Schulentwicklung mit den Elementen Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung
Die eine Theorie der Schulentwicklung, die verschiedene Ansätze begründen könnte, ist erst in Entwicklung. Bisherige Theoriebildungen, die sich zum Teil auch widersprechen (z.B. Maag Merki, 2008; Rahm, 2008), werden etwa als «ekklektizistische Bricolage» (Reinbacher, 2016) bezeichnet. Wir folgen nicht der Absicht, hier klärend beizutragen, sondern pragmatisch die didaktische Konzeption der Lehrplaneinführung in bestehende, häufig genutzte Konzepte einzuordnen.
Weit verbreitet ist das Modell der «Schulentwicklung als Trias von Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung» (Rolff, 2010). Gerade auch aufgrund der Erfahrung der Grenzen der Wirksamkeit von Schulentwicklung als Organisationsentwicklung wird von Holtappels (2009) festgestellt, dass Organisationsentwicklung «einhergehen muss a) mit gezielter Unterrichtsentwicklung zur Erweiterung der professionellen Lehrkompetenzen und der Formen der Lernorganisation und b) der Personalentwicklung» (ebd., S. 588). Der ursprünglich betriebswirtschaftliche Begriff der «Personalentwicklung» wird in der Schulpädagogik übernommen (Buhren & Rolff, 2000; Meetz, 2007), wobei die Weiterbildung nebst zum Beispiel Mitarbeitendengesprächen oder Unterrichtsbesuchen als eines der Instrumente der Personalentwicklung verstanden wird (Berger, 2007/2008; Meetz, 2007). Im schulpädagogischen Kontext macht die Begriffsverwendung deutlich, dass sich die Weiterbildungsteilnahme oder allgemeiner die Weiterentwicklung der Lehrpersonen idealerweise sowohl aus dem Bedarf der Schule als auch des Personals ergibt. Der Bedarf wird abgeleitet aus empirischen Evidenzen, wie zum Beispiel aus Ergebnissen schulinterner Evaluationen im Rahmen des Qualitätsmanagements. Ziel der Personalentwicklung ist die Optimierung der Erfüllung des Bildungsauftrags durch die Lehrpersonen beziehungsweise letztlich der – wie auch immer definierten – Qualität der Schule (Dubs, 2005). Das erfordert auch eine systematische und langfristige Weiterbildungsplanung als eine Aufgabe der Schulleitung (Oelkers, 2009b; Buhren & Rolff, 2009). Dies wird aber erst in Ansätzen (Appius, Steger Vogt, Kansteiner-Schänzlin & Bach-Blattner, 2012) und, wie eine Studie in deutschen Bundesländern zeigt, unterschiedlich realisiert (Thillmann, Brauckmann, Herrmann & Thiel, 2015), was auch für die Schweiz und den Kanton Bern gelten dürfte.
Rolff (2016) stellt die drei Ansatzpunkte der Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung gleichwertig, kreisförmig angeordnet um den «ultimativen Bezugspunkt» (ebd., S. 20), den Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler, dar. Dabei vertritt er die Position, dass die Einzelschule zu entscheiden hat, ob ein Schulentwicklungsvorhaben bei der Organisations-, Unterrichts- oder Personalentwicklung ansetzt. Wenn man aber in Systemzusammenhängen oder konsequent denke, dann führe jeder Weg der Schulentwicklung zwingend zu den anderen zwei (ebd., S. 19; siehe Beitrag 3, Kapitel 1.1).
Weil neue Lehrpläne immer auch auf eine veränderte Unterrichtspraxis setzen und eine Lehrplaneinführung eine staatlich verordnete Entscheidung ist, liegt es im vorliegenden Fall nicht an der Einzelschule, den Ansatzpunkt der Entwicklung zu bestimmen. Nicht nur deshalb, sondern auch empirische Gründe zum Lernen von Lehrpersonen – dazu mehr in Kapitel 3 3 Unterrichtsentwicklung: Lernprozesse von Lehrpersonen Im Nachgang zum Begriff der Schulentwicklung hat sich der Begriff «Unterrichtsentwicklung» im Sinne der Verbesserung des Unterrichts etabliert. Auch dieser wird allerdings als wenig trennscharf (Oelkers & Reusser, 2008) kritisiert. Zudem kann der Begriff der «Entwicklung» eine biologische Vorstellung eines Prozesses nahelegen, der organisch und ohne explizite äussere Beeinflussung oder sogar aktive Steuerung vonstattengeht (Helmke, 2009). Unterrichtsentwicklung als Begriff aus der organisationstheoretischen Perspektive steht für Prozesse von Lehrpersonen, die als Lernprozesse zu sehen sind. In einem solchen engeren Sinn ist Unterrichtsentwicklung «die ureigenste Aufgabe jeder Fachperson, die unterrichtet» (Kyburz-Graber, 2004, S. 12) und ihre alltägliche Unterrichtsarbeit optimiert. Auch Unterrichtsentwicklung in einem breiteren Sinn, verstanden als eine «Intervention», sehen die Lehrpersonen selbst, vertreten durch ihren Dachverband, grundsätzlich als selbstverständlich an: Eine regelmässige Weiterbildung zur Erhaltung und Weiterentwicklung einer «wirksamen Berufsausübung» (LCH Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer, 2008) ist wichtig. Das lässt sich auch daran ablesen, dass die Weiterbildung, wenn auch im Schatten der Grundausbildung, schon immer ein Thema im Zusammenhang mit Diskussionen um notwendige Veränderungen und Reformen der Schule war und vor allem auch von den Lehrpersonen selbst als solches eingebracht wurde (Balmer, 2018a). Lehrpersonen anerkennen auch die Notwendigkeit eines Weiterbildungsobligatoriums in spezifischen Fällen wie bei der Einführung von neuen Lehrplänen und Lehrmitteln (ebd., Landert, 1999).
– sprechen für die Unterrichtsentwicklung als primären Ansatzpunkt. Anders als im Modell von Rolff sind die Beziehungen zwischen Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung funktional eindeutig verknüpft, wie es im folgenden Modell dargestellt ist. Wir folgen damit Erfahrungen und empirischen Ergebnissen, wie sie im Kontext fachdidaktischer Interventionsforschungen und Weiterbildungsforschung gemacht wurden. Sinnstiftende und effektive Projekte setzen am Fachunterricht an, auch weil vor allem hier das bedeutsamste Berufswahlmotiv der Lehrpersonen realisiert wird, die pädagogische und fachdidaktische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (Kunter & Pohlmann, 2015). Das primäre Interesse der Lehrpersonen liegt beim Unterrichten. Ihnen ist es wichtig, den Schülerinnen und Schülern einen guten Unterricht anzubieten, weshalb für sie angesichts von Reformen nicht nur der erwartete Aufwand, sondern auch die erwarteten Folgen für den Unterricht und die Schülerinnen und Schüler eine zentrale Rolle spielen (Förster, 2015).
Modell der Schulentwicklung
Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung sind als «Interventionen» im Rahmen von Schulentwicklung, verstanden als pädagogische Qualitätsentwicklung , mit unterschiedlichem primärem Gegenstand funktional verknüpft über ihren jeweiligen Beitrag zur Zielerreichung (siehe Abbildung 1.1). Das «ultimative» Ziel der Schulentwicklung und jeder Reform sind die Verbesserung der Lernfortschritte und -ergebnisse der Schülerinnen und Schüler, seien es kognitive oder sozial-emotionale (Zielbereich 1). Der Unterricht trägt dazu Wesentliches bei. Einmal die individuellen Voraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler ausser Acht gelassen, unterliegt das, was im Unterricht geschieht und produziert wird, individuellen Bedingungen seitens der unterrichtenden Lehrperson beziehungsweise ihrer professionellen Lehrkompetenz (Zielbereich 2a). Die Kontextfaktoren auf der Ebene der Schule wie das Schulklima oder die Förderung des Fokus auf das eigene Lernen und die Unterrichtsqualität durch die Schulleitung haben, wie oben gezeigt, indirekten Einfluss auf den Unterricht und die Lernergebnisse und können als organisationale Bedingungen angesehen werden (Zielbereich 2c). Nicht zu vernachlässigen ist der Beitrag der materiellen Bedingungen im Unterricht, insbesondere der Lehrmittel (Zielbereich 2b). Mit diesen Materialien ist all das gemeint, was im englischen «curriculum materials» genannt wird: Gegenstände, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler auseinandersetzen, wie sie in Texten und anderen Medien, in Problemen, Aufgaben und Fragen präsentiert werden (Cohen & Ball, 1999). Es ist davon auszugehen, dass sie grosse Bedeutung sowohl für die Unterrichtsprozesse als auch die Lernergebnisse haben (Böttcher & Zala-Mezö, 2015).
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