Gerhard Richter gehört zu den bedeuteten und teuersten Künstlern der Gegenwart. Seine Werke sind in zahlreichen Museen und Sammlungen vertreten. Neben nahezu fotorealistischen Bildern der gegenständlichen Malerei gestaltet Richter abstrakte Kunstwerke, Stillleben, Akt- und Natur- und Stadtbilder, Farbtafeln, Porträts, Tür, Vorhang- und Fensterbilder, die in Kirchenfenstern im Kölner Dom eingebaut worden sind. Zu seinen Arbeiten gehören Drucke, Fotografien, Objekte und Gemälde. Er verwendet dabei verschiedene Drucktechniken und Stilmitteln der Malerei und Grafik.
Der 1932 geborene Maler Gerhard Richter ist eigentlich kein Fotograf, sondern Maler. Zahlreiche Bilder von ihm basieren jedoch auf Vorlagen von Fotografien. Er greift im Rahmen seiner Arbeit entsprechende Motive der Aufnahmen auf, die er weiterbearbeitet. Die Fotografien aus Bildreportagen und Pressebildern werden als Quellen seiner Portraits, die aus Zeitungen, Magazinen sowie eigenen Aufnahmen stammen, verarbeitet. Richter verwendet eigene Familienfotos sowie Skizzen und Collagen, die von ihm weiterbearbeitet werden. Dafür nutzt er u.a. ein Episkop, das Aufnahmen und Illustrationen aus Zeitschriften, sowie Fotos der eigenen Familie auf eine Bildwand projiziert. Insofern stellen sich durch dieses Vorgehen Fragen hinsichtlich des Verhältnisses von Original und Reproduktion. Motive aus der Alltags- und Unterhaltungskultur werden von Richter ebenso verwendet wie politische Aufnahmen:
„Unter anderem ordnete er daraus eine bundesrepublikanische Epoche mit Eckdaten von Vico Torriani bis zu Gudrun Ensslin, vom Zubehör einer Klorolle bis zur Vorführung eines Militärjets.“ (Adriani 2008, S. 21)
So legte Richter anlässlich des Todes der RAF-Terroristen im Gefängnis Stuttgart-Stammheim einen 15-teiligen Zyklus mit dem Titel 18. Oktober 1977 vor, auf dem die Terroristen zu sehen sind, die dort Selbstmord verübt haben.
„Richter war kein Sympathisant der Baader-Meinhof-Gruppe, die von amtlicher Seite als Bande apostrophiert wurde. Doch aus nachvollziehbaren Gründen berührte den Künstler ihr Schicksal. Auch wenn deren ideologische Verblendung und die daraus resultierenden Gewalttaten seine Abscheu hervorriefen.“ (Honnef 2019, S. 61f.)
Als Provokation wurde eine 1967 von Richter gestaltete Werkgruppe wahrgenommen, die auf pornografischen Motiven beruhte. Dabei ließ sich der Künstler im Atelier mit freiem Oberkörper fotografieren (vgl. Sommer u.a. 2013).
Weiterhin malte er das Bild seines Onkels in einer NS-Wehrmachtsuniform. Er legte Mitte der 1960er Jahre ein Porträt von Jackie Kennedy nach dem Tod ihres Mannes ebenso vor wie ein Bild des mutmaßlichen Kennedy-Mörders Lee Harvey Oswald. Zudem erstellte Richter Bilder der brennenden Hochhaustürme nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York und von den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg (vgl. Storr 2010). Insofern hat der Künstler immer wieder Werke zu traumatischen und kontroversen politischen Ereignissen vorgelegt, obwohl er sich selbst primär als Maler und nicht als Konzeptkünstler oder Intellektueller definiert. Es sieht sich vielmehr als Bildermacher und führt an, dass er ein größeres Interesse an Bildern hat als an der Malerei (vgl. Moorhouse 2009, Friedel 2011).
Die 1939 geborene Fotografin Herlinde Koelbl arbeitet in der Regel in groß angelegten Zyklen teilweise zu gesellschaftlich tabuisierten Themen. Sie präsentiert Männerakte (vgl. Koelbl 1984), Schlafzimmer (Koelbl 2012) und stellt Menschen in ihrer eigenen Freizeit- und Berufsbekleidung bildlich gegenüber (vgl. Koelbl 2014). Koelbl hat Auftragsarbeiten für nationale und internationale Zeitungen sowie Zeitschriften (u.a. DIE ZEIT, DER STERN, NEW YORK TIMES) übernommen (vgl. Koetzle 2017). Sie hat Politiker portraitiert und befragt. In ihrer seit 1991 begonnenen Langzeitstudie Spuren der Macht (Koelbl 1999) hat die Künstlerin im jährlichen Turnus Schwarz-Weiß-Fotos von Volksvertretern gemacht, die die körperlichen Veränderungsprozesse im Laufe der Zeit dokumentieren. In der Fotoserie Feine Leute (Koelbl 1998) sind wohlhabende Prominente bei offiziellen Empfängen abgelichtet. Zu sehen sind üppig geschmückte Politiker, Schauspieler und Journalisten in teurer Abendgarderobe, die sich im Rahmen von Begrüßungsritualen inszenieren und feiern. Es wird geraucht, gegessen und getrunken. Die bebilderte Dokumentation der Partyszenen wird den abgelichteten Protagonisten vermutlich nicht gefallen haben. Da es sich aber um öffentliche Veranstaltungen gehandelt hat, ist es legitim, derartige Aufnahmen zu veröffentlichen. In einem ähnlichen Stil ist der amerikanische Band The Vanities von Fink und Wolf (2011) gestaltet, der Bilder amerikanischer Prominenter auf Hollywood-Parties zeigt. Der Fotoband Targets von Koelbl (2014) zeigt Zielscheiben auf Truppenübungsplätzen aus aller Welt, die die Fotografin in fast dreißig Ländern aufgenommen hat. Interessant sind hierbei die Motive, die gewählt worden sind, um Feindbilder auf den Zielscheiben zu positionieren. Hierbei wurde auch mit Kugelfängern gearbeitet, die rassistische Abbildungen zeigten.
Der in der DDR lebende Berliner Fotograf Roger Melis (1940-2009) war ein Mitbegründer des ostdeutschen Fotorealismus. Er arbeitete in der Mode- und Reisefotografie. Er legte ein Städteportrait von Paris vor und war im Kaukasus mit seiner Kamera unterwegs. Bekannt wurde er durch seine Portraitbilder von Schriftstellern wie Heiner Müller, Christa Wolf, Günter Grass und Aufnahmen der Schauspieler Katharina Thalbach und Manfred Krug. Melis hatte den Anspruch, frei und unabhängig von Ideologie und Zensur zu arbeiten. Er nahm den ungestellten Alltag der Menschen in der ehemaligen DDR auf, war als Straßenfotograf aktiv und fotografierte Hinterhöfe. Melis dokumentierte das Waldsterben im Erzgebirge. Als Chronist seiner Zeit erzählte er mit seinen Bildern Geschichten, die Einsichten über den Zustand seines Landes lieferten. Seine Reportagefotografien wurden u.a. in der WOCHENPOST, der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, der ZEIT und in GEO veröffentlicht (vgl. Melis 1986, 1992, 2007, 2008, 2010).
Der 1944 in Brasilien geborene Fotograf, Fotoreporter und Umweltaktivist Sebastião Salgado arbeitete u.a. für die Magnum Agentur in New York. Er steht in der Tradition der sozialdokumentarischen Fotografie und übte seinen Beruf in mehr als 60 Ländern, u.a. in Lateinamerika und Afrika aus. Mit Unterstützung von Sponsoren verfolgte er seine Großprojekte über mehrere Jahre, zeigte Einwanderer in Frankreich und dokumentierte die Hungerkatastrophe im Sahel. Sein Engagement gilt der Entwicklungspolitik. Er machte Alltagsaufnahmen von Festen in ländlichen Gebieten, dokumentierte Arbeitsprozesse von der maschinellen Bleiverhüttung in Kasachstan und der Ölförderung in Aserbaidschan, wobei er stets einen respektvollen Abstand zu seinen Motiven einhielt. Seine Bilder zeigen die grausamen Konsequenzen von Kriegen, Wirtschaftskrisen und Terror, die zu Fluchtbewegungen geführt haben. Salgado war zufällig in Washington vor Ort, als am 30. März 1981 ein Attentat auf den damaligen amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan verübt wurde. Mit den Bildern von dem Anschlag hat er seine Projekte finanziert, bei denen er auch für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zusammengearbeitet hat. Er setzte sich gegen die Abholzung des brasilianischen Regenwaldes ein. Neun Jahre arbeitete Salgado am Projekt Genesis, bei dem er unberührte Landschaften zeigte. Die Aufnahmen wurden im Natural History Museum London und in einem Bildband gezeigt. Der Dokumentarfilm Das Salz der Erde (2014) von Wim Wenders liefert ein Porträt über Salgado, dass bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2014mit dem Spezialpreis ausgezeichnet wurde. 2019 wurde der Fotograf mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet (vgl. Stepan 2008, Koetzle 2017, Salgado 2019).
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