Teil 1: Das verbotene Buch
Teil 2: Im Auge des Sturms
Melissa C. Feurer
Im Auge des Sturms
Roman
Für Mama – die geduldige Lektorin und Leserin
meiner allerersten Schreibversuche
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.deabrufbar.
ISBN 978-3-96140-091-1
© 2018 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers
Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers
Titelfoto: fotolia artyway; fotolia Martin Capek; fotolia Oleksandr Moroz
Satz: Brendow Web & Print, Moers
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018
www.brendow-verlag.de
Cover
Titel Melissa C. Feurer Im Auge des Sturms Roman
Impressum Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar. ISBN 978-3-96140-091-1 © 2018 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers Titelfoto: fotolia artyway; fotolia Martin Capek; fotolia Oleksandr Moroz Satz: Brendow Web & Print, Moers E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018 www.brendow-verlag.de
Kapitel 1: Schlaflose Nächte
Kapitel 2: In der Falle
Kapitel 3: Die Flucht
Kapitel 4: Angst
Kapitel 5: Unter der Oberfläche
Kapitel 6: In Flammen
Kapitel 7: Vacabunite
Kapitel 8: Im Untergrund
Kapitel 9: Das Medium
Kapitel 10: Überwachung
Kapitel 11: Simons neue Aufgabe
Kapitel 12: Das Versprechen
Kapitel 13: Mit Gottes Hilfe
Kapitel 14: Der Rat der Rebellen
Kapitel 15: Untergetaucht
Kapitel 16: Ein verzweifelter Plan
Kapitel 17: Der Kronprinz
Kapitel 18: Zukunftspläne
Kapitel 19: Technische Fortschritte
Kapitel 20: Auf dem Gründerball
Kapitel 21: In die Tiefe
Kapitel 22: Heldenhaft
Kapitel 23: Landesflucht
Weitere Informationen
Kapitel 1
Schlaflose Nächte
Mira schlug das Herz bis zum Hals, als sie die gläserne Tür aufstieß und in die Kühle des Ladens trat. An den Wänden stapelten sich Konserven, vor ihr erstreckte sich eine ganze Insel mit welk aussehendem Gemüse. Es war schwer zu sagen, wie weit der Raum nach hinten reichte. Vom grellen Sonnenlicht draußen war Mira geblendet. Ihre Augen hatten sich noch nicht an das orangestichige Flackern aus den Röhren an der Decke des Ladens gewöhnt. Doch wenn sie an das kleine Geschäft in Leonardsburg dachte, in dem sie und ihre Familie für gewöhnlich die wertvollen Rationskarten gegen Lebensmittel eingetauscht hatten, dann wurde ihr von der Größe dieses fremden Ladens regelrecht schwindlig.
Cem, benannt nach ihrem allerersten Präsidenten − lange vor Beginn der Monarchie − gehörte zu den größten Städten des Landes. Mira hatte im Staatsgeografieunterricht alles über Einwohnerzahlen, Bevölkerungsdichte und Infrastruktur gelernt, aber die Stadt mit eigenen Augen zu sehen war etwas ganz anderes. Sie war nur wenige Kilometer von Leonardsburg entfernt, und doch war Mira nie hier gewesen. Im Vergleich zu Cem erschien ihr Heimatort ihr plötzlich wie ein Dorf. Felder und Armenviertel waren um ein Vielfaches größer als die beschaubare Innenstadt von Leonardsburg, in deren Sicherheit Mira aufgewachsen war – ehe sie eine verbotene Schrift gestohlen, ein Fischerkind und damit Teil einer illegalen Kleinstgruppe geworden und durch den Verrat ihrer besten Freundin zur Flucht gezwungen worden war.
Ein hysterisches Lachen bahnte sich den Weg durch Miras Kehle hinauf. Nur mit Mühe konnte sie es hinunterschlucken. So betrachtet sollte der Kauf von ein wenig Wasser, Brot und Verbandsmaterial keine große Sache für sie sein. Das Problem war das kleine Plastikbändchen an ihrem Arm. Ihr Ausweis, den sie an der Kasse würde scannen müssen. Ihr Ausweis, der möglicherweise einen Alarm auslösen würde, weil sie eine flüchtige Siebzehnjährige war, die in Verdacht stand, mit einer konspirativen Kleinstgruppe unter einer Decke zu stecken. Gleich nachdem ihre Eltern sie als vermisst gemeldet hatten, musste diese Information binnen Sekunden landesweit über die staatlichen Computer verbreitet worden sein. Das Einlesen ihrer neunstelligen ID würde sie verraten, und sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit ihr dann blieb, um − egal ob mit oder ohne die bezahlten Güter − zu fliehen. Vielleicht gar keine.
Um ihren zum Zerreißen angespannten Nerven eine Chance zu geben, sich zu beruhigen, trat sie an ein Regal und gab vor, dessen Inhalt mit Interesse zu studieren. Sie hoffte, dass sie wie eine ganz normale spätnachmittägliche Kundin aussah, die nach Dienst- oder Schulschluss den Wocheneinkauf für die Familie erledigte.
Und wenn sie sich weigerte, ihr ID-Band zu scannen? Oder wenn sie nur so tat, als ob? Natürlich entsprangen diese Überlegungen nur ihrer Angst. Mira wusste genau, dass sie mit einem solch billigen Trick nicht davonkäme. Es war unvermeidlich, das Armband zu scannen, und eigentlich − so viel stand fest − sollte sie deshalb schlichtweg nicht hier sein. Es wäre besser, sich von Regenwasser und Feldfrüchten zu ernähren, ja, wahrscheinlich sogar besser, zu verhungern, als aufgegriffen zu werden.
Seit Tagen diskutierte sie mit Chas über diesen Punkt. Er war völlig aus dem Häuschen gewesen − sofern man bei einem so beherrschten Menschen von solch einer starken Gefühlsregung überhaupt sprechen konnte −, dass Mira noch das Armband trug, das sie als legale, existierende und vor allem handelsfähige Bürgerin auswies.
„Das wird uns nur nichts bringen“, hatte Mira geseufzt, als er sie darauf hingewiesen hatte. „Es ist nämlich auch eine tickende Zeitbombe. Besser, ich werde es gleich los.“ Augenblicklich hatte sie Anstalten gemacht, sich das Plastikband vom Handgelenk zu reißen, doch Chas hatte entsetzt ihren Arm ergriffen.
„Wir werden es noch brauchen“, hatte er heftig widersprochen. „Du kannst Lebensmittel damit kaufen. Und Wasser. Vielleicht rettet es uns das Leben.“
„Vielleicht liefert es mich aber auch ans Messer.“ Mira hatte ihm ihren Arm entzogen. „Meine Eltern hatten genug Zeit, mich als vermisst zu melden. Da werde ich mit diesem Ding gerade noch in einen Laden spazieren und es unter einen dieser Scanner halten.“
Chas hatte dazu reichlich wenig gesagt, aber Mira hatte das Bändchen dennoch nicht weggeworfen. Nicht weil sie vorgehabt hatte, es jemals wieder zu benutzen − sie war ja nicht lebensmüde −, sondern um Chas nicht unnötig aufzuregen. Die Brandwunde, die er sich bei ihrer Flucht zugezogen hatte, setzte ihm schon genug zu.
Diese Verletzung war der Grund, warum Mira nach langem Hin und Her in einem Lebensmittelgeschäft in Cem stand und Konserven studierte. Zu hungern, am Morgen nicht zu wissen, was sie im Verlauf des Tages essen sollten − damit konnte sie für eine Weile leben. Aber Chas war verletzt. Ein solches Landstreicherleben war nichts für jemanden mit einer entzündeten, kräftezehrenden Wunde.
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