»Schieb es nicht auf den Plan«, sagte Keaton. »Der Plan ist unser Ticket weg von Bürojobs.«
Viele Ranger arbeiteten nach ihrem Militärdienst bei Geheimdiensten oder Top-level Sicherheitsfirmen. Keiner seiner Leute wollte jedoch in den Innendienst. Sie sehnten sich alle danach, draußen in der Natur zu sein und sich die Zeit frei einteilen zu können. Sie konnten noch einiges an Action bieten. Sie hatten bloß nicht mehr den Wunsch, durch die Welt zu reisen und echten Kugeln ausweichen zu müssen.
»Während wir das weltbeste Trainingscamp errichten, werden wir uns mit unerwarteten Hindernissen rumschlagen«, sagte Keaton. »Aber wir werden für alles bereit sein, denn wir haben einen Plan.«
»Ist das so?«, fragte Rusty scheinheilig. »Dann sei bereit für das hier.«
Keaton wich der Farbkugel aus. Sie erwischte ihn am Unterarm, doch das zählte nicht als direkter Treffer.
Rusty verdrehte die Augen.
»Wie ein Habicht«, grinste Keaton.
»Eine Eule«, korrigierte Grizz geduldig.
Keaton zuckte mit den Schultern.
»Bist du dir bezüglich des Ortes sicher?«, fragte Grizz. »Die Purple Heart Ranch in Montana?«
»Ich habe von dort ein paar verrückte Dinge gehört«, warf Spinelli ein.
Keaton kannte diese Gerüchte ebenfalls. Soldaten gingen dorthin, um ihre in Kampfeinsätzen erlittenen Wunden auszukurieren. Doch alle waren innerhalb von weniger als drei Monaten vor dem Traualtar gelandet und hatten den Wunsch, jemals wieder diesen Ort zu verlassen, verloren. Es war wie eine Art Kult. Doch Keaton kannte den Leiter der Ranch und wusste, dass er ein erstklassiger Soldat und ein grundanständiger Kerl war.
Der Weg zum Traualtar war kein Pfad, den Keaton zu beschreiten gedachte. Erst einmal würde er seinem Fünfjahresplan folgen, bevor er auch nur einen Gedanken ans Heiraten verschwenden würde.
»Wir leben nicht auf diesem Land, also betreffen uns diese Regeln oder der Aberglaube nicht«, versicherte er seinen Männern. »Unsere Kunden werden höchstens sechs Wochen im Camp bleiben, viel kürzer als deren Dreimonatsregel.«
Offenbar existierte eine merkwürdige Bebauungs- und Nutzungsordnung. Laut dieser Vorschrift durfte ein Soldat nur dann auf dem Land der Purple Heart Ranch leben, wenn er innerhalb von drei Monaten heiratete, ansonsten musste er schleunigst von dort verschwinden. Das war mit Sicherheit hinterwäldlerisch. Doch Keaton und seine Männer brauchten Land in einer so abgelegenen Gegend, um ihren State of the Art Parcours und die entsprechenden Anlagen zu errichten.
»Gut«, sagte Grizz. »Mythos oder Nutzungsverordnung hin oder her, ich habe nicht die Absicht, zu heiraten.«
Zustimmendes Gemurmel erklang. Außer von Mac und Rusty. Mac hatte einer Frau einen Ring angeboten, den sie mehr als einmal zurückgewiesen hatte, und Rustys Scheidungspapiere lagen bereits in dessen Seesack, mit nur einer Unterschrift darauf. Es war jedoch nicht Rustys.
»Wir sollten uns umziehen und uns auf den Weg machen«, sagte Keaton. »Wir haben eine Menge Arbeit vor uns und wenig Zeit dafür. Am Rande einer Reh-Ranch zu leben und uns auf unsere ersten Kunden vorzubereiten, wird uns alle auf Trab halten. Da bleibt keine Zeit für Beziehungen.«
»Mach mal langsam«, sagte Porco und hob die Hände, als wollte er sich ergeben. »Schreib Verabredungen wieder in den Plan rein. Die Frauen auf der Ranch brauchen in ihrem Leben eine ganze Ladung von mir.«
Schüsse fielen als Antwort. Porco erntete einen ganzen Hagel Farbkugeln für den Kommentar.
Keaton nutzte den seltenen Moment, in dem die Aufmerksamkeit von ihm abgelenkt war, um sich zu entspannen. Er lachte mit seinen Waffenbrüdern und über ihre Eskapaden.
Sein Entschluss stand fest. Mit der Menge an Arbeit, die in den nächsten drei Monaten auf sie zukam, hatte keiner von ihnen, am wenigsten er selbst, Zeit für Verabredungen. Für die nächsten fünf Jahre würde die Trainingseinrichtung sein Schatz sein, lange bevor er überhaupt nach einer Frau suchen würde.
Das war der Plan.
Angebratenes Rindfleisch roch anders, wenn besagtes Tier noch am Leben war und nicht in kleine Stücke zerhackt in der Pfanne brutzelte. Brenda Vance trat ein paar Schritte zurück. Sie vermied die Hinterläufe des Bullen, war aber nicht schnell genug, um dem berstenden Holz auszuweichen. Die Planke des Zauns zersplitterte. Bruchstücke erwischten sie seitlich an der Stirn. Blut mischte sich mit Schweiß und lief ihr ins Auge. Ihr gemurmelter Fluch ließ die drei Rancharbeiter zusammenzucken. Es sollten allerdings alle vier zusammenzucken. Es war deren Schuld, dass das Tier nicht richtig gesichert gewesen war.
»Alles okay, Missy?«, ertönte die kiesige, vom Tabakkonsum verätzte Stimme des vierten und ältesten Rancharbeiters. Manuel Bautista war etwa zu der Zeit auf die Ranch gekommen, als Brenda ihre ersten Schritte gemacht hatte, noch bevor sie ein Jahr alt gewesen war. Genauso wie sie, kannte Manuel Bautista diesen Ort in- und auswendig. Doch im Gegensatz zu ihr hatte er hier nicht das Sagen.
Brenda biss sich auf die Zunge, bevor ihr ein weiterer Fluch entwischte. Ihr Bruder war Pastor, gab ihr aber deswegen keinen Freifahrtschein fürs nächste Leben.
»Nenn’ mich nicht Missy«, fuhr sie ihn an und wischte sich das Blut und den Schweiß mit dem Ärmel des abgetragenen Flanellhemdes ab. Eine nicht sonderlich dezente Duftwolke wehte ihr unangenehm entgegen und zeugte von der harten körperlichen Arbeit des heutigen Tages. Sie blickte auf. Die Hände von Zweien ihrer Rancharbeiter glänzten nicht einmal in der heißen Nachmittagssonne. Ihre brandneuen Cowboyhüte waren perfekt gestärkt. Und ihre Hemden zeigten keinen Tropfen Schweiß unter den Armen.
»Es heißt Miss Vance.« Sie starrte auf das Blut auf ihrem Hemd. »Oder Boss.«
Als der ältere Rancharbeiter sich wegdrehte, um den Bullen zu beruhigen, hörte Brenda etwas, das nach einem spanischen Fluch klang. Zwei der anderen Männer kicherten. Dem dünnen Blonden in den engen Jeans – mit Sicherheit von Old Navy oder Urban Outfitters – hatte Brenda den Spitznamen Yankee verpasst. Der zweite Kichernde – Brenda nannte ihn Frat Boy – trug ein T-Shirt mit griechischen Buchstaben, das sich über seine braunen Bizepse spannte. Frat Boy behauptete, sein Urgroßvater wäre einer der berühmten Buffalo Soldiers gewesen, Mitglied einer Einheit, die die Unionsarmee der Nordstaaten zum Ende des Sezessionskrieges aufgestellt hatte. Doch Brenda bezweifelte, dass der Junge einen so guten Stammbaum besaß. Sobald ihm ein Insekt auch nur zu nahe kam, schlug er wie wild danach und kreischte. Das Gleiche geschah, wenn er einen Fleck auf seiner Kleidung bemerkte.
Der Dritte im Bunde lachte nicht. Er gab vor, woanders hinzuschauen, und versuchte krampfhaft, keine Partei zu ergreifen. Seinen Namen kannte sie. Angel Bautista war der Neffe ihres älteren, störrischen Rancharbeiters.
Angel war jung, frisch von der High-School. Geboren in einer Zeit, in der Mädchen gesagt worden war, dass sie alles tun und werden konnten sowie allen Vorbildern und Berufswegen folgen konnten. Angels Onkel stammte jedoch aus einer Ära, in der der Platz einer Frau hinter dem Herd gewesen war. Und wenn sie mal nach draußen gewollt hatte, hatte das nur geheißen, in den Garten.
Yankee und Frat Boy waren Außenseiter. Für sie war die Arbeit auf der Ranch lediglich ein Studienpraktikum. Sie würden in ein paar Wochen an ihr College in der Stadt zurückkehren. Angel hingegen lebte hier. Er würde einen Job auf einer Ranch finden und halten müssen. Er steckte zwischen den Welten der beiden Älteren fest. Brenda würde allerdings nicht lange darauf warten herauszufinden, wem der Junge letztendlich folgen würde.
Für Brenda war die Ranch ihr Leben, ihr Einkommen, und sie brauchte gute Arbeiter, um sie weiter bewirtschaften zu können. Sie trieb Rinderherden, seit sie reiten konnte. Sie hatte sich blaue Flecken beim Viehfüttern eingefangen, sich den Zeh beim Wechseln von Hufeisen gebrochen und das Handgelenk bei einem Viehtrieb, den sie selbst angeführt hatte. Egal welches Körperteil, sie verstauchte, zerrte und brach es im Laufe ihres Lebens als Boss dieser Ranch. Und in der ganzen Zeit hatte sie keinen Arbeitstag freigenommen.
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