Vor allem im angelsächsischen Raum hat sich die Stechpalmenverehrung bis heute erhalten, man schmückt immer noch gerne Weihnachten das Haus mit „Holly“-Zweigen( Abbildung 12). Sie werden zur Zierde der Haustür und Zimmer sowie zum Schmuck von Speisen (Pudding/Fleischwaren) verwendet, wobei man sie aber nicht mitessen darf. Stechpalmenzweige sind dabei eng mit der Weihnachtszeit verbunden. Diese Tradition wird inzwischen in den USA noch ausufernder gepflegt als im britischen Mutterland: In riesigen „Holly-Farmen“ angepflanzt werden die Ilex -Plantagen zum Schutz vor Vögeln in jedem Herbst mit Netzen überspannt und im November/Dezember Zweige geschnitten.

Abbildung 12: Gesteck mit Ilex zu Weihnachten
Die als giftig eingestuften Blätter wurden früher als aufmunternder Tee getrunken – so ändern sich die Zeiten. Mate-Tee stammt übrigens von einer südamerikanischen Ilex -Art. In der Heilkundewurden die ebenfalls giftigen Früchte gelegentlich bei Fieber, gegen Rheuma und Gicht sowie als Abführmittel und gegen Epilepsie eingesetzt, was die Patienten teilweise nicht überlebten. Aus diesem Grund ist bei Pflanzungen im Garten oder auch Dekoration und Gestecken zu beachten, dass 10 Früchte für Kinder bereits tödlich sein können. Für Vögel sind sie ungiftig und sogar ein wichtiges Winterfutter, werden aber erst durch Frost weich.
4 Mythologie, Geschichte und Literatur
Aufgrund der ungewöhnlichen Eigenschaften – immergrüne, glänzende, stachlige Blätter mit roten Früchten – hat die Stechpalme in der Mythologieschon seit langer Zeit Bedeutung. Bereits die Kelten verehrten sie: Für die Druiden sollen die roten Früchte Lebensenergie symbolisiert haben. Den Römern galt sie als zukunftsdeutender Baum. Durch ihre immergrünen Blätter gilt sie als Symbol für Unvergänglichkeit und ist daher auch auf Friedhöfen so beliebt.
Der Zauberstab Harry Potterswar aus einem Stechpalmenzweig; auch für Wanderstöcke waren und sind die Zweige beliebt, so z. B. bekannt von GOETHE und LISZT.
Die Bezeichnung „Hülse“wie auch das englische „Holly“ gehen auf althochdeutsch hulis zurück, eine Bezeichnung für stechende Sträucher, und wurde schließlich auf weitere immergrüne, stechende Gehölze wie die Stechpalme übertragen. Noch heute lassen viele Flur- und Ortsnamen mit der Silbe „Hüls-“ auf das einstige Vorkommen der Stechpalme schließen, z. B. Hülsfeld, Hülsenhain und Hülsebusch. Auch in Familiennamen wie DROSTE-HÜLSHOFF und HÜLSMANN findet man sie wieder.
Der Bezug zur Palme im Namenrührt von dem Brauch, in katholischen Gegenden am Palmsonntag Ilex -Zweige als Palmzweige in die Kirche zu bringen, die dort geweiht werden und dann in Stube und Stall gegen Heimsuchung durch böse Gewalten (z. B. Gewitter) aufgehängt oder in den Dachgiebel gesteckt werden.
Verwendete Literatur
BARTELS, H., 1993: Gehölzkunde. Ulmer, Stuttgart.
BÄRTELS, A.; SCHMIDT, P. A., 2014: Enzyklopädie der Gartengehölze. 2. Aufl., Ulmer Verlag, Stuttgart.
Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV), 2005: Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten. BGBl. I, S. 258/896.
BUTIN, H., 2019: Krankheiten der Wald- und Parkbäume. 3. Aufl., Ulmer Verlag, Stuttgart.
CALLAUCH, R., 1983: Untersuchungen zur Biologie und Vergesellschaftung der Stechpalme (Ilex aquifolium L.). Diss. Gesamthochschule Kassel.
CITREE, 2019: Planungsdatenbank Gehölze für urbane Räume. www.citree.de[Zugriff 11.11.2020].
ELLENBERG, H.; LEUSCHNER, C., 2010: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. 6. Aufl., Ulmer Verlag, Stuttgart.
FENNER, R., 2020: Die Europäische Stechpalme – Baum des Jahres 2020. www.baum-des-jahres.de.
GALLE, F. G., 1997: Hollies – The genus Ilex. Timber Press. Portland, Oregon.
LANGE, O. L., 1961: Die Hitzeresistenz einheimischer immer- und wintergrüner Pflanzen im Jahreslauf. Planta 56, 666–683.
MARZELL, H., 1975: Gattung Ilex. In: HEGI, G.: Illustrierte Flora von Mitteleuropa, Bd. V/1. P. Parey Verlag, Hamburg/Berlin, 234–243.
OBESO, J. R., 1997: Costs of reproduction in Ilex aquifolium: effects at tree, branch and leaf levels. J. Ecology 85, 159–166.
PETERKEN, G. F.; LLOYD, P. S., 1967: Biological Flora of the British Isles. Ilex aquifolium. J. Ecology 55, 841–858.
PIETZARKA, U.; SCHMIDT, C.; ROLOFF, A., 2003: Ilex aquifolium (Stechpalme, Hülse). Enzyklopädie der Holzgewächse 33, 1–12.
POTT, R., 1990: Die nacheiszeitliche Ausbreitung und heutige pflanzensoziologische Stellung von Ilex aquifolium L.. Tuexenia 10, 497–512.
ROLOFF, A., 2013: Bäume in der Stadt – Besonderheiten, Funktion, Nutzen, Arten, Risiken. Ulmer Verlag, Stuttgart.
ROLOFF, A., 2017: Der Charakter unserer Bäume – ihre Eigenschaften und Besonderheiten. Ulmer Verlag, Stuttgart.
ROLOFF, A.; BÄRTELS, A., 2018: Flora der Gehölze – Bestimmung, Eigenschaften, Verwendung. 5. Aufl., Ulmer Verlag, Stuttgart.
ROTH, L.; DAUNDERER, M.; KORMANN, K., 1994: Giftpflanzen – Pflanzengifte. Ecomed Verlag, Landsberg.
SCHRÖTTER, H., 1995: Die Stechpalme Ilex aquifolium an der Nordostgrenze ihres Verbreitungsgebietes. Forst und Holz 50, 785–787.
SCHRÖTTER, H., 1999: Zum Wuchsverhalten der Stechpalme (Ilex aquifolium L.) – ein Orientierungsversuch. Beitr. Forstwirtsch. u. Landsch.ökol. 33, 139–140.
STURM, A. M. (Hrsg.), 2016: Giftmorde III: weitere tödliche Anwendungen. Edition Krimi, Hamburg.
VONARBURG, B., 1997: Homöotanik. Haug Verlag, Heidelberg.
www.championtrees.de: Rekordbäume. Gehölzdatenbank der Deutschen Dendrolologischen Gesellschaft [Zugriff 1.1.2021].
Autor
Prof. Dr. Andreas Roloff leitet das Institut für Forstbotanik und Forstzoologie sowie den Forstbotanischen Garten der TU Dresden in Tharandt, ist Inhaber des Lehrstuhls für Forstbotanik und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit Fragen der Baumbiologie, Gehölzverwendung und Baumpflege. Er ist Fachreferent für Parks, Gärten und städtisches Grün im Rat der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft und Leiter des Kuratoriums Nationalerbe-Bäume.
Kontakt: roloff@forst.tu-dresden.de
1 Boden, Wurzeln und Leitungsbau
Bäume, Böden und Leitungsbau – Herausforderungen für ein notwendiges Miteinander
Trees, soils and sewer lines – Challenges for a necessary cooperation
von Markus Streckenbach
Zusammenfassung
An Standorten von Stadtbäumen kommen unterschiedliche Gewerke mit oft sehr gegensätzlichen Ansprüchen zusammen. Dies führt zu einem spannungsgeladenen Nebeneinander, das gegenseitige Rücksichtnahme erfordert. Im Wurzelraum von Straßenbäumen ergibt sich eine besondere Situation da die Bedürfnisse von Bäumen dort, wo ein allgemeiner Platzmangel herrscht, besonders hart auf jene des Leitungsbaus treffen. Um den wachsenden Anforderungen an die Leistungen des städtischen Grüns und der zugleich bestehenden Ver- und Entsorgungssicherheit gerecht werden zu können, bedarf es einer Umkehr von der bisherigen Praxis. Ein Blick auf die Entwicklung des Konfliktes zeigt, dass hierfür vor allem bestehende Prioritäten zu überdenken sind, der Wurzelraum von Bäumen eine größere Beachtung finden muss und auch beim Thema „Baumwurzeln und Leitungen“ mehr Lösungen angeboten werden müssen, um ein konfliktfreies Miteinander zum größtmöglichen Nutzen aller zu ermöglichen.
Читать дальше