Tab. 2: Solidarität, Subsidiarität, Versorgung
SolidaritätSubsidiarität/FürsorgeVersorgung
Der Sozialstaat in Deutschland gleicht einem großen – mittlerweile über 130 Jahre alten – Gebäude mit vielen Etagen, vielen Eingängen, Anbauten, Umbauten. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber vor ca. 45 Jahren begonnen, das Sozialrecht in einem Gesetzbuch, dem Sozialgesetzbuch (SGB) zusammenzufassen. Das SGB besteht aus derzeit zwölf einzelnen Büchern; als vorerst letzte wurden im Jahr 2005 im Buch II die Grundsicherung für Arbeitssuchende (sogenanntes »Hartz-IV-Gesetz«) und im Buch XII das Bundessozialhilfegesetz in das SGB eingefügt (
Tab. 3).
Tab. 3: Aufbau des Sozialgesetzbuches

SozialgesetzbuchAufbau
3 Sozialstaat und Gesundheitswesen – ein kurzer Überblick in Zahlen
3.1 Sozialbudget
Das Sozialbudget wird vom Statistischen Bundesamt jährlich veröffentlicht. Es gibt die Sozialleistungen insgesamt, die Zusammensetzung der Sozialleistungen sowie die Sozialleistungsquote wieder. Die folgende Statistik zeigt das Sozialbudget insgesamt in Millionen Euro und die sogenannte Sozialleistungsquote, also den Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) (
Tab. 4).
Tab. 4: Sozialbudget, Sozialleistungsquote 2019
Quelle: Bundesministerium für Arbeit, Sozialbericht 2019
Mit einem Anteil der Sozialleistungen von knapp einem Drittel des BIP gehört Deutschland zu den am stärksten ausgeprägten Sozialstaaten weltweit. Die größten einzelnen Positionen im Sozialbudget nehmen die Leistungen bei Krankheit und die Alterssicherung ein.
3.2 Gesundheitsquote, Finanzierung der Gesundheitsausgaben
Berechnet man nun den Anteil aller Gesundheitsausgaben am BIP, so erhält man die sogenannte Gesundheitsquote. Sie betrug 2018 in Deutschland 11,5 % und ist wie folgt zu interpretieren: 11,5 % aller in Deutschland produzierten Waren und Dienstleistungen sind dem Gesundheitswesen zuzurechen – oder anders formuliert: 11,5 % aller Einkommen entstehen im Gesundheitswesen.
Im internationalen Vergleich ist dieser Wert hoch: Nach den USA und der Schweiz liegt Deutschland damit vor Frankreich auf Rang drei der Länder mit der höchsten Gesundheitsquote.
In den vergangenen 28 Jahren ist die Gesundheitsquote um ca. 1,9 Prozentpunkte angestiegen (von 9,6 % in 1992 auf 11,5 % in 2018). Ohne Gesundheitsreformen, mit denen in jeder Legislatur versucht wurde, die Ausgaben zu stabilisieren, wäre die Gesundheitsquote sicherlich stärker gestiegen – wie stark, ist allerdings ungewiss. Wissenschaftler sind sich weitgehend einig darin, Gesundheitsleistungen als sogenannte superiore Güter zu definieren. Superiore Güter werden mit steigendem Wohlstand – also steigendem BIP – überproportional nachgefragt.
Die folgende Tabelle ordnet die Gesundheitsausgaben den jeweiligen institutionellen Ausgabenträgern zu (
Tab. 5).
Tab. 5: Gesundheitsausgaben nach Ausgabenträgern – 2018
AusgabenträgerIn Mio. €In % der Gesundheitsausgaben
1)einschließlich private Pflegeversicherung
Quelle: https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?operation=abruftabelleBearbeiten &levelindex=1&levelid=1600760522040&auswahloperation=abruftabelleAuspraegungAus waehlen&auswahlverzeichnis=ordnungsstruktur&auswahlziel=werteabruf&code=23611- 0001&auswahltext=&werteabruf=Werteabruf#abreadcrumb; eigene Berechnungen (Zugriffsdatum 22.9.2020)
Sozialversicherte Gesundheitsleistungen werden von der gesetzlichen Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Unfallversicherung und in Form von Rehabilitation von der gesetzlichen Rentenversicherung erbracht. Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Anteil zur Sozialversicherung werden vom Statistischen Bundesamt als Bestandteil der Arbeitnehmereinkommen und folglich der Lohnquote ausgewiesen. Tatsächlich kann der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung als Lohnbestandteil betrachtet werden; er ist an den Arbeitsvertrag gekoppelt und könnte ebenso als Lohn ausgezahlt und vom Arbeitnehmer an die Sozialversicherung abgeführt werden. Die unselbstständig Beschäftigten tragen also mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen den weitaus größten Anteil an allen Sozialleistungen und damit auch an den Gesundheitsausgaben.
Private Haushalte entrichten Zuzahlungen zu Arzneimitteln, Krankenhausbehandlung etc.; sie erwerben nicht-verschreibungspflichtige Arzneien, die von den Kassen nicht erstattet werden, aus eigener Tasche. Mit 52 Mrd. € sind sie nach den Sozialversicherungsträgern der größte Finanzier von Gesundheitsleistungen.
Aus Steuern des Staates werden die subsidiären Leistungen der Sozialhilfe für Rehabilitation und die Sozialhilfe für Pflegebedürftige finanziert. Aufgabe des Staates ist ferner die Investitionsfinanzierung von Plankrankenhäusern und Universitätskliniken sowie der öffentliche Gesundheitsdienst. Für seine Beamten zahlt der Staat im Krankheitsfall Beihilfen. Insgesamt trug die öffentliche Hand 2018 ca. 16,5 Mrd. € zur Finanzierung des Gesundheitswesens bei.
In die Ausgaben der privaten Krankenversicherung mit 33,3 Mrd. € sind neben den Krankheitsvollkostenversicherungen die private Pflegeversicherung und ebenso die privaten Zusatzversicherungen mit eingerechnet. Die ca. 16,4 Mrd. € der Arbeitgeber werden für die sechswöchige Entgeltfortzahlung und den betrieblichen Gesundheitsdienst verausgabt.
Sachleistungen überwiegen bei Weitem: Nur ein kleiner Teil der gesamten Gesundheitsausgaben der Sozialversicherung fließt den Haushalten als Geldleistung (Krankengeld, Übergangsgeld, Verletztengeld) zu.
3.3 Beschäftigte – das Gesundheitswesen als Arbeitgeber
Dem Gewicht, das dem Gesundheitswesen als Anteil am BIP zukommt, entspricht seine Bedeutung als Arbeitgeber: 12,3 % aller Erwerbstätigen, das sind etwa 5,3 Mio. Menschen, in Deutschland arbeiten im Gesundheitswesen. Anders ausgedrückt: Jeder 8. Erwerbstätige ist im Gesundheitssektor beschäftigt. Vor allem für Frauen sind die Gesundheitsbranchen wichtige Arbeitgeber; etwa ¾ aller Erwerbstätigen im Gesundheitswesen sind Frauen.
Das Gesundheitswesen gehört überwiegend zum tertiären Sektor, also zum Dienstleistungssektor der Volkswirtschaft. Dieser Sektor steuert typischerweise in hoch entwickelten Volkswirtschaften den größten Anteil zum BIP bei und diesem Gewicht entsprechend sind die meisten Erwerbstätigen (in Deutschland ca. 75 %) im Dienstleistungssektor tätig. Im Gesundheitswesen ist die Dominanz der Dienstleistungen noch stärker ausgeprägt: 95 % aller, die im Gesundheitswesen arbeiten, gehören Dienstleistungsberufen an. Nur 5 % sind in der Gesundheitsindustrie (pharmazeutische Industrie und Medizinprodukteindustrie) beschäftigt.
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