Christina Lee - Love me louder

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Noah ist vom Schicksal gezeichnet. Durch einen Unfall hat er körperliche und emotionale Narben davongetragen und kaum Hoffnung, irgendwann den richtigen Mann fürs Leben zu finden. Lieber zieht er sich von allem zurück, um nicht noch mehr verletzt zu werden. Doch dann wird er zur Verlobungsfeier seines besten Freunds eingeladen und sieht sich in seiner Vorstellung schon einsam und unsichtbar zwischen unzähligen attraktiven Männern stehen. Da kommt ihm die Idee, einen Escort zu engagieren. Unwissentlich fällt seine Wahl auf seinen Kollegen Will, der durch den Zweitjob die Pflege seiner kranken Mutter finanziert. Beide beschließen, einfach als Freunde eine gute Zeit zu haben, aber im Verlauf des Wochenendes lernen sie eine ganz andere Seite des jeweils anderen kennen und entwickeln Gefühle, für die in ihrer Lebensrealität mit ihren Verpflichtungen und Unsicherheiten allerdings kein Platz ist – außer sie kämpfen dafür…

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Kapitel Drei

Noah

Zwischen der Arbeit, dem Fitnessstudio und dem Online–Verkaufsförderungskurs, für den er sich vor Kurzem angemeldet hatte, um auf dem Laufenden zu bleiben, hatte Noah den Escortservice beinahe vergessen. Dann, drei Tage später, teilten Will und er wieder die Schicht im Home and Hearth, aber es dauerte bis zum Abend, bevor Noah sich ein Herz fasste.

Als sie den Laden verließen, hielt er Will auf der Straße an. Er zog die Visitenkarte aus der Tasche und reichte sie ihm. »Äh, hallo. Die hast du neulich fallen lassen und ich, hm, wollte sie dir wiedergeben.«

Noah fiel auf, dass Wills Wangen sich sofort verfärbten, bevor er die Schultern straffte und ihm direkt, beinahe trotzig, oder vielleicht mit etwas Stolz, in die Augen sah.

»Ja, okay. Danke«, erwiderte er und steckte die Karte ein.

Er wandte sich zum Gehen, doch Noah folgte ihm den Bürgersteig entlang und fluchte unterdrückt, weil er auf ein längeres Gespräch gehofft hatte. Aber er hätte es besser wissen sollen, so zurückhaltend, wie Will im Allgemeinen auftrat.

»Warte mal«, sagte Noah. Will blieb so abrupt stehen, dass Noah um ihn herumschlingern musste. »Arbeitest du für die?«

Will zog die Augenbrauen zusammen. »Ja, na und? Wenn es dir darum gehen sollte…« Er deutete mit dem Daumen auf das dunkle Home and Hearth. »Es geht sie nichts an, was ich in meiner Freizeit…«

»Nein, das meinte ich nicht«, stammelte Noah. Er hatte Will einen vollkommen falschen Eindruck vermittelt und musste von vorn anfangen oder Will würde vielleicht nie wieder mit ihm reden. Er sprach ja so schon kaum mit ihm. Aber verdammt, die richtigen Worte zu finden, war gelinde gesagt schwierig. »Ich wollte nur…«

Will sah auf seine Füße, dann trat er gegen einen umherliegenden Stein. »Was willst du, Noah?«

»Ich wollte nur wissen, ob… ob das eine gute Agentur ist… weil ich…«

»Suchst du nach einem neuen Job?«, fragte Will mit hochgezogener Augenbraue.

Machte Will sich lustig über ihn? Noahs Gesicht wurde heiß.

»Nein.« Er deutete auf sich. »Ich meine, willst du mich verarschen?«

Es sollte selbstironisch wirken, doch Will schien das nicht zu begreifen. Irgendwie war Noah dankbar für den kurzen Augenblick, in dem Will ihn von oben bis unten musterte. Es erinnerte ihn daran, dass den meisten Menschen seine Narben nicht sofort ins Auge fielen, und es gefiel ihm, mit der breiten Masse zu verschmelzen, wenn es um seinen Körper ging.

Abgesehen davon wäre er auch ohne seine Narben niemals als Escort durchgegangen. Er war bestenfalls Mittelmaß. Weder war er besonders groß noch waren seine Muskeln der Rede wert. Nie war ihm das klarer gewesen als in diesem Moment, in dem er vor Will stand, der groß, sportlich und gut aussehend war und leicht als Laufstegmodel durchgegangen wäre. Und angesichts der Stadt, in der sie lebten, war das gar nicht weit hergeholt.

Will verschränkte die Arme. Offensichtlich wartete er darauf, dass Noah die Sprache wiederfand.

»Ich frage nur, weil ich da diesen Freund habe… Der muss demnächst zu einer Veranstaltung und er überlegt, einen Escort anzuheuern…«

»Einen Freund, ja?«, erwiderte Will. Er versuchte merklich, sein Grinsen zu verbergen. Noah sah zu Boden, unfähig, ihm in die Augen zu sehen. »Es ist eine seriöse Agentur. Ich hatte nie irgendwelche Schwierigkeiten, falls dir das hilft.«

Noah wollte eine Menge Fragen über Sex und Erwartungen stellen, aber er hielt sich zurück. Damit würde er sich verraten. Zudem hatte er nicht den Eindruck, dass Will scharf auf, über mehr als die Basics zu sprechen. Dadurch ging ihm auf, wie wenig er über seinen Kollegen wusste. War dies der Grund, warum Will nie mitkam, wenn einige von ihnen im Chauncey's um die Ecke einen trinken gingen? War er zu beschämt, zu stolz, zu… beschäftigt?

Der Gedanke, dass Will ein Escort war, ließ Noah schaudern. Alleine die Vorstellung, dass er vielleicht sogar heute Abend eine Kundin treffen würde... Bezauberte er sie mit seinem Aussehen, mit Worten oder seinem Körper? Noah war inzwischen mehr als neugierig, doch es ging ihn wirklich nichts an.

»Okay, cool.« Er stieß die Luft aus, froh, dass das Gespräch endlich ins Rollen gekommen war. Er wusste nicht, wie lange er es noch ertragen konnte, sich vor Will verlegen zu winden. »Ehrlich gesagt habe ich mich neulich abends mal auf der Website umgeschaut und gemerkt, dass es einen Bereich für Schwule gibt. Daher dachte ich, das wäre okay für… meinen Freund…«

Gott. Noah stand offen dazu, wer er war. Insofern erzählte er Will vermutlich nichts Neues. Aber der Versuch, sein persönliches Interesse an der Escort–Agentur zu verbergen, war im besten Fall albern.

»Ja, sie bieten ganz klar auch einen Service für gleichgeschlechtliche Interessen an.« Will kratzte sich abwesend am Kopf, als dächte er über seine Darstellung nach. »Allerdings ist dein Freund vielleicht mit einer ausschließlich auf Schwule spezialisierten Agentur besser dran. Zum Beispiel gibt es da eine namens Queer in the City… Ich glaube, so heißt sie.«

»Oh, ähm, okay… Danke für den Tipp. Ich werde es ihn wissen lassen«, sagte Noah. Er war immer noch nicht in der Lage, Will richtig anzuschauen. »Hey, könntest du bitte nicht…« Seine Stimme brach, als er zum Home and Hearth hinüberschielte. Es lag immer noch so dunkel und verlassen da wie beim letzten Mal, als er sich danach umgesehen hatte.

Will verdrehte die Augen. »Ich weiß, wie man sich diskret verhält, falls du das noch nicht bemerkt hast.«

»Ja… ja klar. Entschuldige.« Verlegen bedankte sich Noah und flüchtete die Straße entlang.

Als er zu Hause ankam, holte er einen Becher Eis aus dem Kühlschrank, dazu ein bisschen Aufschnitt für ein Sandwich. Nachdem er sein Abendessen heruntergeschlungen hatte, setzte er sich mit einem Löffel und dem Becher Cookies N' Cream auf die Couch. Statt das Eis in eine der neuen Schüsseln zu füllen, die er letzte Woche begeistert bei Pottery Barn gekauft hatte, öffnete er die Dose.

Wortlos verfluchte er Will für dessen perfektes Haar, Lippen und Körper. Bestimmt hatte er den Escortservice nicht nötig, um an ein Date zu kommen. Manche Menschen mussten einfach mehr darum kämpfen, vermutete Noah. Manche Menschen trugen auch keine Narben an dreißig Prozent ihres Körpers spazieren.

Plötzlich fühlte er sich schrecklich unwohl, auch wenn er allein in seiner Wohnung war. Er stellte sich Arm in Arm mit einem wunderschönen, unerreichbaren Escort vor und ihm wurde speiübel. Mit den Bauchmuskeln oder ihrem Trainingspensum wollte er gar nicht erst anfangen, da er gerade das Nötigste tat.

Zugegenermaßen entdeckte er seit einer Umstellung seines Trainingsplans ein wenig mehr Masse an seinen Armen und Schultern, vielleicht sogar im Rücken. Dennoch nahm er es lieber auf sich, zehn Blocks weit zu laufen, statt im Fitnessstudio um die Ecke Gewichte zu stemmen, wo die Männer all die heißen Kerle beäugten. Die Geschichte seines Lebens.

Zudem wollte er in der Lage sein, irgendwie eine Verbindung zu einem möglichen Escort aufzubauen, verdammt noch mal. Er hoffte, sie würden angeregte Gespräche führen, über dieselben Dinge lachen und eine gewisse Basis finden, wenn sie schon das ganze Wochenende miteinander verbringen würden. Verflixt, das fühlte sich mehr und mehr nach einer miesen Idee an.

Eine halbe Stunde später entschied Noah dennoch, das Telefon zur Hand zu nehmen und bei Gotham City Escorts anzurufen, statt sie online zu kontaktieren. Und während er mit der netten, geduldigen Dame sprach, die seinen Anruf entgegengenommen hatte, fühlte er sich allmählich besser. Vor lauter Panik hatte er ihr seinen zweiten Vornamen, James, genannt, aber er schätzte, das konnte er dem Escort erklären, sobald sie sich erst einmal unterhielten.

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