Eine Anekdote für den Leser
Anstatt umständlicher Einführungen zur osteopathischen Philosophie von Frau Dr. Frymann, möchte ich Ihnen stellvertretend meine erste Begegnung mit ihr berichten. Sie behandelte gerade ein 9 Monate altes Baby vor einem Auditorium während eines Kurses an der DAAO in Isny. Ich kam kurz vor Ende des Behandlungstages, da sie mir wenige Wochen zuvor ohne eine einzige Gegenfrage die Übersetzungsrechte für das vorliegende Buch zugesichert hatte und ich mich dafür zumindest persönlich bedanken wollte. Sie hatte die kraniale Behandlung beendet, blickte entspannt in die Runde und fragte „Irgendwelche Fragen?“ Keine zwei Sekunden später hörte ich „Was haben Sie da gemacht?“ Frau Dr. Frymann blickte dem Fragenden freundlich in die Augen und sagte ganz unspektakulär: „Ich? Ich habe gar nichts gemacht, ich lasse es zu, dass die Dinge durch mich hindurch gemacht werden.“ Es folgte ratloses Schweigen und ich fühlte mich seltsam berührt. Gehört hatte ich das ja schon oft in anderer Form, aber hier saß diese alte Dame und lebte es klar und einfach vor. Mein eh’ schon schwankendes medizinisches Weltbild kippte aufgrund der tieferen Bedeutung dessen, was da eben gesagt und v. a. gezeigt wurde. Warum?
„Ärzte und Osteopathen müssen sich ins
Bewusstsein rufen, dass sie keine Heiler sind.“
(Viola Frymann)
Nachdem der Kurs beendet war und die meisten Teilnehmer gegangen waren, erzählte ihr der Behandler und die Mutter des Babys, was für Probleme das Kind gehabt hatte und wie viel besser es jetzt schon durch die Osteopathie geht. Frau Dr. Frymann hörte geduldig zu, während Sie liebevoll das Kind im Tragekorb betrachtete. Nach etwa fünf Minuten blickte sie dem Behandler und der Mutter abwechselnd in die Augen und sagte sanft: „Sprechen Sie niemals in Gegenwart eines Kindes über seine Probleme!“ Es war ihre sanfte, aber dennoch bestimmte Art und die Botschaft ihrer Aussage, die mich erneut zutiefst bewegte.
Meine Empfehlung: Lesen Sie das Buch mit offenem Geist und lassen Sie sich insbesondere von den Stellungnahmen berühren, die Sie normalerweise ablehnen oder sogar lächerlich finden mögen. Insbesondere die Abhandlungen über Spiritualität und ihre Bedeutung für die Behandlung sind beachtlich und erschließen Ihnen jene Potency der Osteopathie, die Sie möglicherweise schon lange in sich spüren, aber bisher noch nicht erreichen konnten.
Danksagung
Kurz nachdem Monika Reiter die Supervision des Projektes übernommen hatte, erlitt Sie einen sehr schweren Reitunfall. Für mich völlig unerwartet, bestand Sie aber noch im Krankenhaus darauf, weiterhin die Aufgabe wie versprochen zu erfüllen. Die Leistung, deren Zeuge ich in den Folgemonaten sein durfte, kann wohl nur ermessen, wer die Umstände miterlebt hat, unter denen sie übersetzt bzw. die angelieferten Rohübersetzungen von Christina Hesser, Katja Hinz, Yvonne Kertsch und Ariane Merzt nachgebessert hat. Danke, Monika. Das ist Dein Buch!
Ein besonderer Dank geht auch wieder einmal an Dr. Martin Pöttner, der einen Teil der Übersetzung und das unter den gegebenen Umständen keineswegs einfache Lektorat wie immer engagiert und zuverlässig erledigt hat. Als Produktionsleiterin hat Frau Sarah Spitzer sich inzwischen an meine oftmals lediglich improvisierten und keineswegs verlagsüblichen Eingebungen gewöhnt und hier gilt mein Dank ihrer stoischen Ruhe und Geduld. Zum Schluss möchte ich noch Frau Sandra Bator und Frau Anette Page danken, die mit dem Buchsatz bzw. Coverdesign für das schöne Erscheinungsbild dieses Buchs verantwortlich sind.
Viel Vergnügen beim Lesen!
Christian Hartmann
Pähl, 23. Februar 2007
VORWORT DES AMERIKANISCHEN HERAUSGEBERS
Dieses von der AAO in Auftrag gegebene Buch, repräsentiert einen Teil der Arbeit, die Viola Frymann, DO, FAAO, FCA, in ihrem Dienst an der Menschheit geleistet hat. In ihrem unmittelbaren Kontakt mit Patienten, Eltern, Schülern und Kollegen war Dr. Frymann auf eine tiefgreifende und aufschlussreiche Weise wegweisend, ermutigend, inspirierend und herausfordernd tätig. Die entsprechenden Auswirkungen können in den vorliegenden Schriften nur erahnt werden. Sie gehören zu den Resultaten einer wahrlich bemerkenswerten beruflichen Laufbahn in der Osteopathie, die sich nun schon über fünfzig Jahre erstreckt und noch immer andauert. In ihnen wird ihr Leben als Wissenschaftlerin, Lehrerin, ärztliche Heilungsunterstützerin, Philosophin, Mutter und Bewahrerin der Profession offenbart. Hier wird eine breite, aber doch reine Perspektive der Osteopathie dargestellt.
Dr. Frymann betrieb bedeutende klinische Forschungen, die in den Beiträgen des ersten Abschnitts vorgestellt werden. In praktisch jedem Buch, das seit den 1960ern über die Kraniale Osteopathie veröffentlicht wurde, werden diese Forschungen zitiert. Je mehr man die Arbeit von Dr. Frymann aus historischer Perspektive betrachtet, desto klarer wird auch, dass diese Forschungsarbeiten möglicherweise zu ihren Wichtigsten zählen. Das liegt an ihrer Bedeutung für das Publikum, klinisch arbeitende Osteopathen, die eine Bestätigung des Kranialen Konzepts brauchten. Bis zum Ende des 20ten Jahrhunderts waren die meisten Elemente des Kranialen Konzepts von Dr. Frymann selbst – und durch ihre Ermutigung anderer – wissenschaftlich bewiesen worden.
Jene unter uns, die das Privileg hatten, mit Dr. Frymann zusammen gearbeitet und unterrichtet zu haben, sind sich bewusst, dass die Arbeiten über die Anwendung der osteopathischen Prinzipien im klinischen Alltag und die Kraniale Osteopathie keine komplette Zusammenstellung ihrer Lehren darstellen. Viele der vorliegenden Beiträge wurden noch nie zuvor veröffentlicht. Wir hätten uns mehr Schriften dieser Art, z. B. über einige ihrer Lieblingsthemen, wie „Atmung“ und die „Anatomie des Schädels“ von Dr. Frymann gewünscht. Dieses Buch enthält alles, was bis heute geschrieben wurde, und das Material ist eine hervorragende Ergänzung für jeden Osteopathiekurs.
Die große Leidenschaft im Leben von Dr. Frymann liegt in ihrer Arbeit mit Kindern und wurde zum Teil durch den Verlust ihres ersten Kindes und die spätere Erkenntnis, dass die Osteopathie und insbesondere die Kraniale Osteopathie diesen Verlust vielleicht hätte verhindern können, ausgelöst. Die Arbeit mit allen Kindern, aber insbesondere mit Kindern, die eine besondere Förderung benötigen, wie jene mit „Kinderlähmung“ und „Lernschwierigkeiten“, sind das Steckenpferd ihrer Arbeit im Osteopathic Center for Children in San Diego, USA. Die Beiträge „Das Erbe der Osteopathie für Kinder“ (und für Familien und Eltern) wurden eigentlich für ein Laienpublikum geschrieben, enthalten aber auch viele Informationen für den Experten, wie der Stoff wirkungsvoll und effektiv präsentiert werden kann. Man kann davon ausgehen, dass dieses Buch dazu dient, Eltern und Familien die Arbeit des Osteopathic Center for Children und von Dr. Frymann näher zu bringen.
Im Laufe ihres beruflichen Werdegangs erhielt Dr. Frymann zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen für ihren Verdienst um den Berufstand und ihre Patienten. Sie ist aktives Mitglied sowohl in der American Academy of Osteopathy als auch der Cranial Academy und war zeitweilig Präsidentin dieser Organisationen. Die Vorträge, zu denen man Sie einlud, waren ebenso eine Ehrung dieser Organisationen und dienten als Gelegenheit, wichtige Themen in Bezug auf den osteopathischen Beruf anzusprechen. Ihre Ausarbeitungen „Gesetz von Verstand, Materie, Bewegung“ und „Bewegung – der Unterschied zwischen Leben und Tod“ zu A. T. Still sind in der Tat würdige, auf die heutige Zeit angepasste Weiterführungen der Gedanken des Gründers unserer Profession.
Читать дальше