Könnten wir den Gedanken annehmen oder ihn als Hypothese nicht ablehnen, dass die Schöpfung eine Einheit ist, dass alles Geschaffene miteinander verbunden ist und alles einen gemeinsamen Ursprung und eine Zukunft hat, dann kann man lernen, in Harmonie mit dem Göttlichen zu leben und zu arbeiten und nach dem göttlichen Plan stark und weise werden. Wenn wir allem Geschaffenen Ehrerbietung erweisen und die Mitmenschen und alles Leben mit Liebe und Respekt behandeln und uns ihrer Fähigkeit, - uns entweder zu verletzen oder uns zu unterstützen, - bewusst sind, besteht keine Notwendigkeit mehr, in Angst oder Spannung zu leben. Wir können der Welt ohne Drogen oder Gewalt ins Auge sehen, und unseren Mitmenschen ohne Feindschaft oder offene Verteidigungspraktiken entgegentreten. Wenn, wie Babaji empfiehlt, wir mehr Interesse daran entwickeln, anderen zu dienen anstatt uns zu bereichern, können wir eine Losgelöstheit erreichen, die unser Leid und unseren Kummer im Leben auflösen. Erkennen wir, dass wir nicht ein Herrenhaus oder drei Autos in der Garage benötigen, werden wir von dem Zwang, diese Ziele zu erreichen, und von der auf uns gerichteten Eifersucht befreit, die uns entgegengebracht wird. Wir würden einen inneren Frieden, eine ständige Freude erfahren und auch eine Befreiung unserer versteckten kreativen Fähigkeiten.
Wie leben wir denn? Wir essen "Schund", von dem wir wissen, dass er uns nicht bekommt. Wir kaufen unbrauchbare, unnötige Dinge, lagern sie unbenutzt für Monate und Jahre in unseren Häusern und machen aus ihnen und unserer Mutter Erde Abfall. Keiner ist davon ausgenommen. Indem wir achtsamer sind und sorgfältiger handeln, können wir unserer Mutter Erde ein wenig die schwere Last erleichtern, Geld sparen, einfacher und leichter leben und die Erde von Milliarden Tonnen von unverwertbarem Müll befreien.
Einfach und bedacht zu leben heißt nicht, stumpf oder verarmt zu sein. Im Gegenteil, in einem einfachen Leben hat man mehr Zeit für Vergnügungen und individuelle Kreativität. Es gab eine Zeit, in der die Stadtbewohner große Verehrung hegten für die Bauern, die unsere Nahrung herstellten und naturnah lebten, und in der sie Ehrfurcht vor der Natur hatten. Nun haben wir die Bauern gelehrt, ja sogar gezwungen, die größten Verbraucher von Chemikalien und Verschmutzer von Land und Wasser zu werden und unsere Erde als ein Objekt zu betrachten, das man nach seinem Willen ausbeuten und unterwerfen kann. Das einfache Leben in Harmonie und Einheit mit dem Göttlichen und seiner gesamten Schöpfung beinhaltet eine Ausgewogenheit und einen Sinn, die in unserer modernen täglichen Jagd nach Vergnügen und Bereicherung fehlen. Niemals hat es Menschen davon abgehalten, ein bequemes Leben zu führen oder gar Reichtümer und Macht zu erwerben. Ein Leben in Harmonie und Einheit mit dem Göttlichen geführt, bringt alles mit sich, was nötig ist, um die gesteckten Ziele im Leben zu erreichen.
Obgleich Babaji in einem sogenannten "Hindu" Ashram und Hindu Umfeld lebte, bestand er auf keinem bestimmten Glauben oder Religiosität. Er war überkonfessionell und riet allen, "der Religion ihres Herzens" zu folgen. Jede Religion ist gleich gut und führt zum selben göttlichen Ziel. Wieder und wieder sagte er, dass "Menschlichkeit" die einzige Religion sei. Er machte keinen Versuch, die Religion Indiens in den Rest der Welt zu exportieren, sondern er trat für eine Lebensart ein, die die menschlichen Lebensgewohnheiten und -bedingungen verbessert und erhöht und es der ganzen Schöpfung erlaubt, in beständiger Harmonie und Einheit mit dem Göttlichen zu leben, aus dem alle Lebensformen, alle Energie entspringen.
Im Haidakhan Ashram zeigte Babaji, wie dieses Leben aussehen kann. Er sagte: "Die neue Welt beginnt hier!" und hier liegt meines Erachtens die Hauptbedeutung von Haidakhan. Er ließ alle, die ihn aufsuchten, wissen: "Lerne die Regeln und folge der Disziplin, während du hier weilst. Dann, wenn du heimgehst, lehre die anderen in der gleichen Disziplin zu leben." Disziplin bedeutete, zu lernen, in Harmonie mit anderen Wesen und der ganzen Natur zu leben, wachsam und aufmerksam diese Lehren,- die Herausforderungen und Möglichkeiten des täglichen Lebens,- zu verwirklichen und anderen zu dienen als Ausdruck der Hingabe und Verehrung des Göttlichen - als höchstem Gottesdienst. Als wir in seiner Gegenwart lernten, ihn immer mehr und tiefer zu lieben, führte uns Babaji zu dem Wissen, dass, wenn man Gott zugetan ist, man alles Geschaffene liebt. Aus diesem Gefühl heraus behandelt man alle Menschen, die Erde, die wilden Tiere, die Vögel, die Blumen, das Wasser - alles - mit der gleichen Liebe und Ehrerbietung wie das Göttliche.
Diese Einstellung zu erlangen ist ein vernünftiges Ziel, das innerlich und äußerlich Glück bringt. Dieses Ziel, diese Lebensart kann im Weltlichen erreicht werden, aber es ist eine große Hilfe, an das Göttliche zu glauben. Es ist schwer diesen Lebensstil in der profanen Welt, die gewinnorientiert ist und nach neuen Vergnügungen und Spannungen strebt, auszuüben. Hilfreich sind Besuche in Ashrams, Klöstern und ähnlichen Einrichtungen, um sich "zurückzuziehen". Dort kann eine andere Lebenseinstellung gewonnen, können Erfahrungen gesammelt werden, die auf neuen Erkenntnissen und Mustern beruhen und sich im wachsenden Maße vom hektischen Leben und seinen Versuchungen befreien. Mann kann eine beträchtliche Verringerung von Furcht und Misstrauen erringen und sogar Eifer nach Lernerfahrungen und erweiterten Gelegenheiten im Leben entwickeln. Einher mit diesem gehen eine wachsende Ausgeglichenheit und Stabilität, die einem aufrecht und stark alle Stürme des Lebens ertragen lassen. Diese Lebensart beseitigt alle Abhängigkeit im Streben nach Glück oder Erfolg und erlaubt Liebesbeweise ohne Bindung oder Fesseln.
In der alten Kultur Indiens unterteilte und unterteilt man weise das Leben eines Menschen in verschiedene Lebensabschnitte. Die ersten zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre wurden im Zölibat verbracht (Brahmachari) hier wuchs man auf und erlernte die Handfertigkeiten für den späteren Lebensunterhalt innerhalb der Familie und der Kultur der Kommune. In uralter Zeit wurden die Kinder oft zu gelehrten Meistern und Weisen geschickt, mit denen sie viele Jahre lebten und lernten. Sie wurden von ihnen auf allen Gebieten der Erziehung innerhalb eines spirituellen und religiösen Familienverbandes - in Ashrams - unterrichtet.
Das nächste Stadium im Leben war das Verheiratetsein - oder das des Kriegers, Herrschenden oder Priesters. Dies war die Zeit für Heirat, das Aufziehen von Nachkommen, der Vergnügungen, der Eifer für das Entdecken und die Freude an Fähigkeiten, Künsten und anderen in der Jugend erlernten grundsätzlichen Prinzipien. Durch den Kontakt zu anderen Menschen und Kulturen, durch eifrige Tätigkeit und durch das Lehren ihrer Kinder durch Wort und Tat vertieften die verheirateten Menschen ihr Lebensexperiment und das des Göttlichen.
Wenn dann die Kinder vermählt wurden und ihr eigenes Geschäft eröffneten oder ihren Beruf ergriffen, waren die Eltern bereit, in den dritten Lebensabschnitt hineinzuwachsen, in dem sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Göttliche richteten und sich von ihren Familien, dem Geschäft, Reichtum oder Ruhm lösten. Oft bedeutete dies ein Leben in einem Ashram oder einer anderen spirituellen Gemeinschaft, wo sie sich auf geistige Dinge und Dienst am Nächsten konzentrieren konnten.
Es gab einen vierten Lebensabschnitt für diejenigen, die den geistigen Mut, Kraft und Einsicht dafür aufbrachten. Diese Menschen gaben sogar die Bindung und den Unterhalt der Gemeinschaft auf, in die sie sich zurückgezogen hatten. Sie gingen als Wanderer hinaus in die Welt, um mit anderen das Wissen und die Erfahrung, die sie in ihrem Leben erlangt hatten, zu teilen, und lebten von der Barmherzigkeit derer, mit denen sie ihr Wissen, ihre Arbeit und Liebe teilten.
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