Dieses Buch ist gewidmet jenen, die es wagen, in das Herz der Dunkelheit hinabzusteigen, die dunklen Labyrinthe des Geistes zu durchwandern, in einer wunderschönen, fortdauernden Suche nach der schwarzen Sonne, dem Licht des Göttlichen im Innern, das nur im tiefsten Abgrund der Melancholie zu finden ist.
1. Auflage 2012
Copyright © 2010 by Edition Roter Drache.
Edition Roter Drache, Holger Kliemannel, Postfach 10 01 47,
D-07391 Rudolstadt. edition@roterdrache.org; www.roterdrache.org
Übersetzung aus dem Englischen: Helge Lange.
Lektorat: Georg Dehn.
Buch- und Umschlaggestaltung: Asenath Mason.
Titelbild: Asenath Mason.
Gesamtherstellung: Jelgavas Tipografija, Jelgava.
Alle Rechte der Verbreitung in deutscher Sprache und der Übersetzung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Ton- und Datenträger jeder Art und auszugsweisen Nachdrucks sind vorbehalten.
1. Digitale Auflage 2012
Digitale Veröffentlichung: Zeilenwert GmbH
ISBN 9783944180120
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Kapitel I
Die Lehre der Elemente
Mikrokosmos und Makrokosmos
Die Elemente
Säfte und Temperamente
Die esoterischen Korrespondenzen der Elemente
Die Symbolik der Melancholie
Kapitel II
Die Welt der Melancholie
Die Entstehung der Säfte
Mittelalterliche religiöse Lehren und der Aufschwung der Medizin
Die Renaissance: Ruhm und Abwertung des menschlichen Wesens
Angst und Furcht im siebzehnten Jahrhundert
Die Aufklärung: Vom Geist zum Fleisch
Das neunzehnte Jahrhundert: Begeisterung und Spleen
Hin zur modernen Psychiatrie
Kapitel III
Furor Divinus
Die antike Sicht des Wahnsinns
Bacchische Riten und ritueller Rausch
Propheten und Orakel
Künstlerische Manie und Besessenheit der Sinne
Kriegertrance der Raserei
Rituelle Besessenheit und chamanische Mysterien
Religiöse Manie
Der astrale Garten der Verrücktheit
Kapitel IV
Lycanthropia
Die Legende
Die heilige Krankheit
Mensch zu Wolf
Saturnalien
Tiergeister
Gestaltwandlung
Lycanthropos
Kapitel V
Die schwarze Essenz
Atra Bilis
Die spirituelle Essenz
Kundalini
Der Aufstieg und der Fall
Abstieg in die Schwärze
Die Biologie des Prozesses
Hin zum Licht
Kapitel VI
Der unruhige Geist
Die Wiederkehr der Leidenschaften
Manisch-depressive Verrücktheit & feiner Wahnsinn
Ennui & Spleen
Gegen den Strich
Leiden bis zum Tod
Trauer und Melancholie
Depression
Kapitel VII
Acedia
Spirituelle Erstarrung
Weltschmerz
Faulheit
Die tödlichste der Sünden
Kapitel VIII
Das dunkle Weibliche
Die Dame Melancholie
Tochter des Saturn
Die Hure
Blut auf dem Altar des Saturn
Anima Mundi
Kapitel IX
Kinder des Saturn
Der verschlingende Vater
Das goldene Zeitalter
Astrologische Symbolik
Der saturnische Mensch
Die Vision der Trauer
Kapitel X
Die schwarze Sonne
Der Schatten der Sonne
Visita Interiora Terrae Rectificando Invenies Occultum Lapidem
Der schwarze Stein
Nigredo
Das Herz der Dunkelheit
Anhang
Quellenverzeichnis
Die Autorin
Seit des Aufstiegs der Philosophie haben Gelehrte und Denker der Erfahrung von Kummer, Depression, Traurigkeit und Schwermut mit tiefsinniger Aufmerksamkeit bedacht. Viele von ihnen lebten selbst in abgeschiedener Einsamkeit. Sie widmeten ihr Lebens der Kontemplation über ihre Psyche in dem Versuch, die veränderlichen Geisteszustände durch physiologische Theorien, geistige Störungen oder esoterische Interpretationen zu erklären. Die betörendste Vorstellung war die der inneren Dunkelheit der Seele, der schwärzung der Sinne, des Abbaus von Emotionen und Gefühlen oder ihrer Steigerung zur göttlichen Ekstase. Diese Erfahrung von Dunkelheit wurde „Melancholie” genannt. Sie wurde im Laufe der Jahrhunderte zu einem der faszinierendsten Phänomene für Philosophen, Ärzte, Künstler, Musiker, Schriftsteller, Dichter und insbesondere die Adepten der okkulten Künste.
Aufzeichnungen über Depression, Schwermut, Verrücktheit und manische Stimmungswechsel tauchen in fast allen Kulturen aller Geschichtsepochen auf. Die medizinischen Schriften des alten Ägypten beschreiben pathologische Ursachen depressiven Verhaltens und die griechische Mythologie stellt oft Helden dar, die gegen den Wahnsinn kämpfen. Hippokrates, Plato, Aristoteles, Theophrastos und andere Vertreter der antiken Philosophie und Medizin analysierten Depression und Melancholie. Dramatiker der Klassik wie Aeschylos oder Euripides enthalten zahlreiche Beschreibungen von Traurigkeit, Gram, Erschöpfung und spirituellem Leiden. In den alten Zeiten wurde die Melancholie als eine Krankheit der Seele angesehen, als Triumph der inneren spirituellen Dunkelheit über das göttliche Licht der Vernunft und die rationale Harmonie im Menschen. Antike Ärzte versuchten die Melancholie als eine körperliche Störung zu erklären. Sie formulierten eine Theorie der Säfte, die Humoralpathologie. Nach der resultiert die Melancholie aus einer Disharmonie der Körperflüssigkeiten und einer Vorherrschaft der schwarzen Galle, der verderblichsten und schädlichsten der Säfte. Der griechische Begriff mélaina cholé (μέλαινα χολή) erlangte weite Verbreitung in Bezug auf diese mysteriöse schwarze Flüssigkeit.
Mehr als zweitausend Jahre lang wurde die Humoralpathologie die annahm, dass Körper und Geist mystisch verbunden seien, zur Erklärung von Charakterzügen, Zuständen, Geschmäckern, Aussehen, emotionalen Zuständen und körperlichen Funktionsstörungen verwendet. Viele alte Traditionen basierten auf dem Konzept von Flüssigkeiten, die im Körper zirkulieren, oft durch metaphorische Darstellungder Energieflüsse. Im Laufe der Zeit wandelten sich diese Vorstellungen sukzessive in die von Hormonen, Enzymen, Partikeln usw. Ihre mystische Bedeutung blieb nur in bestimmten Teilgebieten der okkulten Philosophie erhalten.
Die Melancholie wurde jedoch nicht nur mit dem schwarzgalligen Temperament gleichgesetzt. Es war ein Zustand, der jeden befallen konnte, abhängig von der wechselnden Menge an schwarzer Galle, die im Winter zunahm, bei Nacht, im Prozess des Alterns und anderen Lebensabschnitten, mit denen das Element Erde und der Einfluss des Saturn assoziiert wurde.
So war die Melancholie auch nicht nur körperliche Erkrankung, sondern auch eine geistige Störung, resultierend aus der Disharmonie zwischen Körper und Seele in Verbindung mit Schwäche und dem Mangel an Lebensenergien. In diesem Sinne kann sie als eine universelle Erfahrung der Menschheit betrachtet werden, die unabhängig von Kultur oder Einstellung dieselben Aspekte beinhaltet. Robert Burton, der Autor des berühmten Kompendiums der Melancholie aus dem siebzehnten Jahrhundert, beobachtete, dass es immer einen inhärenten Zustand der Sterblichkeit gab. Burton glaubte auch, dass die Melancholie nicht nur eine Serie von Anfällen, sondern eine fixe Gewohnheit war, ein immanenter Zustand, der die ganze Welt und alle menschlichen Institutionen betreffen konnte, Königreiche, Zivilisationen und Familien, als eine grundlegende Eigenschaft der menschlichen Existenz.
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