menschen vernichten möchte, die aus seiner Sicht Schuld an seinem Leid haben.
Nie hat er mit Vorbilder gelebt, die für sich die absolute Verantwortung angenommen haben. Wie soll er also wissen, dass nur er der Verursacher für sein Leid ist? Ich kann doch nicht zornig auf einen Menschen sein, der gar nicht mit diesem Bewusstsein lebt. Doch das ist fast für jeden Menschen unverständlich.“
Christina fragt nun Claudia: „Sind diese Antworten trotzdem für DICH akzeptabel, mein großer Schatz?“
Claudia kann im Moment noch nicht antworten.
Sie schaut Christina mit großen Augen nachdenklich an. Auf einmal nimmt sie Christina wieder auf den Arm und tanzt mit ihr im Walzertakt herum. Dabei singt sie eine Strophe aus ihrem Lieblings-Kirchenlied:
„Danke, dass ich DEIN Wort verstehe, danke, dass DEINEN Geist DU gibst. Danke, dass in der Ferne und Nähe DU die Menschen liebst. Danke, DEIN Heil kennt keine Grenzen, danke, ich halt mich fest daran. Danke, ach Herr, ich will DIR danken, dass ich danken kann.“
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