Ich liebte die weiten Wälder in den Hügeln des Neckartals. Stundenlang lief ich bergauf, bergab. Dort fühlte ich mich frei und Gott nahe.
Einer meiner ersten Freunde in Heidelberg war Christian, ein Student aus Togo. Er war sicherlich der erste, der mich in Verbindung mit dem afrikanischen Christentum brachte, mit dem ich aber auch tiefe philosophische Gespräche führte. Einmal waren wir fein essen, nahmen aber beim Blick auf die Preise das bescheidenste Gericht.
Wie mussten wir lachen, wir armen Studenten beim Anblick von drei hausgemachten Ravioli. Unsere Wege sollten sich immer wieder kreuzen, auch später in Hamburg. Suchte ich zuerst noch Anschluss an einen Hauskreis im Stil meiner frommen Herkunft, so war mir das bald zu eng. In der Studierendengemeinde im Karl-Jaspers-Haus fand ich den freien Geist, den ich brauchte. Die ersten Semester habe ich jeden Morgen gebetet, dass mir die Vorlesungen und Seminare nicht den Glauben rauben mögen. Es hat einige Semester gebraucht, bis ich diese Angst überwunden hatte.
Meine Wohnsituation verbesserte sich, als ich in die Pfaffengasse 4 einzog. Ein kleines Zimmer in einem alten schiefen Haus mit knarzenden Dielen. Aber mitten in der Altstadt am Neckar gelegen. Hier war das Paradies meines Studentenlebens. Das Theologische Seminar befand sich nur ein paar Straßenzüge entfernt, und schon beim Brötchenholen traf ich andere Geisteswissenschaftler und hatte schon die ersten Diskussionen.
Ich war so gierig nach Bildung. Warum habe ich eigentlich Theologie studiert? Um den Dingen auf den Grund zu gehen. Es stand alles auf dem Spiel. Entweder finde ich ein Gottvertrauen, das mich trägt, oder ich werde Atheist. Meine Frömmigkeit war ja erschüttert. In diese Enge des Glaubens gab es kein Zurück. Fast peinlich war mir, mit wie viel Naivität im Bibellesen ich aufgewachsen war, erst langsam ging mir auf, wie eng und ängstlich mein Weltbild war. Ich habe nicht vielen davon erzählt und auch jetzt fällt es mir noch schwer, davon zu schreiben. Gleichzeitig weiß ich, dass es heute noch viele gibt, die in dieser engen Frömmigkeit leben. Ich will sie nicht verachten und nicht beleidigen. Aber ich danke Gott, dass er mich von frommer Überheblichkeit bekehrt hat und von Angst befreit. Aber das war kein einfacher Weg.
Einmal kam ich einen Samstagabend wieder mit in die Gebetsstunde meiner alten Heimat. Da saßen wir 20 Leute im Kreis und beteten reihum. Wer mit Amen endete, dessen Gebet wurde von den anderen mit einem kräftigen Amen bestätigt. Als ich dran war und Worte suchte und auch fand – aber es waren andere Worte, als sie in der Gebetssprache der Gemeinde üblich waren – da endete ich mit Amen. Und nur mein Bruder bestätigte mit Amen, er war der einzige. Die anderen schwiegen. Da gab es kein Amen mehr. Sie ließen mich spüren, dass ich nicht richtig lag. Ich gehörte nicht mehr dazu. Das war ein eiskalter Ausschluss aus der Gemeinde, mit dem ich lange zu kämpfen hatte.
Später hatte ich noch einmal versucht, mit meinem Pastor zu sprechen. Ich brauchte ein Empfehlungsschreiben für die Liste der Theologiestudierenden meiner Landeskirche. Schließlich hatte ich meine ganze Jugend über ehrenamtlich im Kindergottesdienst, in der Jungschar und bei den sommerlichen Zeltmissionen auf den Campingplätzen mitgearbeitet. Mein Pastor redet freundlich im Gespräch, fängt an, in eigenen Erinnerungen aus seiner Studienzeit zu schwelgen, so als wäre er mir und meiner Erfahrungswelt ganz nahe. Am Tag darauf halte ich das Empfehlungsschreiben in meinen Händen. Es ist in einem neutralen Umschlag. Ich soll ihn weiterleiten an das Landeskirchenamt. Nun bin ich einfach zu gespannt und öffne das Dokument, um zu lesen, welche empfehlenden Worte der Mann findet, der meine geistliche Autorität in der Kindheit war. Die Zeilen enttäuschen mich. Ich kann es gar nicht fassen. Das ist keine Empfehlung. Das ist eine Absage. Da steht „für den Gemeindedienst nicht geeignet“. Allenfalls eine wissenschaftliche Laufbahn traut mir der Seelsorger zu, der mich und meine Familie so gut kennt. Das trifft mich hart.
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