Rosa ist für Mädchen, Hellblau für Jungs, nach diesem Prinzip sind ganze Kaufhausabteilungen geordnet. Lego hat gerade eine neue Mädchen-Spielsteinreihe auf den Markt gebracht, für die Jungs gibt es eigene Cyber-Raketen-Roboterwelten. Als emanzipierte Erwachsene haben wir Geschlechterklischees längst für überwunden gehalten, doch Eltern werden derzeit wieder unerbittlich mit ihnen konfrontiert. Alles nur gut gemeint und kein Problem? Sind Geschlechterunterschiede nicht vielleicht wirklich angeboren und damit eine Lebensrealität?
Almut Schnerring und Sascha Verlan, selbst Eltern von drei Kindern, beschäftigen sich mit den Rollenklischees, die derzeit wieder fröhlich ins Kraut schießen, eine ganze Produktindustrie am Leben halten und sich zunehmend in den Köpfen der Betroffenen festsetzen. Hautnah und pointiert beschreiben sie Szenen aus dem Familienalltag, hören sich in Kindertagesstätten um, diskutieren mit Marketingstrateginnen, Genderforschern, Pädagoginnen und, natürlich, mit anderen Eltern. Wie würden unsere Kinder aufwachsen, wenn die Klischeefallen und Schubladen nicht immer wieder bedient würden? Ein Aufruf zum Widerstand, der ganz konkrete Tipps bietet, wie sich die Genderfalle im Alltag umschiffen lässt.
Almut Schnerringist Kommunikationswissenschaftlerin, Journalistin und Trainerin. Als »Wort & Klang Küche« schreibt und produziert sie gemeinsam mit Sascha Verlan Hörspiele und Radiofeatures für den öffentlich-rechtlichen Hörfunk. Almut Schnerring und Sascha Verlan leben mit ihren drei Kindern in Bonn.
Sascha Verlanist Literaturwissenschaftler, Regisseur und Journalist. Als »Wort & Klang Küche« schreibt und produziert er gemeinsam mit Almut Schnerring Hörspiele und Radiofeatures für den öffentlich-rechtlichen Hörfunk. Almut Schnerring und Sascha Verlan leben mit ihren drei Kindern in Bonn.
Almut Schnerring / Sascha Verlan
Für eine Kindheit ohne Rollenklischees
Verlag Antje Kunstmann
Vorwort von Ferda Ataman
#Rosahellblaufalle 2021
Die FAQs zur Rosa-Hellblau-Falle
Einleitung
1Mathe ist kein Bauchgefühl
Warum Klischees so beharrlich sind
2Von Beginn an zwei Welten
Warum wir schon vor der Geburt Unterschiede machen
3»Du wärst jetzt wohl mal die Mutter«
Rollenklischees im Kindergarten – und wie es anders geht
4Wir Gatekeeper
Im Spielzeugland der Marketingstrategen
5Strammer Max und Elfentrank
Was Ernährung mit dem Geschlecht zu tun hat
6Nachmittage zwischen Blutgrätsche und Prinzessinnen-Cup
Das Rollenbild vom echten Kerl
7»Mann redet, Frau nackig«
Geschlechterrollen in den Medien
8Hilfe für Bildungsverlierer
Allein oder zusammen – wie Schulen weiterführen
9Zwischen fünf und Sex
Körperbilder
10Wenn die Fachmännin mehr Manpower braucht
Sprache der Macht und Macht der Sprache
11Schluss
Braunäugige und Blauäugige
Dank
Literatur
Anmerkungen
Mal Hand aufs Herz: Sind für Sie wirklich alle Menschen gleich? Oder legen Sie nicht doch Wert auf ein akademisches Umfeld bei der Kinderbetreuung und der richtigen Schule? Lotsen Sie Ihren Sohn im Kaufhaus vielleicht unbewusst weg vom Spielzeugregal mit Puppen und Haushaltsdingen und hin zu den Angeboten für Jungs? Gibt es Verhaltensweisen oder Merkmale, die Sie als ›unmännlich‹ oder auch ›nicht weiblich genug‹ empfinden? Und prüfen Sie bei manchen Spielfreund*innen ihrer Kinder das Elternhaus etwas genauer, als bei anderen? Wenn ja, sind Sie damit nicht allein.
Gesellschaftlich normierte Sichtweisen auf Gruppen haben mit den Informationen zu tun, die wir zu einem Thema haben, und damit, wie unser Gehirn diese Informationen verarbeitet. Bei ›Indien‹ denken deshalb viele Menschen spontan an Curry Pulver oder Yoga, bei Behinderung an einen Rollstuhl und bei ›Junge‹ an Fußball. Das menschliche Gehirn arbeitet pragmatisch und nicht ausgewogen-fair, also sind unsere Denkmuster geprägt von Klischees und Schubladen.
Phänomene wie Sexismus, Rassismus, Transfeindlichkeit, Ableismus (Abwertung von Menschen mit Behinderung) und ähnliches haben mit unseren Denkmustern zu tun. Ich sage unsere, denn wirklich niemand ist frei davon. Viele haben »Mitleid« mit behinderten Menschen, finden trans Personen »nicht normal«, glauben Schwarze Kinder kommen aus Afrika und seien nicht von hier. Die Denkmuster sind da, auch wenn dahinter keine böse Absicht oder feindliche Haltung steckt.
Seit Jahren reden sich Feminist*innen den Mund fusselig, dass ›Sexismus‹ nicht erst sichtbar wird, wenn eine Frau beleidigt oder sexuell genötigt wird. Bei Sexismus geht es um die Frage, wie unsere Gesellschaft tickt: also inwieweit Männer und Frauen unterschiedliche Rollen mit unterschiedlichen Eigenschaften zugeteilt bekommen. Dieses Verhalten ist leider problematisch für alle Beteiligten: Jungen und Mädchen werden in tradierte Verhaltensmuster gedrängt und andere Geschlechter sowie nicht-heterosexuelle Identitäten unsichtbar gemacht.
Sexistische Ansichten kommen oft als scheinbar nette Worte daher, wie etwa: »Du bist doch viel zu hübsch, um Feuerwehrmann zu werden.« Vermeintliche Komplimente wie dieses bekommen Kinder und Erwachsene gleichermaßen zu hören. Und immer, wenn darüber diskutiert wird, finden sich ein paar Neunmalkluge, die meinen, man dürfe sowas nicht Sexismus nennen – weil das ›echte Fälle‹ von Sexismus verharmlose. Doch echte Fälle sind es auch, wenn Eltern, Erzieher*innen, Lehrkräfte oder die Werbung Kinder unterschiedlich behandeln, weil sie Thomas oder Yasemin heißen. Das passiert meist ohne böse Absicht. Einfach nur, weil sie Mädchen und Jungen sind. Und trotzdem leiden Kinder unter diesen Zuschreibungen.
Dieses Buch ist enorm wichtig. Es zeigt auf, wie stark Sexismus noch immer unseren Alltag prägt. Es ist nicht nur ein Elternratgeber für alle, die wollen, dass ihr Nachwuchs sich frei entfalten kann – es ist auch ein gesellschaftspolitisches Manifest. Kapitel für Kapitel hilft es den Lesenden dabei, sich bewusst zu werden über Geschlechterrollen und -zwänge, in die wir gepresst wurden und die wir an unsere Kinder weitergeben. Wer »Die Rosa-Hellblau-Falle« gelesen hat, wird die Welt um sich herum mit anderen Augen sehen.
Ich habe dank der »Rosa-Hellblau-Falle« erstmals begriffen, warum sich Sexismus so hartnäckig hält, obwohl wir doch in einer aufgeklärten, modernen Gesellschaft leben. Sich dessen bewusst zu werden, ist der erste, wichtige Schritt, um damit reflektierter umzugehen. Der nächste ist, sich mit anderen Menschen darüber auszutauschen. Ich habe dabei festgestellt, dass es vielen ähnlich geht, wie mir – dass auch sie die omnipräsenten Rollenklischees in der Erziehung, im Berufsleben oder auch im Supermarkt endlich überwinden wollen. Und das macht große Hoffnung.
Wer sich gemeinsam mit den Autor*innen auf den Weg raus aus der »Rosa-Hellblau-Falle« machen möchte, kann sich auch in den Initiativen engagieren, die von Almut Schering und Sascha Verlan gestartet wurden: dem ›Equal Care Day – Aktionstag für mehr Wertschätzung, Sichtbarkeit und eine faire Verteilung der Sorgearbeit‹, oder bei ›Goldener Zaunpfahl - Preis für absurdes Gendermarketing‹.
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