Jürg Brühlmann, Denise F. Moser, Mojca Žekar
Expertise sichtbar machen
Modeling mit MetaLog – Praxisausbildung in personenbezogenen Berufen
ISBN Print: 978-3-0355-1673-9
ISBN E-Book: 978-3-0355-1674-6
1. Auflage 2020
Alle Rechte vorbehalten
© 2020 hep Verlag AG, Bern
hep-verlag.ch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1Einleitung
2Ausbilden in personenbezogenen Berufen
Herausforderungen und Anforderungen
Von der Kompetenz zur Performanz
Berufsgeheimnisse und Gelingensbedingungen
Implizites und Bewusstheit
Gestaltungsmittel
3Lernen von Fachpersonen
Lernfeld Praxis
Qualitätssicherung
Lerninhalte
Lernzeitpunkte
Lernmethoden
4Modeling mit MetaLog
Einführung
Themen im MetaLog
Rollen und Funktionen
Positionieren der Beobachtenden
Gestaltungsmöglichkeiten
5Sprache
Klären der Situation
MetaLog in der laufenden Interaktion
Positiv formulieren
Professionelle Formulierungen
Verlangsamen des Arbeitsprozesses
Irritationen vermeiden
Besprechungszeit besser nutzen…
Planen und Vorbereiten
6Räumliche Inszenierung
Der Körper als Arbeitsinstrument
Nicht teilnehmende Beobachtung
Regeln zur räumlichen Inszenierung der Ausbildungssituation
Sitzungs- und Unterrichtssetting
Komplexere und dynamische Situationen gestalten
Tipps für besondere Herausforderungen
7Zusammenspiel mit weiteren Ausbildungsmethoden
Modeling mit MetaLog und Cognitive Apprenticeship
Die Funktion der Expertise
Anwendungssituationen
8Erfahrungen
Einsatzbereiche und Verbreitung
Wirkungen auf Studierende
Konsequenzen für Fachpersonen Praxisausbildung
Wirkung auf Klienten
9Fazit und Ausblick
Anhang
Häufige Fragen und Antworten
Studierende
Klienten
Methodik
Glossar
Mitwirkende
Materialverzeichnis
Video- und Audioclips
Abbildungen
Literatur
Anmerkungen
Vorwort
Von Tina Hascher, Ordinaria Abteilung Schul- und Unterrichtsforschung, Universität Bern
Auf die Erfahrung kommt es an – so wird häufig argumentiert, wenn es um die Ausbildung von Berufskompetenzen geht. Man werde, sagt der Volksmund, aus Erfahrung klug. Und es leuchtet intuitiv ein, dass Praxiskompetenzen am besten in der und durch die Praxis entwickelt werden. Aber wie so vieles im Leben gestaltet sich die Thematik etwas komplizierter, insbesondere wenn es um die äusserst anspruchsvolle Arbeit in personenbezogenen Berufen geht.
Wer Berufslernende und Auszubildende betreut, kennt die folgenden Phänomene: Schritte in der Kompetenzentwicklung können einfach, aber auch sehr schwierig sein; manchen Berufslernenden fällt es leichter, bestimmte Kompetenzen zu erwerben, andere haben mehr Mühe; bestimmte Kompetenzen lassen sich schneller erlernen, andere sind herausfordernder; häufig gelingt eine tragfähige Beziehung der Ausbildenden zu den Berufslernenden, aber auch das Gegenteil kommt vor.
In personenbezogenen Berufen kommt dem Kontakt mit Menschen eine zentrale Rolle zu. Lehren und Erziehen, Betreuen und Pflegen sind soziale Berufe, die sich der Begleitung und Beratung von Menschen widmen. In diesem Kontakt liegt nicht nur die Motivation vieler Berufsleute, sondern auch eine wesentliche Quelle des Berufslernens und der Kompetenzentwicklung. In der Ausbildung für Bildung-, Gesundheits- und Sozialberufe kommen drei Gruppen zusammen, die miteinander interagieren: die Ausbildenden, die Berufslernenden/Auszubildenden und die Zielgruppe der Schüler/Schülerinnen, Klienten/Klientinnen und Patienten/Patientinnen. Diese sozialen Interaktionen sind wesentlich für den Lernprozess aller Beteiligten und für die Kompetenzentwicklung von Novizen/Novizinnen und Berufsanfängern/-anfängerinnen. Die Ausbildung kann daher sozusagen als «sozialer Doppeldecker» verstanden werden: Auf der einen Ebene richtet sich die Tätigkeit genuin auf soziale Interaktionen, andererseits sind soziale Interaktionen das Kernelement beruflicher Lernprozesse.
Doch zurück zur Erfahrungsfrage: Professionelle Qualität lässt sich nicht einfach nur durch Erfahrungsjahre herstellen. Es gibt – zum Glück – hochkompetente Berufsanfänger/-innen, aber auch mässig kompetente «alte Hasen». Woran kann das liegen? Drei Erklärungen seien hier angeführt:
–Die Expertiseforschung zeigt klare Unterschiede zwischen Novizen/Novizinnen und Experten/Expertinnen. Vereinfacht ausgedrückt: Letztere erkennen und bewerten die Situation anders, nämlich kompetenter und professioneller. Die Forschung macht aber auch deutlich, dass Expertise nicht einfach aufgrund der blossen Verweildauer in einem Beruf entsteht, sondern durch gezielte Lern- und Entwicklungsprozesse. Nicht jede Person mit langer Erfahrung erreicht also in jedem Fall auch Expertise.
–Theorien und Studien zum Modelllernen zeigen auf, dass es bestimmter Voraussetzungen bedarf, damit von anderen gelernt wird. Dazu gehören beispielsweise die Transparenz von Handlungsabläufen, die Ähnlichkeit von Situationen und die Information über Entscheidungsprozesse, damit diese für Lernende nachvollzogen werden können. Modelllernen geht also weit über das «Abschauen und Nachmachen» hinaus und muss gezielt angeleitet werden. Zugleich bedeutet dies auch: Nicht jede/-r Ausbilder/-in ist ein gutes Modell.
–Studien zum Lernen in der Praxis weisen nach, dass in Praktika weniger gelernt wird, als man erwartet. Der Lerneffekt von Praktika wird also überschätzt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn man meint, Erfahrungen allein würden schon zum Lernen beitragen. Es zeigt sich jedoch, dass Berufslernende Lernbedarfe und Lernanlässe durchaus nicht immer wahrnehmen, u. a. weil sie die Diskrepanz zwischen ihrem eigenen Handeln und einem professionellen Handeln noch nicht erkennen. Dies macht eine professionelle Begleitung durch Mentoren/Mentorinnen und Coaches so notwendig.
Nimmt man diese drei Erklärungen zusammen, dann lässt sich schlussfolgern: Auf die Qualität der Ausbildungssituation kommt es an! Und es stellt sich zugleich die Frage, wie eine hohe Qualität erreicht werden kann. Inzwischen finden sich einige, evidenzbasierte Hinweise zur Gestaltung von berufsbezogenen Lernprozessen, etwa durch Konzepte zum Mentoring und Coaching. Der vorliegende Band über den MetaLog reiht sich in diese Arbeiten ein. Zugleich jedoch geht er aber aus folgenden Gründen über die bestehenden Konzepte hinaus, was ihn besonders wertvoll und lesenswert macht:
Die Ausführungen zum MetaLog …
–… basieren auf dem Potenzial von Berufsexperten/Expertinnen für die Kompetenzentwicklung von Novizen/Novizinnen. Sie bleiben dabei skeptisch gegenüber einfachen Transferprozessen und sind stattdessen aufmerksam gegenüber den Besonderheiten von Expertise, z. B. dass Wissen und Können nicht immer bewusst sind.
–… beschreiben nicht nur notwendige Schritte und Kontextbedingungen des Modelllernens, sondern sie berücksichtigen gleichermassen die Perspektive der Lehrenden und der Lernenden in ihrer gemeinsamen Interaktion mit den Zielgruppen.
–… situieren den Lernprozess nicht nur allgemein in Berufsfeldern, sondern beziehen ihn sehr spezifisch und sehr sensibel auf die Besonderheiten und Herausforderungen in personenbezogenen Berufen und die spezifischen Prozesse des beruflichen Handelns.
Die neuen Perspektiven, die der MetaLog eröffnet, erachte ich als einen Gewinn für die Ausbildung von Berufslernenden. Die Auseinandersetzung mit den Inhalten des Buchs von Jürg Brühlmann, Denise Moser und Mojca Žekar soll Ausbilder/-innen dazu anregen, ihre Praxisbegleitung zu reflektieren und zu verbessern. Das Buch beinhaltet dazu viele gut begründete und erklärte Anregungen. Es soll dazu anstiften, den MetaLog auszuprobieren, in das eigene Ausbildungshandeln zu integrieren und weiterzuentwickeln. Dies bedeutet auch: Der MetaLog ist nicht als eine «Methode» zur Begleitung von Praxiserfahrungen und Betreuung von Berufslernenden misszuverstehen, sondern als eine professionelle Haltung zur beruflichen Kompetenzentwicklung aller am Lernprozess Beteiligter.
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