Beladen mit Utensilien ging sie ins Badezimmer, um gleich wieder herauszukommen, weil sie die Zahnbürste vergessen hatte. Er saß auf dem Bett und stocherte in dem Essen vom Catering herum, kaute auf den Resten eines Steaks und besudelte die Bettwäsche mit blutigen Fettspritzern.
Im Badezimmer nahm sie die Badehaube aus der weißen Plastiktüte und verstaute ihre Mähne darunter, damit die glänzende Hochzeitsfrisur möglichst noch einen Tag länger hielt. Duschte rasch, aber gründlich, besonders sorgfältig wusch sie die Vagina, einschließlich der Schamlippen, dann zückte sie eine frische Rasierklinge, um etwaige Borsten am After zu eliminieren. Sie benutzte das harte Seifenstück des Hotels. Hätte sie eine Flüssigseife von zu Hause mitgebracht, hätte sie riskiert, dass der Spender in der Tasche auslief, und das hatte ihr gerade noch gefehlt. Inspizierte ihr Gesicht im Spiegel. Die Haut war vom Make-up ausgetrocknet, es musste dringend eine Feuchtigkeitscreme her. Sie kramte in der Tasche. Hatte vergessen, welche einzupacken. Kratzte die trockene Haut um den Pickel am Kinn herum ab, auf die Gefahr hin, dass es zu bluten begann, überkleisterte den Schandfleck mit Make-up. Sie wollte unbedingt schön aussehen, und noch mehr wollte sie, dass er ihr sagte, sie sei schön. Lächelte sich selbst im Spiegel an, es sah erbärmlich aus. Wie zum Trost prüfte sie ihren weißen, flachen, von den Alkoholdämpfen brodelnden Bauch. Trug rotes Lipgloss auf und zog das Nachthemd aus der Stofftasche; mit der cremeweißen Spitze am Abschluss war es fast schön genug, um als Brautkleid durchzugehen. Nur die Träger waren schwarz, aus weichem Samt. Das Dekolleté war tief ausgeschnitten. Durchschimmernde rosa Brustwarzen, enge, betonte Hüften und vom Stoff verhüllte dickliche Knie. In der Hoffnung, dass er nicht eingeschlafen war, ging sie zu ihm. Er lag schon im Bett, seine Kleider hatte er wild durcheinander aufs Bett geworfen, sein Blick war schläfrig, aber er lächelte. Auf Spitze sprang er immer an. »Komm«, sagte er mit seiner sanften, niedlichen Kinderstimme, und sie freute sich, dass er wach war, kroch zu ihm unter die weißen Laken. In Sekundenschnelle waren sie ineinander verschlungen. Er unter ihr, doch offenbar hatte er die Stellung bestimmt, nicht sie. Seine Augen waren glasig, ihre von einem dünnen Schleier überzogen. Er kam, ohne etwas zu sehen. War im Nu eingeschlafen.
Sie lag neben ihm und sagte sich: »Mein Ehemann, mein Ehemann. Mein Mann. Mein Mann.« Wieder. Vielleicht diesmal. Vielleicht ein Flüstern. Nur im Herzen. Mein Ehemann, mein Ehemann. Es ist wahr. Wirklich. Sie versuchte, sich selbst zu überzeugen.
Gedanken an die Hochzeit prasselten auf sie ein. Kann es sein, dass Milka wieder schwanger ist? Warum hat Jochai sich nicht gegen den aufdringlichen Doron gewehrt? Warum ist Avischag nicht gekommen? Wie sehr sie sich verausgabt hatte. Sie war hin- und hergependelt zwischen seinen Kiffer-Kumpanen und ihren nerdigen Kollegen einerseits und seiner religiösen Familie und ihrer Clubgänger-Clique andererseits. Der Ort hatte mit seinen zwei Etagen für die Trennung der verschiedenen Welten gesorgt und sie mehr als sechzigtausend Gesichter gestreift.
Auf der Hochzeit von Catherine und David vor einem Monat hatten sich Braut und Bräutigam so wenig um die Gäste gekümmert, dass sie sich für sie schämte. David behauptete, er sei auf einem Trip, obwohl er nicht einmal einen Joint angerührt hatte, ließ sich einfach treiben, während Catherine sich die ganze Zeit mit ihrem Asthmaspray auf die Toilette flüchtete, wo sie sich vor ihrer Schwester versteckte, die ihr mit Puder und Lippenstift dicht auf den Fersen war und immerzu »Touch-up, Touch-up« kreischte. Wegen Catherine und Davids Hochzeitstermin hatten sie ihren eigenen um einen Monat verschoben. Vielleicht wäre aber genau das der richtige Zeitpunkt für sie gewesen, um zu heiraten. Wer weiß das schon. Wirklich. Am meisten wünschte sie, es würde bei ihnen genauso sein wie bei Adam und Carmela, die sich die ganze Nacht geküsst und einander gefragt hatten: »Erinnerst du dich noch, wie …« »Hast du gesehen, dass …« »War das ein Spaß, als …« Immerhin hatten sie sich nicht wie Dafna und Lior gegenseitig die eingegangenen Schecks vorgezählt.
Sie stand auf, ließ Wasser in die Wanne ein, und tänzelnd wie bei einer Verführung kehrten all die kleinen Demütigungen des Abends zu ihr zurück. Alex, der Jonatan nach der Chuppa sein »Beileid« ausgesprochen hatte. Rotem, der, mit der Videokamera betraut, diese aus Versehen ruiniert hatte, sodass niemand die Trauung filmen konnte. Gal, der beinahe die Party verdorben hätte, weil er mit Schirli und Dafna flirtete, bis seine neue Freundin nach der Hälfte des Abends ging. Dafna, die die ganze Nacht wie ein kaputtes Spielzeug auf der Stelle auf und ab gehüpft war, bis ihr das trägerlose Kleid runterrutschte. Rotem, der ihrem gesamten Team aus der Arbeit halbe Ecstasypillen angeboten hatte. Und schließlich ihr Vater und ihre Mutter, die kein einziges Wort miteinander gesprochen hatten.
Er schlief wie ein Stein, und sie wagte es nicht, laut zu schreien und ihn zu wecken. Hellwach und nervös ging sie vom Bett ins Badezimmer und wieder zurück ins Schlafzimmer, vermaß im Kopf die Schritte und Augenblicke. Zog das spermabefleckte Babydoll aus. Sie mussten früh aufstehen morgen, das Zimmer bis elf Uhr räumen, er wollte bestimmt nicht das Frühstück verpassen. Sie hätte am liebsten eine Woche lang auf dem Teppich geschlafen, aber an Schlaf war nicht zu denken. Sie zog das Hemd ihres Mannes an, knöpfte es bedächtig zu und trat auf den Korridor hinaus, wobei sie die Champagnerflasche in die Tür klemmte, damit sie nicht zufiel, und schlich auf Zehenspitzen über den trockenen Teppich zum Fenster am Ende des Korridors. Mondlicht fiel auf den Strand, drei Palmen und eine gelbe Tankstelle. Auf der anderen Seite färbte sich der Himmel bereits violett. Sie presste die Nase gegen die Scheibe, atmete aus und malte mit dem Finger ein Herz auf das Glas. Dann kehrte sie ins Zimmer zurück und kuschelte sich wie immer von hinten fest an ihn und schlief ein. Gut möglich, dass er ihre Hand nahm, aber selbst wenn nicht, änderte es nichts.
Der Morgen zog mit einem starken, gleißenden Licht herauf. Sie hatte versäumt, die Jalousien zu schließen. Alles erstrahlte in Gelb, und sein Haar funkelte, jedes einzelne in einer anderen Farbe. Sie lugte auf die Uhr neben dem Bett. Zehn. Sie waren nicht rechtzeitig für das Buffett aufgewacht. Was ein Glück. In einer Stunde war Check-out. Sie stand auf, um zu duschen. Sie musste das Gesicht noch einmal waschen, frische Abdeckcreme auf den Pickel auftragen. Sie hatte Lust, wenigstens den Swimmingpool auszuprobieren. Sie packte den Lippenstift, seine Kleidung und das hauchdünne Nachthemd zusammen. Putzte sich die Zähne und ließ all die kleinen, verzierten Fläschchen des InterContinental samt Seife und Conditioner mitgehen. Dann schlüpfte sie in den roten Badeanzug und verbarg die schwarzen Ringe unter den Augen hinter der riesigen schwarzen Sonnenbrille, die sie für die Flitterwochen gekauft hatte. Auch er stand auf und folgte ihr lustlos hinunter. Der Hotelpool war mit kleinen Kindern und jauchzenden Familien bevölkert. In ihrem Kopf schallte noch immer die Diskomusik. Lovely day, lovely day, lovely day. Sie ging allein ins Wasser, schwamm auf dem Rücken bis zum Ende des Pools, der so angelegt war, dass man meinte, das Wasser ergösse sich von hier aus geradewegs ins Mittelmeer. Er trat an den Beckenrand, ragte über ihr, ein weißer, schattenwerfender Körper, die Augen zusammengekniffen. Ein Kind feuerte einen bunten Ball ab und traf ihn am Hintern. Verblüfft fuhr er herum, das Kind lachte. Er hob den Ball hoch, schoss ihn hinüber auf die andere Seite des Pools, wandte sich dann an sie und fragte, ob sie Geld für ein Eis hätte, aber sie hörte es nicht. Nur die Stille des Wassers in den Ohren, trieb sie Richtung Meer.
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