1 ...8 9 10 12 13 14 ...29 64
Da diese Richtlinien nur Erwartungen der Staaten gegenüber transnationalen Unternehmen enthalten, begründen sie keine völkerrechtlichen Pflichten. Ein Verstoß gegen sie führt nicht zu einer Völkerrechtsverletzung. Da das Völkerrecht multinationalen Unternehmen somit Rechte, aber (noch) keine Pflichten überträgt, kann man von einer asymmetrischen, partiellen Völkerrechtssubjektivitätdieser Unternehmen ausgehen. Die Asymmetrie zwischen Rechten und Pflichten ist nicht ungewöhnlich: Auch die Rechtsstellung von Individuen enthielt zunächst nur völkerrechtliche Rechte. Erst später wurden auch Pflichten begründet.
[1]
Dazu Teil 2 Rn. 434, 496.
[2]
Nowrot, Nun sag, wie hast du‘s mit den Global Players? Die Friedenswarte 2004, 119.
[3]
Dazu Teil 3 Rn. 656 ff.
[4]
Dazu Teil 3 Rn. 691 ff.
[5]
Dazu Teil 3 Rn. 708 ff.
[6]
Dazu Teil 3 Rn. 705 ff.
e) Nichtregierungsorganisationen
65
Nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen (Non-governmental organisations, NGOs) spielen in den internationalen Beziehungen eine zunehmende Rolle. Dies gilt vor allem für den internationalen Menschenrechtsschutz (z.B. Amnesty International) und den Umweltschutz (z.B. Greenpeace, WWF). In den internationalen Wirtschaftsbeziehungen sind vor allem Unternehmensverbände und -zusammenschlüsse(z.B. die internationale Handelskammer, ICC oder der Dachverband der europäischen Industrie, UNICE) und zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich kritisch mit dem gegenwärtigen Weltwirtschaftssystem auseinandersetzen (z.B. ATTAC) von praktischer Bedeutung.
66
Von wenigen Ausnahmen vor allem in regionalen Menschenrechtskonventionen abgesehen begründet das Völkerrecht keine Rechte und Pflichtenfür Nichtregierungsorganisationen.[1] Gleichwohl unterhalten einige internationale Organisationen förmliche Kontakte zu diesen Organisationen. So werden z.B. NGOs im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) verschiedene Beteiligungsrechte eingeräumt. Andere internationale Organisationen, wie etwa die WTO, verstehen sich in erster Linie als Organisation von Staaten und lehnen förmliche Beziehungen zu NGOs ab.
[1]
Hobe, Die Völkerrechtssubjektivität internationaler nichtstaatlicher Organisationen, AVR 37 (1999), 152.
Teil 1 Grundlagen› II. Völkerrechtliche Grundlagen des Wirtschaftsvölkerrechts› 2. Rechtsquellen des Völkerrechts
2. Rechtsquellen des Völkerrechts
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Die allgemein anerkannten Rechtsquellen des Völkerrechts werden in Art. 38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs (IGH-Statut)[1] aufgeführt.
Wichtige Norm: Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut
1. |
Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach dem Völkerrecht zu entscheiden, wendet an (a) internationale Übereinkünfte allgemeiner oder besonderer Natur, in denen von den streitenden Staaten ausdrücklich anerkannte Regeln festgelegt sind; (b) das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung; (c) die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze; (d) vorbehaltlich des Artikels 59 richterliche Entscheidungen und die Lehrmeinung der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen als Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen. |
68
Die Rechtsquellen des Völkerrechts sind demnach völkerrechtliche Verträge(Art. 38 Abs. 1 lit. a) IGH Statut), Völkergewohnheitsrecht(Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH Statut) und die allgemeinen Rechtsgrundsätze(Art. 38 Abs. 1 lit. c) IGH Statut). Keine Völkerrechtsquellen sind Gerichtsentscheidungen (z.B. des IGH oder des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte). Sie können jedoch – ebenso wie bedeutsame und international anerkannte völkerrechtliche Lehrmeinungen – als Rechtserkenntnisquellen oder Hilfsquellen zur Ermittlung völkerrechtlicher Normen herangezogen werden.
Merke:
Völkerrechtsquellensind völkerrechtliche Verträge, Völkergewohnheitsrechtund allgemeine Rechtsgrundsätze.
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Der Kanon der völkerrechtlichen Quellen macht den „genossenschaftlichen“ Charakterdes Völkerrechts deutlich. Die Völkerrechtssubjekte sind keinem Recht unterworfen, das von einer übergeordneten Instanz gesetzt wird. Vielmehr sind die Rechtssubjekte auch die Rechtsetzer. Insofern lassen sich die meisten Völkerrechtsregeln auf den Willen der Staaten zurückführen: Verträge bedürfen der Zustimmung der Vertragsparteien und Gewohnheitsrecht setzt die – wenigstens implizite – Zustimmung der Staaten voraus.[2]
70
Im Gegensatz zum nationalen Recht gibt es innerhalb des Völkerrechts grundsätzlich keine förmliche Normenhierarchie, sondern es gelten allenfalls die allgemeinen Kollisionsregeln des „lex specialis derogat legi generali“ (das spezielle Gesetz verdrängt das allgemeine) und „lex posterior derogat legi priori“ (das spätere Gesetz verdrängt das frühere).[3] In der praktischen Anwendung bedeuten diese Grundsätze allerdings, dass ein völkerrechtlicher Vertrag jedenfalls für seine Vertragsparteien dem Gewohnheitsrecht im Allgemeinen vorgeht, da er regelmäßig spezieller als das Gewohnheitsrecht ist und zumeist auch jüngeren Datums.
71
Eine gewisse Ausnahme von der Gleichrangigkeit der Völkerrechtsquellen stellt das sog. ius cogens (= zwingendes Völkerrecht)dar. Eine Rechtsregel gilt dann als ius cogens, wenn sie aufgrund ihrer elementaren Bedeutung für die internationale Gemeinschaft nicht mehr abgeändert werden darf. Dazu zählt z.B. das Verbot der Sklaverei und das Verbot des Völkermordes. Vertragsrecht und Gewohnheitsrecht, das gegen ius cogens verstößt, ist unwirksam. Insofern kommt dem ius cogens eine Vorrangstellung gegenüber „einfachem“ Völkerrecht zu. Normen des ius cogens entfalten regelmäßig auch eine sog. erga omnes-Wirkung, mit der Folge, dass ihre Verletzung von allen Staaten gerügt werden kann.
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Ebenfalls von besonderer Bedeutung ist die Charta der Vereinten Nationen.Gem. Art. 103 UN-Charta gehen die Verpflichtungen der UN-Charta allen anderen vertraglichen Verpflichtungen vor. Eine entsprechende Vorschrift findet sich in Art. XXI lit. c) des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), wonach die Bestimmungen des GATT die Vertragsparteien nicht daran hindern, Maßnahmen aufgrund von Verpflichtungen aus der UN-Charta zu treffen.[4] Dieser Vorrang der UN-Charta gegenüber anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen begründet sich in der fundamentalen Bedeutung der UN-Charta für die Staatengemeinschaft; sie wird daher teilweise auch als die Verfassung der internationalen Gemeinschaftbezeichnet.[5]
[1]
BGBl. 1973 II, S. 503 = Sartorius II, Nr. 2.
[2]
Unten Rn. 84 ff.
[3]
Art. 30 WVK.
[4]
Dazu Teil 2 Rn. 345.
[5]
Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, §§ 89 ff.
a) Völkerrechtliche Verträge
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Völkerrechtliche Verträge sind im modernen Völkerrecht und auch im Wirtschaftsvölkerrecht die praktisch bedeutsamste Rechtsquelle. Die Mehrzahl der völkerrechtlichen Verträge sind zwischenstaatliche (bilaterale oder multilaterale) Verträge. Daneben existieren auch Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und Verträge von internationalen Organisationen untereinander.
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