Felix Faber - Merkel ist tot
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1. Die russische Azubine
„Die Königin ist tot! Die Königin ist tot!“ Die Stimme der Tagesschau-Sprecherin klang schrill wie eine Sirene. „Die Königin ist tot! Die Königin ist tot!“ Auch andere Sendungen unterbrachen ihr Programm, um die Sensation zu verkünden: „Die Königin ist tot! Die Königin ist tot!“ Radiosprecher, Online-Redakteure, Videoblogger – sie alle stotterten und stammelten den immer selben Satz: „Die Königin ist tot!“
Während sich die Nachricht auf sämtlichen Kanälen, Bildschirmen und Netzwerken als Eilmeldung verbreitete, strömten schluchzende Menschen im ganzen Land auf die Straßen. Unbescholtene Bürger, königstreue Merkel-Fans, lammfromme Untertanen. Manche krochen aus Gullydeckeln hervor, andere sprangen von Laternenmasten herunter, um sich mit strammen Gleichschritt in die kilometerlangen Aufmärsche einzureihen.
Keine Stacheldrahtsperre konnte die schluchzenden Massen aufhalten, kein „Hier gibt’s Freibier“-Ausschank, und auch keine Bannmeile. Eine besonders laut schluchzende Menschenansammlung bildete sich vor dem Berliner Reichstag. Blöd-TV hatte einen Helikopter gechartert und zeigte verwackelte Aufnahmen aus der Vogelperspektive. Und siehe da: Die Menschen hatten sich rautenförmig zusammen gerottet.
Flankiert vom Sturmgeläut der Kirchen und einer anonymen Gartenzwerg-Armada, verstopften die Trauermärsche bald nicht nur die Straßen in den Innenstädten, sondern auch im Umland und in den Dörfern. Nix ging mehr. Funknetze brachen zusammen, Smartphones explodierten. Deutschland versank in einem gigantischen Gewimmel und in kollektiver Betroffenheit. Anfangs sprach die Polizei von 83 Millionen Teilnehmern, später sprach sie von 670 Millionen Teilnehmern, was unter Verschwörungstheoretikern sogleich wilde Spekulationen entfachte, hatte die Königin doch gerade erst ihren 67 Geburtstag gefeiert. Wo kam die Null her?
Aus aller Welt flatterten derweil Beileidsbekundungen in die Regierungszentrale.
Der amerikanische Präsident sagte: „Sie war wie eine Colaflasche. Mal Glas, mal Plastik. Am Ende: leer.“
Der Staatspräsident der Volksrepublik China sagte: „Obwohl wir immer zwei Dutzend Dolmetscher dabei hatten, habe ich sie nie richtig verstanden. Auch akustisch nicht.“
Der russische Präsident sagte: „Bravo! Unter ihrer Regentschaft verstummte die Opposition. Sie war eine willige Putin-Azubine. Ich werde sie vermissen.“
Der britische Premierminister sagte: „Du hast den Brexit erst möglich gemacht. Danke, Darling.“
Was man zweifelsohne über die tote Königin sagen kann, ist dies: Sie war die am meisten unterschätzte Politikerin des Landes. Selbst ihr politischer Ziehvater, ein schwarzer Riese mit Machtinstinkt, unterschätzte sie kolossal. Sie schrumpfte große Männer auf Zwergenformat. Oettinger? Röttgen? Guttenberg? Koch? Merz? Vergessen und versenkt. Auch Landesfürst Markus Söder, der noch immer auf Rache sinnt, wurde eiskalt abserviert.
Sie war eine Frau mit Pokerface und Beißreflex. Sie beherrschte den Wadenbiss, den Kreuzbiss und den Genickbiss. Der Wadenbiss war ein Warnbiss, er sollte das Opfer einschüchtern. Der Kreuzbiss sollte das Opfer in die Flucht schlagen. Der Genickbiss sollte das Opfer möglichst geräuschlos und für immer von der politischen Bühne entfernen. Alle ihre Bisse verströmten das Gift einer Königskobra. Im Grunde war sie also eine Kopie von Helmut Kohl, nur ohne Krawatte.
In der Öffentlichkeit zelebrierte sie sich gern als bodenständig und bürgernah.
Sie brauche keinen Butler, sagte sie gern, um Butter aufs Brot zu Schmieren. In Wahrheit bewohnte sie in Templin in der Uckermark einen raffiniert versteckten Königspalast, ähnlich groß wie Putins Palast am Schwarzen Meer. Zur Ausstattung gehörten nicht nur 133 Privatgemächer, sondern auch eine weltweit einzigartige Sammlung vergoldeter Klobürsten, eine königliche Hofschneiderei für Hosenanzüge, ein abhörsicherer Daumenschraubensalon, ein Emergency Room für Notfallbegattungen, ein Tresorraum für Schweizer Allerlei, eine Opiumhöhle mit belüfteten Aschenbechern, ein Kiosk für Heimtierbedarf sowie eine alpenländisch möblierte Zirbelstube mit atombetriebener Abschussrampe für in Ungnade gefallene Staatsgäste.
Den Abschussmechanismus konnte sie mit einem einzigen Wimpernschlag via Bewegungsmelder aktivieren. Die ausgewählte Person wurde dann mit einem „Olaf Scholz-Wumms“ auf den Mond geschossen. Der Abschussmechanismus soll laut Insidern fast täglich aktiviert worden sein. Will die neue Regierung den Weltfrieden nicht ernsthaft gefährden, wird sie über eine schnelle, unbürokratische Rückführung der ins All geschossenen Staatsgäste sowie eine großzügige Schmerzensgeldzahlung nachdenken müssen.
Die Königin von Deutschland hatte all die Jahre einen Knochenjob, keine Frage. Aber wenn sie von der Arbeit nachhause kam, sangen 99 Eunuchen zur Begrüßung die Wagner-Arie „Oh du, mein holder Abendstern“. Muskelmänner in pinkfarbenen Tangas wedelten mit Palmblättern, Muskelmänner in goldfarbenen Tangas massierten ihre Ohren und ihre Füße. Sie liebte Trinkgelage und Gladiatorenkämpfe, meistens fanden sie in einem trockengelegten Haifischbecken unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
In Vollmondnächten wurde sie sentimental. Dann nahm sie den Telefonhörer in die Hand und wählte die Nummer ihrer besten Freundin, also ihre eigene Nummer. Oder sie trottete die Wendeltreppe ins Turmzimmer hinauf, zog einen mit Hammer und Sichel geschmückten Dokumentenordner aus dem Regal, öffnete ihn und begann, in den von ihr allesamt selbst verfassten Stasi-Berichten zu stöbern. Oder sie läutete die Glocke und ließ sich vom Stallknecht zu einer nächtlichen Schlittenfahrt abholen. Vorne am Schlitten blitzte ein Mercedes-Stern. Bevor die Fahrt begann, musste der Stallknecht den Witz erzählen: „Treffen sich zwei Elchtestfahrer. Gehen wir einen kippen?“
Ja, sie hatte eine Automechanikerlehre erfolgreich abgeschlossen. Und sie hatte den feministisch korrekten Hofknicks im Bundeskanzleramt eingeführt. Aber sonst? Okay, sie leitete die beste Regierung, die man für Geld kaufen kann. Sie regierte länger als alle ihre Vorgänger. Und sie lud sehr gern zu Gipfeltreffen ein. Autogipfel, EU-Gipfel, Klimagipfel, Corona-Gipfel, Schrumpfgermanengipfel. Sie war die Königin der Gipfeltreffen. Meistens tauschte sie auf diesen Treffen geheime Glückskekse-Rezepte aus und fuhr dann wieder nachhause.
Sie etablierte das Staatsversagen als Normalität.
Kurz nach ihrer Krönungsmesse, bei der sie eine Thronrede hielt, die auf Blöd-TV live übertragen und simultan ins Westfriesische und Ostfränkische übersetzt wurde, galt sie vielen Auguren als politische Aufsteigerin des Jahrzehnts. Anfangs bereiste sie ihr Reich noch mit einem antiken Streitwagen, den sie von Ben Hur geschenkt bekommen hatte und der von einem Gespann höllisch knatternder Motorräder gezogen wurde. Ihre dazugehörige Dienstkleidung – Bronzehelm, Kettenhemd, Wurfspeer – stammte von einem Kreuzberger Kostümverleih. Später, mit nachlassender Frauenpower, ließ sie sich in einer hydraulisch gefederten Sänfte mit Minibar durchs Land schaukeln und winkte apathisch in die Menge. Wer die Sänfte schaukelte, war ihr ziemlich egal. Irgendwann war es ihr sogar egal, wohin die Sänfte geschaukelt wurde. Sie genoss den herrlichen Tunnelblick durch das getönte Panzerglas – und gut war’s.
Als schließlich das römisch-germanische Merkel-Imperium, zu dem auch extraterrestrische Satellitenstaaten zählten, zusammenkrachte wie die Twin Towers und von einer riesigen Staubwolke begraben wurde, tauchte sie über einen labyrinthischen Geheimgang in ihre unterirdische Aquadisco ab. Dort legte sie ein paar Evergreens auf den Plattenteller und kraulte ihrer Lieblingskatze Vladimir den Schwanz. War dies nun ein Taliban-Moment oder ein Oggersheim-Moment?
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