Manche Geschichten mögen etwas übertrieben klingen, aber sie sind alle wahr. Selbst auf die Gefahr hin, dass eine Suche wie die andere klingt, ist jede für sich einzigartig und etwas Besonderes, denn es geht immer um ein Tier, das mit großen Schmerzen und Leid alleine in irgendeiner Dickung qualvoll sterben muss – oder noch schlimmer, nicht sterben kann.
Ich schreibe meine Erfahrungen und Erlebnisse auf, nicht weil ich ein Buch schreiben oder den Finger heben will, sondern weil ich zum Glück die Gabe habe, einen Hund so auszubilden, dass er unter extremen Bedingungen seine Fährte halten kann und wir beide als „Gefährten“ im Auftrag des Tierschutzes arbeiten. Nichts anderes treibt mich an als die Achtung vor der Kreatur und Weidgerechtigkeit!
Ein sehr kluger Mann, den ich nicht persönlich kenne, aber sehr schätze, sagte einmal: „Um ein Amt brauchst du dich nicht bewerben, es kommt auf dich zu!“ So ist dieses Amt auf mich zugekommen, nicht, weil ich mich darum beworben hätte, nein, einfach so. Jeder von uns hat eine Einzigartigkeit, und jeder hat ein Talent. Es liegt an jedem selbst, sein Talent herauszufinden und es zu fördern. Nicht was wir beruflich tun, spielt eine Rolle im Leben, sondern nur das, was wir aus freiem Antrieb tun, aus Überzeugung. Das Leben wird durch ein Wertesystem, ein Ethos bestimmt. Ich habe das Glück, so von meinem Wertesystem überzeugt zu sein, dass ich es auch lebe.
Ich bin nichts Besonderes, einfach nur einer von Ihnen. Auf jeden Fall ist eines meiner Talente der Hund, ich bin ein Rudelführer, der keine Worte braucht, um mit Hunden zu sprechen.
Ich werde Ihnen Geschichten erzählen, die ich mit meinem HS-Rüden Orgo in vielen Revieren erlebt habe, ich werde aber auch Tipps geben, wie Sie mit Ihrem Hund arbeiten können. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, welche Rasse Sie führen: Jeder von Ihnen, egal ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, kann einen Hund ausbilden, wie Sie ihn haben wollen, Sie brauchen nur GEDULD!
Damit meine ich nicht, dem Hund irgendwelche Kunststücke beizubringen, nein, ausbilden bedeutet zusammenzuwachsen, sich zu vertrauen.
Sollte mir entgegengehalten werden, dass ein Buch niemals die Praxis ersetzen kann, so kann ich dem nur zustimmen. Aber mit meinen Erfahrungen möchte ich jene unterstützen, die bereits einen Welpen haben und sich manchmal fragen, ob sie alles richtig machen oder ob es auch andere Ansätze und Möglichkeiten gibt, seinen künftigen Nachsuchenhund bestmöglich auszubilden. Und für jene, die mit dem Gedanken spielen, sich einen Welpen zuzulegen oder Nachsuchenführer zu werden, kann es ein erster Einblick und eine Hilfe und Stütze sein.
Eines jedoch kann es auf jeden Fall: Mein Buch erzählt von der Praxis, und lernen kann man auch aus der Erfahrung und aus der Praxis anderer! Und es zeigt hoffentlich eindrucksvoll, dass die Ausbildung eines Nachsuchenhundes/Schweißhundes etwas völlig anderes ist als die eines Hühnerhundes.
In diesem Buch steckt unendlich viel Zeit, nehmen Sie sich die Zeit, um es aufmerksam zu lesen. Ohne meine Familie, meine beiden Jungs und meine Frau, die mir immer den Rücken freigehalten haben, damit ich seit Jahrzehnten meine Berufung leben darf, würde es dieses Buch nicht geben.
„Im Leben gibt es zwei Dinge, die man nicht vorhersagen kann, wie sie enden: eine Nachsuche und eine Ehe!“
Helmut Schock-Huber
Merkendorf, Sommer 2020
Die gerechte Ausbildung und Führung eines Schweißhundes
Was bedeutet eigentlich „gerechte Ausbildung?“ Ich verstehe im überlieferten Sinn darunter die artgerechte Führung eines Hundes, der intensiv als Jagdhund eingesetzt wird. Ein guter Jagdhund ist einer, der gesund ernährt wird, einer, der „sportlich“ topfit ist, einer, der auch mal in einer Winternacht nicht vor dem Ofen liegt, einer, der seinem Instinkt folgen kann, einer, der einen ausgeprägten Beutetrieb und Finderwillen hat, und einer, der scharf und anhaltend stellt. Vieles bringt er bereits bei seiner Geburt mit, das muss ich nur aus ihm herauslocken und fördern. Für das Übrige, wie Gesundheit, Sport und Vertrauen zueinander, bin ich verantwortlich.
Das erwartet Sie als Nachsuchenführer
Wenn Wild von einem Jäger angeschossen wird, so ist dieser verpflichtet, eine Nachsuche zu veranlassen, d. h. das Wild im Idealfall mithilfe eines Hundeführers mit einem gut ausgebildeten Nachsuchenhund zu verfolgen, zu finden und zur Strecke zu bringen. Ziel ist es, das verletzte Wild vor langem Leiden zu bewahren und möglichst rasch zu erlösen. Es geht aber auch um die Bergung von bereits verendetem Wild. Jagdgesetze sind zwar Ländersache und variieren von Bundesland zu Bundesland (egal ob in Deutschland oder Österreich), die Verpflichtung (bzw. das Gebot) für den Jäger zur Nachsuche ist jedoch überall enthalten.
In Deutschland gibt es den Begriff „anerkannter Nachsuchenführer“, in Österreich sind es die „Jagdgebrauchshundeführer“, die im Ehrenamt mit ihren ausgebildeten und vom jeweiligen Jagdhundeverband geprüften Hunden verletztes Wild suchen und tierschutzgerecht von seinem Leid erlösen. Und wie das so bei Ehrenämtern ist: Ohne Ihre absolute Begeisterung für die Sache brauchen Sie erst gar nicht mit dem Gedanken spielen, Nachsuchenführer zu werden.
Nachsuche – dieses Wort ist ein recht allgemeiner Begriff, der jedoch verschiedenste Facetten haben kann. Die Nachsuchen, die ich durchführe und in diesem Buch beschreibe, sind meistens solche auf Wildschweine und auf Rotwild. Manche Nachsuchen sind einfach, und das verwundete Wild ist bald gefunden. Es gibt aber auch immer wieder erschwerte Nachsuchen, und zwar meist, wenn es um Sauen geht. Diese sind das einzige wirklich wehrhafte Wild in Europa, und zwar besonders dann, wenn sie verletzt sind! Das kann nicht nur für Ihren Hund gefährlich werden, sondern auch für Sie!
Extrem lange dauernde Nachsuchen durch Dickicht und Dornengestrüpp können Sie als Nachsuchenführer schon mal an die Grenzen Ihrer physischen Leistungsfähigkeit bringen! Und vergessen Sie nicht, selbst nach solchen physischen Anstrengungen müssen Sie psychisch noch in der Lage sein, das leidende Tier zu erlösen bzw. im schlimmsten Fall mit einer annehmenden Sau zu kämpfen!
Als Nachsuchenführer bzw. Jagdgebrauchshundeführer in einer Gebirgsregion werden Sie zwar nicht das Problem mit Sauen haben (zumindest nicht häufig), bei Ihnen können jedoch andere Umstände zu erschwerten Nachsuchen führen: Kilometerlange Märsche bergauf und bergab, steiles oder gar felsiges Gelände oder auch extreme Wetterverhältnisse wie meterhoher Schnee oder plötzlich einsetzender Nebel u. Ä. sind für Gebirgsjäger Herausforderungen, die eine Nachsuche enorm erschweren können.
Wo Sie auch leben und jagen: Auf keinen Fall dürfen Sie sich diese zukünftige Aufgabe zu leicht vorstellen. Nachsuche bedeutet meistens nicht nur schnell 100 Meter im Wald für einen Freund ein angeschossenes Stück Wild zu suchen, um mehr oder weniger Bergehilfe zu leisten. Nachsuche kann auch oft totale Erschöpfung bedeuten. Kilometerlanges Durchschlagen in unwegsamem Gelände, durchgeschwitzte Klamotten, zerfetzte Jacken sind keine Seltenheit. Manchmal ist Ihr Gesicht wochenlang dornenzerkratzt, und Ihre Frau schämt sich, wenn sie mit Ihnen irgendwo hingehen will. Manchmal müssen Sie sogar mit Verletzungen oder Blutergüssen am ganzen Körper rechnen, weil Sie in steilem Gelände gestürzt sind oder ein Wildschwein Sie überrascht und durch die Büsche geworfen hat.
Nachsuchenführer zu sein kann Streit und Ärger mit Ihrer Frau bedeuten, weil Sie nie sagen können, wann Sie wieder nach Hause kommen. Und bedenken Sie bitte: Ein guter Nachsuchenführer wird zu vielen Nachsuchen gerufen werden!
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