Erst nachdem die Flensburger Stadtsparkasse in der Nospa aufgegangen war, erfuhr die Öffentlichkeit Scheibchen für Scheibchen, dass die Flensburger Sparkasse einen gigantischen Schuldenberg von 181 Millionen Euro in die Ehe mit der Nospa eingebracht hatte. Nun geriet auch die Nospa in Schieflage. Das Flensburger Stadtparlament, in das nach den Kommunalwahlen eine basisorientierte Bürgerliste „Wir-in-Flensburg“ als stärkste Fraktion eingezogen war, setzte keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein, sondern lediglich eine „Arbeitsgruppe“ unter Vorsitz des frisch gewählten WIF-Stadtpräsidenten Christian Dewanger. Die AG hatte keine Befugnisse, Akteneinsicht einzufordern oder Akteure des Skandals zum Erscheinen vor der Arbeitsgruppe zu zwingen.
Unglaublich: gewählte Vertreter der Flensburger Bürgerschaft, die die legitimen Eigentümer der Sparkasse sind, dürfen keinen Einblick nehmen in die Akten ihrer eigenen Firma!
Den Mitgliedern der Arbeitsgruppe blieb nur übrig, jenen Personen zu danken, die freiwillig zu erscheinen geruhten. Die Amateurpolitiker ließen sich, auf Deutsch gesagt, einseifen. Der Abschlussbericht bringt dafür Verständnis auf, dass Sparkassendirektor Eilts und seine Mitstreiter sich von der Börseneuphorie mitreißen ließen und findet lobende Worte für Oberbürgermeister Tscheuschner, der erst im Amt war, als das Kind schon in den Brunnen gefallen war, nämlich im Jahre 2005. Kein Wort darüber, dass Tscheuschner dann noch gute vier Jahre die heranreifende Erkenntnis, dass die Flensburger Sparkasse gerade untergeht, für sich behalten und die Motive für die Fusion allein mit Synergie-Effekten begründet hat. Die Arbeitsgruppe kam zu folgendem Urteil: „Jedenfalls waren die damaligen Geschäfte mit dem herkömmlichen Geschäft einer Sparkasse, die für die Kreditversorgung des regionalen Mittelstands sorgen soll, allenfalls teilweise zu vereinbaren.“ 10
Ich habe diese Posse aus dem hohen Norden deswegen so ausführlich geschildert, weil man hier sehen kann, wie weit sich Sparkassenchefs von den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Geldwirtschaft entfernt haben; sich quasi nur noch als Artgenossen der Ackermann, Fitschen und Co. von der Deutschen Bank wähnen. Und wie ihnen dieser Größenwahn und Verrat an der Sparkassenidee leicht gemacht wird durch eine Öffentlichkeit, die aufgrund jahrzehntelanger Gehirnwäsche längst vergessen hat, wozu die deutsche Dreiteilung der Wirtschaft eigentlich gut ist. Die Ratsmitglieder aus der Sparkassen-Arbeitsgruppe sind schlicht zu gutmütig, um ihre Bürgerrechte mit einem energischen Faustschlag auf den Tisch zu verteidigen.
Die wackeren Bürgersleut‘ können sich einfach nicht vorstellen, wie abgebrüht und skrupellos die Gegenseite zuschlagen kann. Wie strategisch hier vorgegangen wird: getrennt marschieren, vereint zuschlagen. Das werde ich jetzt in einem weit größer dimensionierten Maßstab aufzeigen.
Genossenschaftsbanken auf der Todesliste der neoliberalen Seilschaften
Wir erfuhren aus den Nachrichten bereits ausführlich, wie es großen öffentlich-rechtlichen Banken ergangen ist. Die WestLB hat das ihr anvertraute Geld unter anderem bei umweltzerstörenden Projekten in der Dritten Welt verloren und ist jetzt von der Bildfläche verschwunden. Die meisten Landesbanken sind im Kern ruiniert und stehen als Förderer der regionalen Wirtschaft nicht länger zur Verfügung.
In ruhigerem Fahrwasser schwimmen bislang noch die Genossenschaftsbanken. Doch auch hier werden die Messer bereits gewetzt. Die Messer kommen diesmal aus der Europäischen Union. Die europäischen Bankenaufsichtsbehörden bekommen nämlich neue Regulierungsinstrumente für die nationalen Kreditinstitute an die Hand. Angeblich möchte man nach den Finanzkatastrophen der letzten Jahre jetzt alles besser machen. Die Banken sollen mehr Einlagen bereithalten im Verhältnis zu den Krediten, die sie gewinnbringend vergeben. Jede noch so unbedeutende Maßnahme einer Bank soll zudem bürokratisch penibel dokumentiert werden. Regelwerke wie Basel II und Basel III geben haarklein vor, wie Banken immer Treu‘ und Redlichkeit üben sollen. 11
Das alles klingt ja recht löblich und ergibt bei privaten, renditeorientierten Bankhäusern durchaus einen Sinn. Leider spielt die europäische Aufsichtsbürokratie blinde Kuh, wenn sie auch öffentlich-rechtliche und genossenschaftliche Banken in dieses neue Regelwerk mit einbezieht. Bei privaten Bankhäusern, die in globalem Maßstab agieren, wo Kredite oft anonym vergeben werden; da ist es recht und billig, die Kredithändler an die kurze Leine zu nehmen. Ganz anders sieht es bei öffentlich-rechtlichen Sparkassen sowie Raiffeisen- und Volksbanken aus. Die Mitarbeiter der Raiffeisenkassen agieren in einer überschaubaren Region, sie kennen ihre Kunden persönlich und werden mit ihnen zusammen älter. Wenn der selbständige Dachdeckermeister Material einkaufen muss für einen Großauftrag, dann wird sein Partner von der Raiffeisenbank nach kurzem Gespräch das nötige Geld schnell bewilligen.
Doch damit, so suggerieren manche Studien, könnte es bald vorbei sein. Wenn die neuen Verordnungen europaweit durchgepeitscht werden, könnte der Verwaltungsaufwand derart zunehmen, dass viele kleine Banken fusionieren müssen, Mitarbeiter entlassen werden und statt Filialen im Dorf nur noch Geldautomaten stehen. Wenn überhaupt. Wo ist da auf lange Sicht noch der Unterschied zu den Direktbanken, die schon jetzt günstigere Konditionen anbieten, da sie ohne Filialen zentral und online ihre Kredite vergeben? Werden Sparkassen, Raiffeisen- und Volksbanken gezwungen, zu anonymen Online-Banken zu mutieren?
Wieder einmal haben sich unsere Volksvertreter einen Tiefschlaf gegönnt. Dabei ist es doch offenkundig, dass wesentliche Filetstücke unserer Lebensqualität, unseres menschlichen Miteinanders, unserer Kultur ohne erkennbare Notwendigkeit auf dem Brüsseler Altar geopfert werden. Warum haben Politiker, die sich ja angeblich für die Belange des Mittelstandes einsetzen, diese administrative Hinrichtung unserer Lebensgrundlagen nicht verhindert? Man hätte sich energisch für eine Gesetzgebung stark machen müssen, die zwischen privaten und öffentlichen Banken Unterschiede kennt.
Das Mitgefühl des Fuchses für das flügellahme Huhn
Die DZ Bank ist in einem schicken futuristischen Hochhauskomplex in Frankfurt am Main untergebracht, eingebettet zwischen bombastischen Wolkenkratzern privater Banken. Die DZ Bank ist sozusagen Herz und Hirn der 900 Genossenschaftsbanken mit 12 000 Filialen in Deutschland. Die DZ Bank vertritt die Kreditgenossenschaften nach außen, stellt internationale Kontakte her, reguliert Geldströme zwischen den einzelnen unabhängigen Genossenschaftsbanken.
Auf der Webseite der DZ Bank findet man allerdings keine Stellungnahmen zu den bedrohlichen neuen EU-Regulierungen öffentlicher Banken. 12Dafür kann man sehr viel über Aktienkurse erfahren, viele beflissene Anglizismen sollen den Stallgeruch einer stinknormalen Universalbank vermitteln. Und dann erfährt man, dass die DZ Bank seit einem extra dafür abgesegneten Bundesgesetz aus dem Jahre 1998 gar keine Genossenschaft mehr ist, sondern eine Aktiengesellschaft! Der Kopf ist sozusagen vom genossenschaftlichen Rumpf abgetrennt. Noch gehören die Aktien der DZ Bank den vielen Genossenschaftsbanken. Ihre Dienstleistungen gewährt die DZ Bank jetzt ihren „Kunden“, den Genossenschaften.
Führungskräfte rekrutiert die DZ Bank nicht mehr allein aus der genossenschaftlichen Szene. So genannte „Headhunter“ – zu Deutsch: Kopfjäger – heuern für eine stolze Provision Banker aus privaten Bankhäusern an. Ob diese Bosse wohl eine innere Beziehung zum Genossenschaftsgedanken entwickeln können und – wollen? Thomas Duhnkrack hat seine Karriere bei der Deutschen Bank begonnen, bevor er zur DZ Bank überwechselte, wo er bis 2009 blieb. Jetzt arbeitet er wieder privat bei der Lloyd Funds AG. Zudem ist Duhnkrack bei der Atlantik-Brücke aufgetaucht. 13Chefvolkswirt der DZ Bank ist Stefan Bielmeier, der 14 Jahre bei der Deutschen Bank arbeitete, bevor er 2010 bei der DZ Bank einstieg.
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