4. Informationspflicht (Abs. 2 und 4)
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Dem Grundsatz der Transparenz bei der Verarbeitung personenbezogener Daten nach ist die Videoüberwachung unzweifelhaft für die betroffene Person transparent zu gestalten. Die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, werden dabei ganz besonders vom Transparenzerfordernis abhängen. Die dafür nach der DS-GVO maßgebenden Informationspflichten nach Art. 13 Abs. 1 und 2 sind jedoch nicht einschlägig.[630]
a) Vereinbarkeit der Informationspflicht mit der DS-GVO
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Im Fall einer nach § 4 BDSGzulässigen Videoüberwachung wird das Recht der Betroffenen auf Informationserteilung aus Art. 13beschränkt oder wenigstens modifiziert. Diese Beschränkung der Betroffenenrechte ist unter die entsprechende Gestattung zur Beschränkung nach Art. 23zu fassen. In Art. 23 Abs. 1 lit. i ist das Ziel des Schutzes der betroffenen Person genannt, was wohl dem Ziel des § 4 Abs. 1 BDSGdient.[631] Es ist dem Bundesgesetzgeber nach Art. 23möglich auch nur einzelne Informationspflichten zu beschränken, so wie es in § 4 BDSGgeschehen ist.[632] Einer freiwilligen Informationserteilung, um etwa auch die Informationen gem. Art. 13und/oder 14 bereit zu stellen, steht indes nichts entgegen. Solche zusätzlichen Informationen schaffen Rechtssicherheit. Im Umkehrschluss wird die ausbleibende Anwendung der Art. 13und 14bis zu einer abschließenden Klärung vorerst in jedem Fall keinen Bußgeldtatbestand auslösen, sondern zuvor müsste die zuständige Aufsichtsbehörde erst einmal die Informationspflicht gem. DS-GVO anordnen. Im Rahmen einer solchen Anordnung obläge es der Aufsicht dem Verantwortlichen Hinweise zu geben, wie der Informationspflicht nach Art. 13und 14abweichend von §§ 4 Abs. 2, 4 BDSGim konkreten Fall nachgekommen werden kann. Die umfassende Information des Betroffenen dürfte gerade im Falle der Videoüberwachung an die Grenze der Unmöglichkeit stoßen, weil sie dem Betroffenen zum Zeitpunkt der Erfassung durch die Kamera in einer den Anforderungen des Art. 12genügenden Weise gegeben sein muss. Dies dürfte etwa bei videoüberwachten Tankstellen, auf deren Grundstück man zügig auffährt, zu erheblichen praktischen Problemen führen. Die Regelung des § 4 Abs. 4 BDSGbeschränkt aufgrund der darin geregelten Zeitfolge ebenfalls die Informationspflichten gem. DS-GVO. Die nationale Regelung bleibt hinter den Anforderungen des Sekundärrechtsakts zurück.
b) Zeitpunkt der Information
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Die gebotene Information auf eine Videoüberwachung soll nach § 4 Abs. 2 BDSG„zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ gegeben werden. Die zu erteilenden Informationen müssen in der Regel bereitgestellt werden, bevor der Betroffene einen optisch-elektronisch überwachten Bereich betreten kann. Damit stimmt der Zeitpunkt zur Erteilung der gesetzlich geforderten Information nicht mit dem zur Wahrung der Informationspflicht nach Art. 13überein. Fährt die betroffene Person mit ihrem Auto in ein Parkhaus am Flughafen, so muss sie vor der ersten Erfassung zumindest eine zumutbare Möglichkeit haben, von den Pflichtinformationen Kenntnis zu erlangen. Aus Sicht der verantwortlichen Stelle ist es als ausreichend zu betrachten, wenn es nur eine entsprechende Möglichkeit vor der Videoerfassung gibt. Zugleich lässt die offenere Formulierung in § 4 BDSG, anders als Art. 13aber auch die Möglichkeit offen, die Information unter Umständen erst nach der Erfassung durch die Kamera zu geben. Dies wäre etwa denkbar, wenn im entsprechenden Einzelfall eine Information zum Zeitpunkt der Erhebung unmöglich erscheint, etwa weil bei Einfahrt in den Überwachungsbereich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten eine Information bei Datenerhebung unmöglich ist.[633]
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§ 4 Abs. 4 BDSGschreibt die Informationspflichten nach Art. 13und 14erst dann vor, wenn durch Videoüberwachung erhobene Daten einer bestimmten Person zugeordnet werden können. Damit besteht das Problem, dass die Zuordnung bereits eine weitere Verarbeitung nach der Aufnahme, die Erhebung im datenschutzrechtlichen Sinne, darstellt. Der Zeitpunkt der Information nach § 4 Abs. 4 BDSGlässt sich nicht mit dem Erfordernis in Art. 13 Abs. 1 und 2 („zum Zeitpunkt der Erhebung“) in Einklang bringen. Das deutsche Recht bleibt hier hinter den Anforderungen der DS-GVO zurück. Für den Verantwortlichen muss in der Praxis aber auch hier eine Information zum frühestmöglichen Zeitpunkt ausreichend sein.
c) Inhalt der Information
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§ 4 Abs. 2konkretisiert das unionsrechtliche Transparenzgebot ( Art. 5 Abs. 1 lit. a)und ist mithin grundsätzlich nur wiederholend.[634] Gegenüber der weitestgehend übereinstimmenden Regelung des § 6b Abs. 2 BDSG a.F. wird sie nur dahingehend konkreter, dass zur geforderten Erkennbarkeit der verantwortlichen Stelle der Name und die Kontaktdaten des Verantwortlichen gehört. In der Rechtsanwendung wird ein Piktogramm als Hinweis auf die Videoüberwachung neben der Nennung der verantwortlichen Stelle und ihrer Kontaktdaten als ausreichend anzusehen sein; in Betrieben kann ein Lageplan mit Darstellung der Aufnahmefelder im Intranet bereitgestellt werden.[635] Der Eigentümer der überwachten Liegenschaft ist nicht zwangsläufig als verantwortliche Stelle anzusehen, da dies auch ein Pächter oder eine dort eingesetzte Sicherheitsfirma sein kann. Weitere Transparenzinformationen erhält die betroffene Person nicht, sie ist stattdessen auf den Auskunftsanspruch nach Art. 15angewiesen.[636]
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Da mittels Videoüberwachung regelmäßig nur das äußere Erscheinungsbild von Menschen und ihre Verhaltensweisen erfasst werden, mangelt es für eine Identifizierung grds. an notwendigen Zusatzinformationen. Der Abs. 4 als besondere Unterrichtungspflicht ist nur dann einschlägig, wenn ausnahmsweise solche Identifizierungsmöglichkeiten bestehen und der Betroffene namentlich bekannt wird.[637] Eine solche Zuordnung stellt eine weitere Verarbeitung nach der Aufnahme, als Erhebung im datenschutzrechtlichen Sinne, dar. Im entsprechenden Fall greifen die Art. 13und 14i.V.m. den Ausnahmetatbeständen gem. § 32 BDSG(Abs. 4 S. 2). Die Informationspflicht nach der DS-GVO wird damit allein auf den in Abs. 4 genannten Fall beschränkt. Auch analoge Videotechnik, die personenbezogene Daten nicht dateimäßig erfasst und damit nicht unter dem sachlichen Anwendungsbereich des Art. 2 Artikel 2 Sachlicher Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. (2) Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten a) im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, b) durch die Mitgliedstaaten im Rahmen von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich von Titel V Kapitel 2 EUV fallen, c) durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten, d) durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit. (3) 1 Für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union gilt die Verordnung (EG) Nr. 45/2001. 2 Die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und sonstige Rechtsakte der Union, die diese Verarbeitung personenbezogener Daten regeln, werden im Einklang mit Artikel 98 an die Grundsätze und Vorschriften der vorliegenden Verordnung angepasst. (4) Die vorliegende Verordnung lässt die Anwendung der Richtlinie 2000/31/EG und speziell die Vorschriften der Artikel 12 bis 15 dieser Richtlinie zur Verantwortlichkeit der Vermittler unberührt. – ErwG: 13–21 – BDSG n.F.: § 1
subsummiert werden kann, löst hier eine Informationspflicht – nach deutschem Recht – aus.
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