Andreas Rauscher
Star Wars. 100 Seiten
Reclam
Für mehr Informationen zur 100-Seiten-Reihe:
www.reclam.de/100Seiten
2019 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung nach einem Konzept von zero-media.net
Infografik: annodare GmbH, Agentur für Marketing
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2019
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961506-6
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020553-2
www.reclam.de
Die wichtigsten Star Wars -Filme und -Serien in der Übersicht
Prequel-Trilogie:
Episode I: The Phantom Menace ( Die dunkle Bedrohung , 1999)
Episode II: Attack of the Clones ( Angriff der Klonkrieger , 2002)
Episode III: Revenge of the Sith ( Die Rache der Sith , 2005)
Original-Trilogie:
Episode IV: A New Hope ( Krieg der Sterne , 1977)
Episode V: The Empire Strikes Back ( Das Imperium schlägt zurück , 1980)
Episode VI: Return of the Jedi ( Die Rückkehr der Jedi-Ritter , 1983)
Sequel-Trilogie:
Episode VII: The Force Awakens ( Das Erwachen der Macht , 2015)
Episode VIII: The Last Jedi ( Die letzten Jedi , 2017)
Episode IX: The Rise of Skywalker ( Der Aufstieg Skywalkers , 2019)
Anthology- bzw. A-Star-Wars-Story -Filme:
Rogue One: A Star Wars Story (2016)
Solo: A Star Wars Story (2018)
Serien:
Star Wars: The Clone Wars (seit 2008)
Star Wars Rebels (2014–17)
Star Wars Resistance (seit 2018)
The Mandalorian (seit 2019)
Han Solo im Gefrierfach – Wie alles begann
Die Erinnerung an den ersten Kinobesuch zählt zu den prägendsten Erfahrungen überhaupt. Dass ich Filmwissenschaftler wurde, hat mit einem nachhaltig prägenden Kinobesuch im Sommer 1982 zu tun. Die Begegnung mit Star Wars , der für seine Wiederaufführung den verwirrenden Zusatz Episode IV verpasst bekommen hat, weckte meine Liebe zum Medium. Aus der Begeisterung für die Hintergründe des Films ergab sich später sowohl journalistisch als auch im akademischen Alltag meine Beschäftigung mit dem Kino in all seinen Formen.
Über die popkulturelle Relevanz hinaus funktionieren die Star Wars- Filme für mich auch als künstlerisch interessante Produktionen, und zwar nicht deshalb, weil sie mit der bemühten »So schlecht, dass es schon wieder gut ist«-Rechtfertigung eines schlechten Gewissens bzw. guilty pleasure zu erklären wären.
Der Status als eine der erfolgreichsten Filmreihen aller Zeiten mit einem Marktwert in Milliardenhöhe lässt leicht einen der interessantesten und widersprüchlichsten Aspekte des Franchise in Vergessenheit geraten: Star Wars- Produzent und Ober-Jedi-Meister George Lucas begann seine Laufbahn als Regisseur des rebellischen New Hollywood. Gemeinsam mit einer befreundeten Clique von Filmemachern wollte er in den 1970er Jahren die künstlerische Freiheit der Regisseure gegen das kommerzielle Studio-System durchsetzen. Ironie des Schicksals: Am Ende wurde er selbst zum Wegbereiter des sogenannten Blockbuster-Kinos. Die großen Studios versuchten, dem Erfolg von Star Wars nachzueifern.
Im Sommer 1982 war ich mit acht Jahren bereit, den Hype um George Lucas’ ersten Star Wars -Film zu glauben, der damals noch unter dem Brachial-Pulp versprechenden Titel Krieg der Sterne lief. Mit dem filmischen Universum war ich bereits bestens vertraut. Der Roman zum Film, die im Ehapa-Verlag veröffentlichten Comics und die verschiedenen Spielsachen, die, wie mir meine Eltern später berichteten, eine Explosion der Preise von Plastik-Spielzeug bewirkten, hatten bereits meine Neugier auf den Film geweckt.
Die tatsächliche Kino-Erfahrung eröffnete ein Fenster zu einer imaginären Welt, wie es der Filmtheoretiker Leo Braudy sagen würde. Die Weiten von Tunesien ließen den Wüstenplaneten Tatooine am Rande des Universums glaubhaft genug erscheinen. Die Geschichten um die gefährlichen Tusken Raiders, die vermummten Schrottsammler der Jawas, den angehenden Helden Luke Skywalker, die Roboter R2‑D2 und C‑3PO und den geheimnisvollen Jedi-Ritter Obi-Wan Kenobi setzten wir nach dem Kinobesuch im Sandkasten hinter dem Haus fort. Die Raumschlachten zwischen Rebellen und Imperium wurden mit Hilfe von Wunderkerzen und den X-Wing- und Tie-Fighter-Modellen zur Soundtrack-LP von John Williams nachgespielt. Der Todesstern wurde mit Lego-Bausteinen nachgebaut und bei der entscheidenden Abschlussschlacht wieder zerlegt. Nachdem es die Gefrieranlage, in die Han Solo gegen Ende von The Empire Strikes Back gesteckt wird, nicht als eigenes Spielzeug-Set gab, mussten wir natürlich ein wenig improvisieren: Die Han-Solo-Spielzeugfigur beförderten wir kurzerhand in eine leere Eispackung und steckten sie ins Gefrierfach des Kühlschranks.
Dabei bewegte sich unser improvisiertes Spielszenario gar nicht so weit entfernt vom Vorgehen der Nerds der Trick-Werkstatt Industrial Light & Magic (ILM). Diese plünderten sämtliche Modellbau-Läden und Schrottplätze zwischen der Bay Area von San Francisco und Downtown Los Angeles. Ihre improvisierten Modelle gingen als »Used-Future-Look« in die Filmgeschichte ein.
Überhaupt war der Film eine Fundgrube in Sachen Filmgeschichte: Die Jedi-Ritter waren von den Samurai-Filmen des japanischen Regisseurs Akira Kurosawa inspiriert, dessen Abenteuerfilm Kakushi-toride no san-akunin ( Die verborgene Festung , 1958) die indirekte Vorlage zu A New Hope bildete.
Die Rahmung der Weiten von Tunesien und Tatooine wurde von David Leans Lawrence of Arabia ( Lawrence von Arabien , 1962) geprägt. Die Rückkehr Lukes auf die von imperialen Sturmtruppen zerstörte Farm seiner Verwandten findet sich in einer ganz ähnlichen Einstellung in John Fords Western-Klassiker The Searchers ( Der schwarze Falke , 1956): keine einfallslosen Plagiate, sondern eine ebenso geschickte wie nachhaltige Sensibilisierung für filmische Motivgeschichte.
Die von Ben Burtt entworfenen Soundeffekte ließen das Universum der weit entfernten Galaxis nicht nur auf der akustischen Ebene glaubwürdig erscheinen. Auch die symphonische Filmmusik von John Williams vermittelte Neues, eine erste Vorstellung von Leitmotiv-Techniken. Die Cockpit-Perspektiven der Raumflüge und der Hindernis-Parcours durch die mechanischen Schluchten des Todessterns gaben schließlich eine erste Vorahnung von den Levelstrukturen kommender Videospiele.
Im Lauf der 1980er Jahre hatten die politischen Subtexte der Saga eine beachtliche Eigendynamik angenommen. Ronald Reagan versuchte aus der Bezeichnung seines Waffensystems SDI als Star Wars reaktionäres Kapital aus den Erfolgen der Filme zu schlagen, das der anti-autoritäre George Lucas juristisch zu kontern wusste. Das vermeintliche Evil Empire war nicht, wie von Reagan und anderen Rechtspopulisten vermutet, im Osten zu verorten, sondern konnte in einer dialektischen Volte jederzeit innerhalb der eigenen demokratischen Strukturen entstehen. Im Wahlkampf unserer linken Hochschulgruppe warben wir Ende der 1990er Jahre mit einem Portrait des 900 Jahre alten Jedi-Meisters Yoda für Sympathie gegenüber Langzeitstudierenden und schmuggelten Luke Skywalker mit dem Studienziel Jedi-Ritter auf die Liste der Kandidaten.
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