291
Davon abgesehen, dass der Vertreter eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat haben muss, werden keine speziellen Anforderungenan den Vertreter gestellt. Gleichwohl ist zu beachten, dass Art. 4 Nr. 17ausdrücklich auf Art. 27Bezug nimmt, so dass dessen Voraussetzungen vorliegen müssen. Insofern muss die Bestellung des Vertreters schriftlich und ausdrücklicherfolgen und sie soll sicherstellen, dass der Vertreter Behörden und betroffenen Personen als Anlaufstelle und Ansprechpartner zur Verfügung steht.[656] In der Praxis wird dies eine Erklärungsvollmacht sowie die Bestellung des Vertreters zum Empfangsvertreter erfordern.[657] Denn wegen des Erfordernisses der ausdrücklichen Bestellung scheiden Rechtsscheintatbestände wie Anscheins- und Duldungsvollmachten als taugliche Rechtsgrundlagen zur Bestellung eines Vertreters aus.
292
Darüber hinaus soll der Vertreter nach ErwG 80 S. 5 seine Aufgaben entsprechend dem Mandat des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters ausführen und insbesondere mit den zuständigen Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten.
293
Bei Verstößen des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters wird der Vertreter Durchsetzungsmaßnahmen unterworfen.[658] Diese Regelung ist deshalb in der Praxis wichtig, weil ein Verantwortlicher oder ein Auftragsverarbeiter, der keine Niederlassung in einem Mitgliedstaat hat, nicht den Durchsetzungsmaßnahmen der Union unterliegt. Insofern wird die Rechtsdurchsetzung erleichtert bzw. ermöglicht.[659]
294
Art. 4 Nr. 17stellt eine abschließende Regelung dar. Für nationale Regelungen und Umsetzungsmaßnahmen bleibt daher kein Raum.[660]
XIX. Art. 4 Nr. 18: Unternehmen
295
Die Definition des Unternehmens hat grundsätzliche Bedeutung im Rahmen der DS-GVO. Sie richtet sich an nichtöffentliche Datenverarbeiter, unabhängig davon, ob Verantwortlicher oder Auftragsverarbeiter. Weder DSRL noch BDSG a.F. enthielten eine Definition des Unternehmens.
296
Art. 4 Nr. 18definiert Unternehmen als eine natürliche und juristische Person, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer Rechtsform, einschließlich Personengesellschaften oder Vereinigungen, die regelmäßig einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen.
297
Der datenschutzrechtliche Unternehmensbegriffnach der DS-GVO ist weit gefasst. Er umfasst alle Einzelpersonen und Personenmehrheiten, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, mithin bei der datenschutzrechtlich relevanten Handlung in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit handeln. Unerheblich ist die Branche, sodass auch Freiberufler erfasst sind.[661] Die Spanne reicht damit vom Arzt bis zur börsennotierten Publikumsgesellschaft.[662] Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts fallen unter den Unternehmensbegriff, sofern sie wirtschaftlicher Tätigkeit nachgehen. Eine solche setzt voraus, dass die Stelle, um deren Unternehmenseigenschaft es geht, am Markt im Rahmen von Austauschverträgen Waren oder Dienstleistungen anbietet. Hoheitliche Tätigkeit ist damit nicht umfasst.[663] Soweit eine Person gleichzeitig privaten und beruflichen Nutzen aus einer Tätigkeit zieht (Dual Use) ist der Unternehmensbegriff erfüllt.[664]
298
Die DS-GVO gilt grundsätzlich auch für Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen. Nach Art. 40 Abs. 1und Art. 42 Abs. 1können für Kleinst- bis mittlere Unternehmen spezielle Verhaltensregeln bzw. Zertifizierungsmöglichkeiten geschaffen werden. Für die Definition des Begriffs Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen ist nach ErwG 13 S. 5 Art. 2 des Anhangs zur Empfehlung 2003/361/EG der Kommission maßgebend. Nach Art. 2 des Anhangs zur Empfehlung dienen die Mitarbeiterzahlen und die finanziellen Schwellenwerte der Definition der Unternehmensklassen. Danach bestimmt sich die Größenklasse der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) aus der Beschäftigtenzahl – „weniger als 250 Personen beschäftigen“ und dem Jahresumsatz „die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. EUR beläuft“. Als kleines Unternehmen wird ein Unternehmen definiert, das weniger als 50 Personen beschäftigt und dessen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 10 Mio. EUR nicht übersteigt. Innerhalb der Kategorie der KMU wird ein Kleinstunternehmen als ein Unternehmen definiert, das weniger als 10 Personen beschäftigt und dessen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 2 Mio. EUR nicht überschreitet.[665]
299
Werden Unternehmen Geldbußen nach Art. 83auferlegt, kommt dem Unternehmensbegriff eine besondere Bedeutung zu. In diesem Rahmen wird dieser anders verstanden und erhält eine von Art. 4 Nr. 18abweichende Definition. Werden Unternehmen Geldbußen auferlegt, soll nach ErwG 150 zu diesem Zweck der Begriff „Unternehmen“ im Sinne der Art. 101 und 102 AEUV verstanden werden. Bemessungsgrundlage für ein zu verhängendes Bußgeld gegen ein Unternehmen wäre demnach bei Konzernunternehmen der gesamte Konzernumsatz und nicht der einzelne Unternehmensumsatz. Zu beachten ist jedoch, dass der kartellrechtliche Unternehmensbegriff keinen Einzug in die Verordnung selbst gefunden hat.[666]
XX. Art. 4 Nr. 19: Unternehmensgruppe
300
Art. 4 Nr. 19definiert die Unternehmensgruppe als eine Gruppe, die aus einem herrschenden Unternehmen und den von diesem abhängigen Unternehmen besteht. Eine Unternehmensgruppe besteht danach aus mindestens zwei Unternehmen, zwischen denen ein Über-Unterordnungsverhältnis herrscht.[667]
301
Nach ErwG 37 sollte das herrschende Unternehmen dasjenige sein, das zum Beispiel aufgrund der Eigentumsverhältnisse, der finanziellen Beteiligung oder der für das Unternehmen geltenden Vorschriften oder der Befugnis, Datenschutzvorschriften umsetzen zu lassen, einen beherrschenden Einfluss auf die übrigen Unternehmen ausüben kann. Ein Unternehmen, das die Verarbeitung personenbezogener Daten in ihm angeschlossenen Unternehmen kontrolliert, sollte zusammen mit diesen als eine „Unternehmensgruppe“ betrachtet werden. Das macht deutlich, dass es bei der Unternehmensgruppe nicht ausschließlich auf eine Beherrschung im gesellschaftsrechtlichen Sinne ankommt, sondern auch faktische Unternehmensgruppen, bei denen z.B. aufgrund von Verträgen bestimmten Unternehmen die Möglichkeit zum Richtlinienerlass gegeben ist, hierunter fallen können.[668]
302
Beispiel für eine Unternehmensgruppe ist insbesondere der Konzern. So definiert § 18 Abs. 1 AktG einen solchen als „ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen“, die „unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind“.
303
Die Unternehmensgruppe ist an verschiedenen Stellen der DS-GVO von Bedeutung. Insbesondere im Zusammenhang mit der Möglichkeit, auf Grundlage von verbindlichen internen Datenschutzvorschriften (Binding Corporate Rules – BCR) personenbezogene Daten in Drittländer zu übermitteln.[669]
304
ErwG 48 nennt die Unternehmensgruppe als besonderes Beispiel dafür, dass die verantwortlichen Stellen in einer Unternehmensgruppe ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Übermittlung von Daten innerhalb der Unternehmensgruppe haben können.
305
Nach Art. 37 Abs. 2 darf eine Unternehmensgruppe einen gemeinsamen betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellen, sofern der Datenschutzbeauftragte von jeder Niederlassung leicht erreicht werden kann.[670]
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