Beachten Sie, wie die Therapeutin das Thema in zwei Aspekte aufteilt, die genau dem Punkt der Entscheidung entsprechen: (1) Verstrickung in Gedanken und Gefühle (Verschmelzung mit ihnen und ihre Vermeidung) und (2) unzweckmäßiges Handeln. Wenn es gewünscht wird, kann der Therapeut dies während seiner oben wiedergegebenen Ausführungen anhand eines Punktes der Entscheidung veranschaulichen. Das würde etwa so aussehen:
Halten Sie fest, dass wir von Anfang an auf subtile Weise die Grundlage für zwei entscheidende Einsichten herstellen können:
1. Das Hauptproblem sind nicht unsere Gedanken und Gefühle, sondern die Verstrickung in ihnen (Fusion und Vermeidung).
2. Unser Verhalten wird nicht von unseren Gedanken und Gefühlen kontrolliert.
Die zweite wesentliche Einsicht ist auch für Therapeutinnen oft überraschend, daher möchte ich näher darauf eingehen. Unser Verhalten wird zwar von unseren Gedanken und Gefühlen beeinflusst, aber nicht von ihnen kontrolliert. Wie wir in Kapitel 4 gesehen haben, wird unser Verhalten in jedem Moment von zahlreichen Stimuli sowohl aus unserer Innenwelt als auch aus unserer Umwelt beeinflusst.
Wann haben Gedanken und Gefühle also den größten Einfluss auf unsere Handlungen? Sie haben es erraten: im Kontext von Fusion und Vermeidung. Im Kontext von Defusion und Akzeptanz (also von Achtsamkeit) wirken sich dieselben Gedanken und Gefühle weitaus weniger auf unser Verhalten aus (das heißt, wir lösen uns aus der Verwicklung mit ihnen), was es uns leichter macht, im Einklang mit unseren Werten zu handeln.
Je größer also unsere psychische Flexibilität ist, desto mehr sind wir in der Lage, zu wählen, wie wir – unabhängig von unseren Gedanken und Gefühlen – uns verhalten wollen. Vor diesem Hintergrund unterscheiden wir immer wieder zwischen (a) den Gedanken und Gefühlen eines Klienten (den Antezedenzien) und (b) dem, was der Klient tut, wenn sich diese Gedanken und Gefühle zeigen (Verhalten). Letztlich wollen wir die Illusion zerstören, dass Ersteres Letzteres kontrolliert.
Betrachten wir jetzt ein weiteres Beispiel einer guten Zielsetzung für Verhalten.
Verhaltensziele bei einer Sucht
Dieser Klient möchte mit dem Trinken aufhören: einmal, weil seine Frau ihm gedroht hat, ihn zu verlassen, und zweitens, weil eine kürzlich durchgeführte ärztliche Untersuchung einen Leberschaden ergeben hat. Auf die Zauberfrage antwortete er, ein »besserer Ehemann« sein und seine Leber »retten« zu wollen.
Therapeutin: Fassen wir also zusammen: Als Sie in der Vergangenheit versucht haben, mit dem Trinken aufzuhören, ist Ihnen dies nie lange gelungen, weil das Verlangen so stark war oder Sie sich ängstlich fühlten, und wenn Sie im Griff dieser Gefühle sind, fangen Sie an zu trinken. Unsere Ziele hier sind also (a) ein paar neue Fähigkeiten zu erlernen, um mit dem Verlangen und den Gefühlen wirksamer umzugehen, (b) anzufangen, Dinge anders zu sagen und zu tun, um eine bessere Beziehung zu Ihrer Frau aufzubauen, und (c) sich um Ihre Leber zu kümmern und dafür zu sorgen, dass sie möglichst gesund bleibt. Stimmt das so ungefähr?
Wieder könnte der Therapeut, wenn gewünscht, diese Ziele am Punkt der Entscheidung eintragen:
Tipp für die Praxis
Die Diagramme zum Punkt der Entscheidung in diesem Kapitel sind alle »minimalistisch«: nur ein paar Stichworte, um die Hauptthemen hervorzuheben. Wenn Sie möchten, können entweder Sie oder die Klientin viel mehr ins Detail gehen. Sie können auch für jedes Thema, an dem Sie arbeiten, einen besonderen Punkt der Entscheidung entwerfen. Wenn Sie zum Beispiel in einer späteren Sitzung darauf fokussieren, die Beziehung des Klienten mit seiner Frau zu verbessern, könnten Sie allein für diese Beziehungsprobleme einen eigenen Punkt der Entscheidung entwerfen.
Verhaltensziele für alle Indikationen
Manchmal kommt es vor, dass eine Klientin trotz all Ihrer Bemühungen nicht in der Lage oder bereit ist, bestimmte werteorientierte Behandlungsziele zu nennen, sondern auf jede Ihrer Fragen mit »Ich weiß nicht«, »Es ist nichts wichtig«, »Ich will das einfach nur nicht mehr fühlen« oder »Ich möchte mich einfach nur glücklich fühlen« antwortet.
Therapeut: Wie hört sich das an? Ein Teil unserer Arbeit hier wird darin bestehen, ein paar neue Fertigkeiten zu lernen, wie Sie sich aus der Verwicklung mit Ihren Gedanken und Gefühlen lösen können, damit sie Sie nicht zum Narren halten oder daran hindern, das Leben zu leben, das Sie leben wollen. Ein anderer Teil besteht darin – auch wenn Sie in diesem Moment keine Vorstellung davon haben, was Sie wollen, und Sie das Gefühl haben, als wäre nichts wichtig –, dies hier zu einem Ort zu machen, an dem sich das verändern kann. Wir können daran arbeiten herauszufinden, was Ihnen wichtig ist, und damit experimentieren, Dinge anders zu machen, um Ihr Leben zu verbessern.
AUFGABEN
Hier ein paar Möglichkeiten, wie Sie die Fertigkeiten üben können, die wir eben behandelt haben:
• Lesen Sie die Interventionen der Therapeutin in den Transkripten laut und paraphrasieren Sie sie, damit Sie sich an die Sprache der ACT gewöhnen und Ihren eigenen Arbeitsstil finden.
• Wählen Sie zwei Klienten aus und schreiben Sie kurze Antworten auf diese Kernfragen: In welche werteorientierte Richtung möchte sich der Klient bewegen? Was hindert ihn daran?
• Üben Sie Denken im Hinblick auf Verhaltensziele. Wählen Sie zwei Klientinnen und stellen Sie sich vor, wie Sie die Therapieziele zusammenfassend formulieren würden?
• Wenn es Ihnen sinnvoll erscheint, den Punkt der Entscheidung zu verwenden, füllen Sie ein Diagramm für eines der Probleme aus, die Sie in der zweiten und dritten Aufgabe oben ausgewählt haben.
Wenn Sie diese Übungen (und alle anderen in diesem Buch) gemacht haben, erlauben Sie sich bitte, dass Sie sie noch nicht gut machen. Sie lernen ein neues Therapiemodell, also erlauben Sie sich, ein Anfänger, ein Neuling, eine Lernende zu sein. Anfänger machen Fehler (wie auch Expertinnen). Das ist ein essenzieller Teil des Lernprozesses. Und wenn Ihr Verstand anfängt, Sie abzuwerten, merken Sie sich, was er sagt, damit Sie mit diesen Gedanken in Kapitel 12 arbeiten können.
WAS SIE MITNEHMEN KÖNNEN?
Das, was Sie aus diesem Kapitel vor allem mitnehmen können, besteht darin, sobald wie möglich Verhaltensziele zu formulieren, auch wenn es nur die vagen allgemeinen Ziele sind, die bei der informierten Zustimmung formuliert werden. Es ist besonders wichtig, dies zu tun, wenn Klienten sich mit einer Menge emotionaler Ziele vorstellen. Es kann eine Weile brauchen, aber es macht den ganzen Rest Ihrer therapeutischen Arbeit umso leichter.
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