In ihrer lyrischen Kurzprosa beschäftigt sich Isabel Folie mit dem sinnlichen Erfahren der Welt und des eigenen Körpers. Die oft surrealen Texte rühren an Intimität und Vergänglichkeit. In starken Sprachbildern und ebenso mächtigen Leerräumen entstehen Stimmungen und Gefühle, die herausfordern. Hier wird das Lesen selbst zur sinnlichen Erfahrung.
Die Buchreihe ZOOM-ED fördert Erstpublikationen von Autor*innen und Literaturschaffenden aus Südtirol und den angrenzenden Gebieten. Ziel der Reihe ist es, herausragenden literarischen Erstlingswerken eine Bühne zu bieten und sie der lesenden Öffentlichkeit vorzustellen. ZOOM-ED ist ein Förderprogramm der Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung (SAAV) und der Edition Raetia.
IN MEINER MITTE KOHLE, IN MEINEN ARMEN DER WIND
ISABEL FOLIE
Die Drucklegung erfolgte mit freundlicher Unterstützung der
Abteilung Deutsche Kultur der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol
© Edition Raetia, Bozen 2021
Gesamtgestaltung: Frei und Zeit, www.freiundzeit.it
Druck: Intergrafica Verona
ISBN: 978-88-7283-800-6
eISBN: 978-88-7283-811-2
Unseren Gesamtkatalog finden Sie unter www.raetia.com.
Bei Fragen und Anregungen wenden Sie sich bitte an info@raetia.com.
FÜR MEINEN VATER ROBERT
ZOOM-ED ZOOM- ED Die Buchreihe ZOOM-ED fördert Erstpublikationen von Autor*innen und Literaturschaffenden aus Südtirol und den angrenzenden Gebieten. Ziel der Reihe ist es, herausragenden literarischen Erstlingswerken eine Bühne zu bieten und sie der lesenden Öffentlichkeit vorzustellen. ZOOM-ED ist ein Förderprogramm der Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung (SAAV) und der Edition Raetia.
In meiner Mitte Kohle, in meinen Armen der Wind die Sonne scheint verkehrt ich renne Blumen / Gras / Schotter SCHNEE schmilzt auf meiner Zunge »das darf man nicht« ich ziehe den Mond wie einen Luftballon hinter mir her
ZOOM-ED #2
DIE AUTORIN
die Sonne scheint verkehrt
ich renne
Blumen / Gras / Schotter
SCHNEE schmilzt auf meiner Zunge
»das darf man nicht«
ich ziehe den Mond
wie einen Luftballon hinter mir her
Bäume fallen und aus den Ästen
baut ein Kind seine Jugend 1
»morgen regnet es Fleisch«
schreit der Dichter vom Balkon
ich schlucke Gold und
errichte in meinem Inneren EIN DENKMAL
ein Traum weht durch die Luft und
zerschlägt ein Fenster
der alte Mann dahinter lacht und winkt
1 Bäume fallen und aus den Ästen baut ein Kind seine Jugend 1 »morgen regnet es Fleisch« schreit der Dichter vom Balkon ich schlucke Gold und errichte in meinem Inneren EIN DENKMAL ein Traum weht durch die Luft und zerschlägt ein Fenster der alte Mann dahinter lacht und winkt 1 meine Hände verkleben mit der Tastatur es riecht nach Pech
meine Hände verkleben mit der Tastatur es riecht nach Pech
ein Atemhauch umschlingt meinen Körper
Daunenfedern keuchen
weich / schwer / feucht von Schweiß
mein Mund schmeckt nach Stahl
meine Kehle nach Blei
in meinem Bauch ein Loch
ich winde mich
falte EIN MESSER AUS PAPIER und …
ich stampfe im Sand
STAUBGITTER zerbrechen zu
regenlos die Wolken
ein Vogel 1fällt vom Baum
ich stecke mir Nussschalen unter die Zehennägel
ein alter Mann lacht
Grasbüschel zwischen gelben Zähnen
1 ich stampfe im Sand STAUBGITTER zerbrechen zu regenlos die Wolken ein Vogel 1 fällt vom Baum ich stecke mir Nussschalen unter die Zehennägel ein alter Mann lacht Grasbüschel zwischen gelben Zähnen 1 tot
tot
ein Löwe frisst Wolken / ein Windrad
zerschneidet Erde
die Sonne baumelt
an einem Lasso aus Zucker
Käfer sind die neue Währung
und Bier existiert nur noch in Gedanken
EIN PAAR sieht mich an und lacht 1
1 EIN PAAR sieht mich an und lacht 1 1 über mich?
über mich?
meine Knie graben Gräber voll Zeit
ein Pfau schlägt Räder mit
FEDERN AUS STAHL
Zucker verbrennt
zu Fesseln
ein jeder glüht 1
1 ein jeder glüht 1 1 schwarz / weiß
schwarz / weiß
MASCHINENSCHLAG am hinteren Ohr
die Sicht begrenzt von
Nebel / Dunst / Staub
es brennt und juckt
die Schwaden schmecken nach Blei und
verstecken …
Beine verwickeln sich mit Lungen
»es klart auf«
raunt eine Stimme in mein Ohr
ich will sie nicht sehen, die
im Morgengrauen
fällt …
WAS ICH KETTE
frisst Stahl
mein Schatten befleckt die Fliesen mit Scham
meine Füße verhornen
zu Wurzeln ohne Durst
»morgen wird es besser«
glaubt nicht einmal mehr der Wind 1
Wunsch: in deinen Händen erkalten
Metalltropfen zu Erinnerung
1 glaubt nicht einmal mehr der Wind 1 Wunsch: in deinen Händen erkalten Metalltropfen zu Erinnerung 1 der die Worte einst trug
der die Worte einst trug
KIRCHTAGSGLOCKEN gegen Fensterscheiben
draußen die Sonne, innen ist Nacht
bei jedem Schlag vibriert mein Unterleib
aufwärts
ein Summen breitet sich in meinem Rücken aus
kriecht Wirbel um Wirbel empor
zieht meine Schultern zu den Ohren
abwärts
nach innen verdrehte Knie und verzogene Zehen
mittig
ein Brennen ohne Feuerholz
die Feier des Tages zerschlägt meinen Körper
zu Asche
mit oranger Spucke klebe ich SPINNENFÄDEN
in die Luft
sie vibrieren / changieren
ins Rötliche
»lächerlich«
»Feigling«
Wortfetzen gehen ins Netz und
fesseln meine Zunge
Himmel
Land
Meer
GRUND?
HERZSCHLAG über dem Himmel und
unter dem Meer
Wind verbläst …
ein Quietschen malträtiert meine Ohren
Muschelschalen zerfallen zu Staub
jemand hustet
Kaffee quillt aus meinen Augen
braun / bitter
die Sicht
ich habe Angst 1
1 ich habe Angst 1 1 vor Krebs / Einsamkeit / Abhängigkeit / Verlust
vor Krebs / Einsamkeit / Abhängigkeit / Verlust
Hände krallen
Erdsplitter
Füße brechen
Grashalm
Augen finden
Durstfleck
ich tauche in den See und trinke 1
1 Hände krallen Erdsplitter Füße brechen Grashalm Augen finden Durstfleck ich tauche in den See und trinke 1 1 bis die FISCHE IM TROCKENEN zappeln
bis die FISCHE IM TROCKENEN zappeln
die Sonne schmilzt Fensterscheiben
ich tappe ins Freie
es schreit in meinen Ohren
die See kocht
die Luft schmeckt nach Essig und Salz
meine Augen vertrocknen
zu Schuppen
das MEER VERDUNSTET zu Wolkentürmen
die Möwen tauchen in …
Gedanken marschieren im GLEICHSCHRITT
klick / klack / klick / klack
wer es wagt
der flüstert
in Gängen verhallen Schritte zu Staub
ich lausche
rote Kreide unter meinen Füßen
»es ist alles IN ORDNUNG«
ich wühle in Erde
morsches Holz klebt in meinen Mundwinkeln
so lach doch«
ritze ich mit einem Kieselstein
in meine Fußsohlen
»unter mir herrscht Dunkelheit«
um meine Glieder wickelt sich Draht
frisst JAHRESRINGE in die Knochen
Steine zerlaufen zu Sand und
Wüsten zu Meeren
»ich staune selbst am meisten«
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