Die Forschung läuft auf Hochtouren. Und ähnlich wie bei der AIDS-Forschung drängt die Zeit. Auch wenn fast monatlich von Fortschritten (aber auch enttäuschten Hoffnungen) berichtet wird, bedeutet das nicht, dass in absehbarer Zeit ein Heilmittel verfügbar sein wird.
Eine Demenz ist in erster Linie durch einschneidende, erst irritierende und ärgerliche, bald frustrierende, dann schmerzliche kognitive Einbußen gekennzeichnet, d. h. durch Beeinträchtigungen im Bereich von Wahrnehmen und Erkennen, Erfassen und Begreifen, Verstehen und Denken, Behalten und Erinnern, Vorstellen und Planen. Schon der irische Schriftsteller Jonathan Swift (1667–1745) schildert in dem bekannten Roman „Gullivers Reisen“ solche Symptome: So hört der Protagonist Lemuel Gulliver während seines Besuches der Insel Luggnagg von den unsterblichen „Struldbrugs“, die ab dem 80. Lebensjahr als Tote betrachtet werden. Sie vergessen im hohen Alter alle möglichen Bezeichnungen und Namen und können kein Gespräch mehr führen.
12
Nach heutigem Stand der Wissenschaft gibt es für den typischen Demenzkranken keinen Weg mehr zurück in die Normalität, in den Alltag von routinierten Gepflogenheiten und vertrauten Gewohnheiten, erst recht keine Weiterentwicklung in kreativ-schöpferisches Neuland. Schritt für Schritt und unaufhaltsam vermindern sich die wichtigsten Potenziale des Verstandes: Konzentration, Aufmerksamkeit, Interesse, Neugier, Anteilnahme, Verständnis, Gedächtnis und Orientierung.
Während von anderen psychischen Krankheiten Betroffene sich meist nur eine Zeit lang in eine verfremdete, vielleicht beängstigende oder bedrückende Erfahrungswelt verirren, ehe sie wieder in ihren normalen Lebensrhythmus zurückfinden, gerät der Demente in eine sich immer stärker verengende geistige Sackgasse. Anders als bei anderen psychischen Erkrankungen ist er mit dem verhängnisvollen Fortschreiten der Demenz auch immer weniger in der Lage zu begreifen, welch schweres Schicksal ihm zuteil wurde. Ohne Aussicht auf eine Umkehr verarmt und verkümmert das reiche Kapital, das eine Persönlichkeit in all ihren Facetten ausmacht. Der einst womöglich intellektuell brillante, tatkräftige und erfolgreiche Mensch entwickelt sich quasi zurück zum hilflosen Säugling, der am Ende rundum gepflegt werden muss.
Demenzpatienten verlieren unwiderruflich die Welt, ehe sie ihr selbst verloren gehen. Diesen schrittweisen Abschied menschenwürdig zu begleiten, ist eine hochrangige Aufgabe einer humanen Zivilgesellschaft – wie überhaupt der Umgang mit den Schwächsten ihrer Mitglieder, den Kindern, Alten, Kranken und Leidenden.
Merksatz
Die Zunahme demenzieller Störungen während der letzten Jahrzehnte ist unverkennbar. Bis zum Jahr 2050 wird sich deren Anzahl voraussichtlich nochmals verdoppeln, was enorme gesundheitspolitische Anstrengungen und einschneidende gesellschaftliche Anpassungen erforderlich machen wird. In Europa werden dann ca. 15 Millionen Demenzkranke leben.
Literatur
Füsgen, I. (2001): Demenz. 4. Aufl. Urban & Vogel, München
Kastner, U., Löbach, R. (2007): Handbuch Demenz. Urban & Fischer, München
Mahlberg, R., Gutzmann, H. (2009): Demenzerkrankungen. Deutscher Ärzte-
verlag, Berlin
13
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.