Die Stechpalme war im Tertiär-Zeitalter ein weitverbreitetes Gehölz, vor allem in subtropischen Wäldern. Während der Eiszeiten überdauerte sie im südlichen iberischen Raum. In der postglazialen wärmezeitlichen Massenausbreitungerreichte sie aus dem atlantisch-submediterranen Raum bereits vor 8.000 Jahren die heutige Ostgrenze der Verbreitung. In kontinentalen Bereichen ging sie sogar über ihr heutiges Areal hinaus, wie fossile Funde bei Cottbus und Weimar belegen. Außerdem stammen Fossilien aus England, dem Westrand der Lüneburger Heide (Honerdingen), der Schweiz (St. Gallen) und Oberitalien (Provinz Bergamo). Blüten zweier Ilex-Arten wurden in samländischem Bernstein gefunden, wodurch das hohe Alter der Familie und Gattung in Europa unterstrichen wird.
Die Stechpalme konnte jedoch erst mit dem Eingreifen des Menschen in der ehemals geschlossenen Waldlandschaft des atlantischen Eichenmischwaldes bessere Entwicklungsbedingungen finden. Deshalb erscheint sie erst zu Beginn neusteinzeitlicher Siedlungstätigkeit verstärkt in Pollendiagrammen, sodass ein synchrones Verhalten dieser Gehölzart mit siedlungsintensiven Phasen und Siedlungsdepressionen zu beobachten ist. Es wurde zudem eine Korrelation zwischen Buchen-Ausbreitung und stellenweiser Anreicherung von Ilex nachgewiesen, sie wird deshalb auch als Buchenbegleiterinbezeichnet. Ilex -reiche Bestände kommen aber auch in bodensauren Eichenmischwäldern vor.
Die Bodenansprüchesind indifferent. Man findet die Art deshalb auf den verschiedensten Bodenarten und sogar auf felsigem Untergrund und in Heidelandschaften ( Abbildung 5). Sie kommt dabei vorwiegend auf mäßig trockenen, humusreichen Sand- und Lehmböden vor und geht bei entsprechenden lokalklimatisch günstigen, luftfeuchten und frostgeschützten Situationen auch auf kalkreiche Böden über.

Abbildung 5: Vorkommen in Heidefläche, unten stark gezähnte und oben glattrandige Blätter
Die Stechpalme ist relativ frosthart, aber empfindlich gegenüber Früh- und Spätfrösten. Keimlinge besitzen bereits im ersten Winter eine Frostresistenzbis –20 °C, wobei im Alter einige Herkünfte bis maximal –25 °C ertragen. Die Art ist aber gegen austrocknende Nord- und Ostwinde im Winter empfindlich. Frostschäden treten auch an ungeschützten Pflanzenteilen auf, die aus der Schneedecke oder aus schützender Begleitvegetation herausragen. Als (sub)atlantische Art ist die Stechpalme empfindlich gegenüber großer Trockenheit, wobei die Hitzeresistenz junger Blätter geringer ist als die älterer und eine fortlaufende Anpassung erfolgen kann. Ihre Verbreitungsgrenze ist temperaturbedingt: Sie kommt vor allem in Regionen vor, wo die mittlere Januartemperatur über –0,5 °C liegt und die Durchschnittstemperatur des wärmsten Monats 12 °C übersteigt.
Ilex aquifolium gedeiht sowohl in tiefem Schatten als auch in direktem Sonnenlicht, wobei sie in schattigen Wäldern allerdings nur geringere Wuchshöhen erreicht – optimal ist Halbschatten. In England und Irland mit dem dortigen atlantisch-milden Klima findet man auch Stechpalmenbestände, die ohne eine beschattende Baumschicht wachsen. Ehemalige Waldweiden erkennt man bisweilen an starken Vorkommen von auch hochgewachsenen Stechpalmen. Es wird vermutet, dass die Stechpalme heute in den verschieden differenzierten Forsten ein Relikt aus alter Zeit darstellt, in der in Deutschland Ilex -reiche Mischwälder vorgeherrscht haben. Die damalige Vielzahl von Stechpalmen ist auf die Hutewirtschaftzurückzuführen, sodass Ilex -reiche Wälder heute weitgehend als Relikte der ehemaligen Waldnutzung aufzufassen sind. Denn durch die Waldweide wurde die Stechpalme gefördert, da sie vom Großvieh gemieden wurde. Hinzu kamen ihre Schattentoleranz ( Abbildung 6) und die Fähigkeit zur vegetativen Vermehrung, sodass oftmals ein dichter Unterwuchs entstehen konnte.

Abbildung 6: Exemplar im Waldschatten: erhält nur im Winter Licht.
Das natürliche Arealder Stechpalme erstreckt sich über die Mitte, den Süden und den Nordwesten Europas. Daraus kann ein gewisser Wärmebedarfabgeleitet werden. Vor allem etwas mildere Winter sind wegen der immergrünen Blätter günstig, denn für deren Frosthärte ist ein gewisser Aufwand nötig. Die Ostgrenze des Areals verläuft von der Odermündung in südwestlicher Richtung durch Deutschland bis Rheinland-Pfalz, biegt dann scharf entlang des Nordrandes der Alpen nach Osten ab, wo sich das Verbreitungsgebiet über den Balkan, Vorderasien, Kaukasien bis zum Iran erstreckt. Die südliche Arealgrenze durchläuft Algerien und Tunesien. Im atlantischen Klimabereichmit milderen, feuchteren Wintern wie in Großbritannien und Irland tritt die Stechpalme (Holly) viel deutlicher in Erscheinung und fühlt sich dort sichtlich besonders wohl ( Abbildung 7).

Abbildung 7: Wilde Stechpalme (im Englischen Holly) in Somerset, England
Aufgrund der Klimaerwärmung breitet sich die Stechpalme in den letzten Jahrzehnten bereits in Norwegen entlang der Westküste weiter nach Norden und in Dänemark weiter nach Osten aus und hat es inzwischen sogar bis nach Südschweden geschafft. Entlang der südlichen Ostseeküste wandert sie inzwischen in Polen ein, auf Bornholm kommt sie schon seit mindestens 150 Jahren vor, wie eigene Jahrringuntersuchungen gezeigt haben. Die Höhenverbreitungerstreckt sich vom Tiefland in Norwegen und England bis auf über 2.000 m im Kaukasus, in den Alpen steigt sie bis auf 1500 m.
Die Stechpalme ist eine der wenigen Baumarten, die durch die Bundesartenschutzverordnungunter besonderem Schutz stehen, weil Wildvorkommen so selten sind. Dies trifft unter unseren Gehölzen nur noch für Eiben und Buchsbaum sowie einige Kleinsträucher zu. Sie dürfen also nicht beschädigt oder gar entnommen werden.
Die Stechpalme ist bei uns die einzige einheimische immergrüneLaubbaumart (der ebenfalls immergrüne Buchsbaum ist eine Strauchart). Als immergrün bezeichnet man Baumarten, deren Blätter länger als ein Jahr am Baum hängenbleiben. Die meisten Nadelbaumarten sind immergrün (Ausnahme z. B. Lärche). Immergrüne Laubbaumarten haben Vorteile in wintermilden Regionen, besonders da, wo die Sommer so heiß und trocken sind, dass sie zeitweise nicht für Photosynthese genutzt werden können, wie im Mittelmeerraum. Winter- und immergrüne Bäume können so auch warme Perioden im Winterhalbjahr, vor allem im Frühjahr ausnutzen, die dann über das gesamte Jahr betrachtet ebenfalls wichtige Zeiträume für die Photosynthese darstellen. Solche immergrünen Laubbaumarten deuten daher auf eine teilweise oder schwerpunktmäßige Verbreitung in wärmeren oder zumindest wintermilden Gebieten hin, z. B. in Meeresnähe. Die Frosthärte ist bei diesen Arten oft geringer, denn bei regelmäßig tiefen Wintertemperaturen sind Blattfall oder nadelförmige Blätter der beste Schutz vor Frostschäden.
Beeindruckend ist die hohe Schattentoleranz, sodass die Stechpalme sogar in geschlossenen Buchenbeständen überlebt und dort sog. „ Stechpalmenwälder“ im Unterstand bildet ( Abbildung 8). Dadurch werden die Waldbestände im Unterwuchs dicht und stellenweise undurchdringlich, womit sich die Art bei Förstern unbeliebt macht, im Winter aber einen wichtigen Schutz für Wild und Vögel bietet. Berühmt und bedeutsam ist das „Naturwaldreservat Stechpalmenwald“ östlich der Lüneburger Heide in Niedersachsen. Es entsteht ein sehr ungewöhnliches Bestandesbild, welches durch die Ilex -Blätter etwas mediterranes Flair erhält. So wird die Baumart gelegentlich auch als „Wilder Lorbeer“ bezeichnet.
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