Der Amerikaner Robert Mapplethorpe (1946-1989) galt als Kulturfotograf der 1980er Jahre. Er arbeitete u.a. mit Porträts, Blumenstilleben und Körperstudien. (vgl. Koetzle 2017). Seine Arbeiten wurden als Provokation wahrgenommen:
„Das eigentlich Schockierende bestand dann in der formal perfekten Inszenierung von Praktiken, zu der auch S & M und Bondage gehörten. Er bediente sich der Ikonographie des Pornos und zelebrierte mit höchstem fotografischem Raffinement: eine beißende Synthese.“ (Stepan 2008, S. 145)
Die umstrittenen Bilder des Fotografen zeigten explizite Männerakte, erotisch aufgeladene Blumenstudien, Totenschädel, einen Zyklus über die erste Weltmeisterin im Frauen-Bodybuilding, sowie Portraits und Selbstbildnisse des Künstlers (vgl. Mapplethorpe 1983). Besonders viel Empörung haben seine Aufnahmen männlicher Geschlechtsteile ausgelöst. Derartige Bilder wurden als pornografische Provokation wahrgenommen.
Der vielfach ausgezeichnete Dokumentarfotograf und Kriegsberichterstatter James Nachtwey wurde 1948 geboren und hat „als unerbittlicher Schilderer internationaler Kriege und Konflikte“ (Koetzle 2017, S. 418) weltweit Aufnahmen vom Leid der Menschen in den Krisenregionen gemacht. Er hat u.a. aus Rumänien, Nord-Irland, Israel, Tschetschenien, Bosnien, Ruanda, Zaire, Somalia und dem Sudan berichtet, Bilder von Hungernden, Verstümmelten und Toten sowie deren Angehörigen gezeigt. Er war bei Kampfhandlungen dabei und hat Hinrichtungen fotografiert. Seine Aufnahmen zeigen weiterhin Gefängnisinsassen, Aids-Kranke und Umweltverschmutzungen. Bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 war er Augenzeuge und bei den Rettungsarbeiten am Ground Zero dabei. Er wurde im Irakkrieg 2003 selbst schwer verwundet (vgl. Funk 1997). Seine Arbeiten, die u.a. in GEO, dem STERN, TIME, LIFE und NATIONAL GEOGRAPHIC, aber auch in Fotobänden erschienen sind, dokumentieren das Mitgefühl mit den Opfern von Kriegen und Armut. Sie verfolgen den Anspruch als Anti-Kriegsbilder in Erscheinung zu treten (vgl. Koetzle 2017).
Tod, Sexualität, Armut, Gewalt und Religion gehören zu den Themen die der 1950 geborene US-amerikanische Fotokünstler Andres Serrano, der als Maler und Bildhauer gearbeitet hat, in seinen Arbeiten aufgreift. Er verwendet dafür Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin und Sperma und hat Bilder von verstorbenen Menschen aus dem Leichenschauhaus vorgelegt. Das Einverständnis der zuständigen Gerichtsmediziner lag zwar vor. Die Verstorbenen und Angehörigen haben die Erstellung und Veröffentlichung dieser Fotos jedoch nicht autorisiert. Die Identität der Toten ist auf den Aufnahmen nicht zu erkennen.
„Viele Fotografien zeigen eine Konzentration auf Körperöffnungen: Augen, Ohren, Mund, Wunden. Oft sind es auch Teile des Körpers, die mit der Todesursache in Verbindung stehen. Eine Folge davon ist, dass es sich meist um extreme Nahaufnahmen handelt. So lenkt Serrano den Blick der Betrachtenden weniger auf die abgebildeten toten Menschen als Individuen, als auf deren Todesursache und deren Sterben. Dabei hat Andres Serrano nicht die Absicht zu schockieren.“ (Guthmann 2002)
Neben Bildern aus der Pathologie hat der Fotograf Aufnahmen von Obdachlosen publiziert und Plattencover der Band Metallica gestaltet. Zu den Werken von Serrano gehört die Aufnahme Piss Christ aus dem Jahr 1987, in der ein Kruzifix in einem mit Urin gefüllten Plexiglas präsentiert wird. Es gab Proteste aus dem Kreis der Kirche und von zwei amerikanischen Senatoren (vgl. Koetzle 2017).
Skurrile Urlaubs-, Konsum- und Freizeitszenen mit komischen Elementen in grellen Farben gehören zu den Motiven des im Jahr 1952 geborenen Fotografen Martin Parr, der Mitglied der renommierten MAGNUM-Fotoagentur ist (vgl. Koetzle 2017). Er zeigt u.a. gut genährte Familien in England beim Sonnenbaden am Strand und beim Verzehr fettiger Speisen.
„Von Empfängen der Aristokratie bis zur Würstchenbude flaniert er durch die verschiedensten Lebenswelten. […] Das Rot der Sonnenbrände kommt Parr zu Passe, um die Farben von Leibern, Handtüchern und Meer ins Unwirkliche zu steigern.“ (Stepan 2008, S. 161)
Parr hält das Hässliche und geschmackliche Entgleisungen im Bild fest. Er zeigt seine Eindrücke des Massenkonsums und folgt nicht dem gängigen Muster der Verschönerung durch Retusche derartiger Motive. Seine Aufnahmen können als Sozialkritik interpretiert werden. Kritiker werfen ihm vor, dass sein Fotostil zu provokant sei und er sich über die von ihm in peinlichen Alltagssituationen fotografierten Menschen lustig mache. Insofern stellt sich die Frage, ob die von Parr aufgenommenen Personen damit einverstanden sind, dass deren Fotos veröffentlicht werden.
Die 1952 in Paris geborene Fotografin Bettina Rheims hat in der Werbung, der Musik- und Filmbranche, der Modefotografie sowie als Fotomodell gearbeitet, aber auch Aktporträts, Bilder von Stripperinnen, Akrobaten, Transsexuellen und androgynen Jugendlichen vorgelegt. Ihre Arbeiten, die an erotische Aufnahmen von Helmut Newton und Robert Mapplethorpe erinnern, provozieren, sind verstörend, werden als Tabubruch und vulgär klassifiziert. Geschlechtliche Identität wird ebenso thematisiert wie der Exhibitionismus und Voyeurismus. Die Bilder von Rheims erschienen in großen Magazinen wie ELLE und PARIS MATCH und wurden u.a. im Deutschen Historischen Museum in Berlin ausgestellt (vgl. Kienzle 2017).
Die 1954 geborene Künstlerin Cindy Sherman hat sich in ihrer Performance selbst ins Bild gerückt. Sie setzt sich aus einer feministischen Perspektive konzeptionell mit Aspekten der Identität, Inszenierung, Körperlichkeit und Sexualität im Rahmen ihrer Fotoserien auseinander, die medien- und kulturkritisch interpretiert werden. Dabei zeigt sie weibliche Stereotypen und Klischees gängiger Frauenbilder u.a. als Sexsymbol und Opfer auf. Im Rahmen fotografischer Selbstportraits schlüpft sie in unterschiedliche Kostüme und nutzt dabei Masken, Schminke und Perücken, die Entfremdungseffekte erzielen. Insofern verfügt sie bei jeder Aufnahme über ein anderes Aussehen. In Arbeiten, die durch den Einsatz von Prothesen und Schaufensterpuppen sexuelle Handlungen simulierten, wurden Schockeffekte erzeugt, die Kritik hervorgerufen haben.
„Shermans Spiel mit kollektiven Mythen und Stereotypenlenkt die Aufmerksamkeit der Betrachterinnen (ebenso wie der Betrachter) auf ihre wirklichkeitskonstituierende Funktion, eingebaute Irritationsmomente lösen zusätzliche Reflexionsprozesse aus.“ (Rimmele/Stiegler 2012, S. 97)
Sherman ist sehr erfolgreich. Sie gehört zu den höchstdotierten Vertretern der postmodernen Fotografie und hat im Jahr 2000 den Hasselblad Award für ihr Gesamtkunstwerk als Auszeichnung erhalten (vgl. Busch 1995, Knape 2000, Galassi/Sherman, Schor 2012, Schirn Kunsthalle Frankfurt 2014, Koetzle 2017).
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