Motivationale und volitionale Stützstrategien unterstützen die Selbstregulation. Während sich die Motivation (
Kap. 1.3.1) vor allen Dingen auf die Auswahl und Einschätzung des Lernziels in der präaktionalen Phase (
Abb. 1.4) sowie die Bewertung des Lernerfolgs in der postaktionalen Phase bezieht, werden während der aktionalen Phase volitionale Strategien wirksam, die bei der Ausführung des Lernens unterstützen. Es geht also darum, den Lernwillen aufrechtzuerhalten und (auch bei auftauchenden Hindernissen oder Ablenkungen) diszipliniert bei der Sache zu bleiben. In diesem Sinne kann Volition als Handlungskontrolle verstanden werden. Durch volitionale Prozesse wird der Lernprozess in allen Phasen kontrolliert, der Einsatz kognitiver und metakognitiver Strategien genauso wie motivationale und emotionale Lagen (Hasselhorn & Gold, 2017). Organisationale Stützstrategien beziehen sich auf die Rahmenbedingungen des Lernens, z. B. die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit Materialien und den Schutz vor Ablenkungen.
Die genannten Strategien haben erheblichen Einfluss auf die effektive Nutzung von Lern- und Selbstregulationsstrategien, wichtig ist aber auch das emotionale Erleben im Lernprozess.
Emotionen besitzen für Lernprozesse und die Informationsverarbeitung insgesamt einen hohen Stellenwert. Sie steuern bereits, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken, beeinflussen die Motivation und spielen beim Speichern und Abrufen von Informationen sowie bei der Bewertung des Lernprozesses eine Rolle.
Während negative Emotionen wie Angst, Scham oder Langeweile mit reduzierter Aufmerksamkeit und Gedächtniskapazität einhergehen, fördern positive aufgabenbezogene Emotionen wie Lernfreude, Stolz oder Neugierde die Aufmerksamkeit und die Motivation, sich mit einer Aufgabe auseinanderzusetzen (Pekrun, 2018) 2 . Gerade für nachhaltiges Lernen sind positive Emotionen wichtig, denn Lernfreude und Begeisterung unterstützen die wirksame Anwendung von Tiefenverarbeitungsstrategien (Elaboration und Organisation;
Kap. 1.3.2) und kritisches Denken (Pekrun, 2018).
Am deutlichsten wird der Einfluss negativer Emotionen auf das Lernen im Zusammenhang mit Angst. So kann eine stark ausgeprägte Prüfungsangst dazu führen, dass in der Prüfungssituation vorhandenes Wissen nicht mehr abgerufen werden kann. Solche Misserfolge können wiederum in höherer Prüfungsangst resultieren, die Gedächtniskapazitäten bindet und das weitere Lernen behindert. Das Erleben von Misserfolgen ist dabei oft mit einem niedrigeren Selbstkonzept verbunden und beeinträchtigt schließlich die Lernmotivation.
Verwirrung dagegen ist eine negative Emotion, die unter Umständen das Lernen fördern kann. Kognitive Konflikte oder überraschende Einstiege in ein Thema können Interesse und Motivation steigern. Im Zusammenhang mit nachhaltigem Lernen wird auch auf Irritationen im Lernprozess, die emotional aufgeladen sind, hingewiesen (Schüßler, 2004). Dabei ist es jedoch wichtig, dass die Irritation sich auf den Lerngegenstand bezieht und nicht auf die Lernsituation oder die eigene Person. Letzteres führt dazu, dass zwar die (unangenehm empfundene) Situation, nicht aber der Lernstoff erinnert wird. Bei Irritationen in Bezug auf den Lerngegenstand hingegen entsteht zunächst der Wunsch, diese aufzulösen, was zu höherer Anstrengung und Persistenz führen kann. Dies wirkt nur dann nachhaltig, wenn die Irritation im Laufe des Lernprozesses reduziert wird, damit sich nicht etwa negative deaktivierende Emotionen, wie Hoffnungslosigkeit oder Langeweile, einstellen (Pekrun, 2018). Insgesamt ist ein positives akademisches Selbstkonzept eine Bedingung dafür, auch Emotionen wie Verwirrung und Scham positiv nutzen zu können. Daher kommt der Förderung von Selbstwirksamkeit und Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten ein hoher Stellenwert zu.
In diesem Zusammenhang sei auf die Bedeutung eines positiven Fehlerklimas im Unterricht verwiesen. Die aktive Auseinandersetzung mit Fehlern führt nicht nur zum Aufbau negativen Wissens (»wissen, was eine Sache nicht ist«; Oser & Spychiger, 2005, S. 11), sondern unterstützt auch die Wissenskonstruktion und das entdeckende Lernen (Pekrun, 2018). Gleichzeitig kann durch die Auseinandersetzung mit eigenen Fehlern wichtiges metakognitives Wissen aufgebaut werden (Chott, 2006;
Kap. 1.3.2). Emotionen spielen für die Wirksamkeit des Lernens aus Fehlern eine wichtige Rolle.
Die Auseinandersetzung mit Fehlern in einem positiven Lernklima verlangt eine klare Trennung von Lernprozess und Bewertung (Chott, 2006). Während Fehler im Lernprozess als Lernchancen zu sehen sind, werden sie in der Klassenarbeit negativ bewertet. Um das Lernpotenzial von Fehlern im Unterricht zu nutzen, ist es notwendig, dass Lern- und Leistungssituation nicht vermischt werden. Auch ein positives Beziehungsklima in der Klasse ist eine Voraussetzung für das Lernen aus Fehlern.
Emotionen und das Fehlerklima
Fehler sind mit Emotionen verbunden. Dies gilt sowohl für Lernende als auch für Lehrende. Letztere sind häufig bestrebt, den Unterrichtsstoff möglichst schnell und reibungslos abzuhandeln, was dazu führen kann, dass Fehler im Unterrichtsgespräch übergangen werden oder Anlass für Bloßstellungen im Unterrichtsgeschehen sind und schwächere Lernende gar nicht erst einbezogen werden (
Kap. 5.2). Für Lernende sind Fehler häufig mit Angst und Scham besetzt, wodurch die Fehlervermeidung beim Lernen im Vordergrund steht und dieses schließlich behindert (Chott, 2006).
In Bezug auf die Scham unterscheiden Oser und Spychiger (2005, S. 74 f.) in diesem Zusammenhang zwischen produktiven versus destruktiven »Beschämern«. Produktiv ist Scham über einen Fehler, die sich bei der Person selbst einstellt und dazu führt, dass sie durch Erinnerung an diese negative Emotion den Fehler in ähnlichen Lernsituationen nicht noch einmal machen wird. Destruktiv hingegen ist Scham, die durch einen unangemessenen Umgang mit Fehlern seitens anderer Personen hervorgerufen wird. So führen z. B. Zorn oder Zynismus einer Lehrperson und das Bloßstellen von Lernenden zu einer emotionalen Lage, die die Informationsverarbeitung erschwert bzw. verhindert und Vermeidungsverhalten in Bezug auf ähnliche (Lern-)Situationen auslöst (
Kap. 5.3.3).
Da Emotionen im Lernprozess stark mit erlebten Erfolgen bzw. Misserfolgen zusammenhängen, empfiehlt es sich für positive Lernerlebnisse und die Förderung von Lernfreude und Motivation für lebenslanges Lernen, allen Schülerinnen und Schülern Erfolgserlebnisse zu ermöglichen (Pekrun, 2018). Dies kann z. B. durch einen Fokus auf die Erweiterung der eigenen Kompetenzen im Unterricht (Lernzielorientierung;
Kap. 1.3.1) anstelle einer Wettbewerbsorientierung mit starkem Fokus auf sozialen Bezugsnormen (Leistungszielorientierung) erfolgen.
1.3.4 Schulisches Wohlbefinden
Es sollte klargeworden sein: Nachhaltiges Lernen erfordert eine Atmosphäre, in der sich die Beteiligten wohlfühlen. Schulisches Wohlbefinden kann als eine »grundsätzlich positive Haltung gegenüber der Schule und den mit ihr verbundenen Themen und Tätigkeiten« (Hascher, 2004, S. 16) verstanden werden und beinhaltet sowohl kognitive als auch emotionale Anteile. Drei Funktionen des schulischen Wohlbefindens begründen, dass es nicht nur Lernvoraussetzung, sondern auch ein eigenständiges Ziel von Schule ist (Hascher & Hagenauer, 2011;
Beispiel 1.1):
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