Doch weit davon entfernt, ein düsteres, nihilistisches Lebensbild zu zeichnen, bieten die buddhistische Philosophie und Ausübung jede Menge Hoffnung und praktische Lösungen für die Probleme des täglichen Lebens. Die Philosophie, die wir in diesem Buch beschreiben, ist so praxisnah, dass wir sie meistens gar nicht als »Religion« bezeichnen, auch wenn es eine ist. Wir reden meistens von »Praxis« oder »Ausübung«, weil diejenigen, die sie anwenden, sie äußerst nützlich finden. Daher berührt dieses Buch zwar viele Fragen zur Theorie und Philosophie des modernen Buddhismus, doch der Schwerpunkt wird darauf liegen, wie Du, als einzelner Mensch, den Buddhismus als machtvolles Werkzeug nutzen kannst, um Deine Probleme zu lösen.
»Keine weltliche Angelegenheit steht jemals im Widerspruch zur wahren Wirklichkeit«, zitierte Nichiren aus dem Lotos-Sutra. Und weiter: »Alle Phänomene im Universum sind Manifestationen des buddhistischen Gesetzes.« Mit anderen Worten: Unser Alltag ist die Bühne, auf ihr wird der Kampf um Erleuchtung gewonnen oder verloren. Nichiren lehrte, dass Normalsterbliche die Buddhaschaft genau hier auf dieser Welt verwirklichen können, und zwar ohne ihre Begierden auszulöschen oder ihre Identität zu verändern. In einem Zeitalter, in dem Skeptizismus und weitverbreitetes Misstrauen gegenüber traditionellen Glaubenssystemen und Institutionen vorherrschen, gewinnt eine solche dynamische, in Eigenregie betriebene religiöse Ausübung umso mehr an Wert.
Der Buddhismus ist seinem Wesen nach unautoritär, demokratisch, wissenschaftlich und auf Einsichten basierend, die durch individuelle Anstrengungen zur Selbstvervollkommnung gewonnen wurden. Doch der Buddhismus hat auch unmittelbare und weitreichende Auswirkungen auf die Gesellschaft, unser Umfeld. Er ist eine Lebensweise, die zwischen dem einzelnen Menschen und der Umgebung, in der er lebt, keine Trennung macht. Mit seinem Verständnis vom Miteinander-Verwobensein aller Lebensformen in einem komplexen Netz, das über den Menschenverstand hinausreicht, liefert der Buddhismus einen spirituellen und intellektuellen Rahmen für ein neues Umweltbewusstsein.
Die westliche Weltsicht, so wie sie vom Christen- und Judentum ausgeht, tendiert zum Anthropozentrismus, stellt also die Menschheit an die Spitze der natürlichen Ordnung.
Der Buddhismus hingegen sieht die Menschheit als Teil der Natur, er stützt und formt somit die Ideen der Bio-Ethik. Da jedes Individuum mit allem auf der Erde verbunden ist, liegt das Schicksal unseres Planeten in den Händen des Individuums, in dem, was es tut. Der moderne Buddhismus ist zudem nicht moralistisch.
In einer Welt, die gekennzeichnet ist durch eine solch große Vielfalt von Völkern, Kulturen und Lebensweisen, schreibt der Buddhismus keine einzig richtige Lebensart vor. Es gibt keine »Gebote«. Der Buddhismus nimmt Dich so, wie Du bist, mit all Deinen Macken und Fehltritten, den momentanen wie den vergangenen. Das ist natürlich kein Freibrief fürs Lügen, Stehlen und Morden. Der Buddhismus gewinnt seine moralische Stärke nicht aus einer Liste von Verhaltensregeln, sondern aus einer unwiderstehlichen inneren Transformation.
Ausübende des Buddhismus stellen fest, dass sie freundlicher, mitfühlender und mit hoher Rücksicht auf deren Kostbarkeit mit dem Leben anderer Menschen umgehen. Dieser Prozess vollzieht sich fast automatisch.
Der Buddhismus und der Kosmos
Nichts von dem, was der historische Buddha lehrte, widerspricht ernstlich den Entdeckungen von Galileo, Einstein, Darwin oder Freud, entstanden seine Ideen dennoch Jahrtausende vorher, ohne die Hilfe von Teleskopen, Hochtechnologie, sogar ohne das geschriebene Wort.
Das buddhistische Modell des Universums ähnelt stark der heute akzeptierten Kosmologie. Der Buddha sprach zwar nie im Sinne eines großen Urknalls, nichtsdestotrotz beschrieb er einen Kosmos, der theoretisch mit dem übereinstimmt, was viele Wissenschaftler heute annehmen.
Auf recht grundlegende Weise akzeptiert die buddhistische Theorie die riesigen Dimensionen und Konzepte von Raum und Zeit, wie sie die moderne Physik entwickelt, und ist selbst deckungsgleich mit den verwirrenderen Bereichen der Quantentheorie.
Wissenschaftliche Artikel über die neuesten Durchbrüche in der Teilchenphysik weisen zum Beispiel bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit der Lehre der Unbeständigkeit auf, die der Buddha darlegte. Im Lotos-Sutra, dem zentralen Text des Mahayana-Buddhismus, zeigt sich eine Sicht aufs Universum von prometheischen Ausmaßen. Dort ist von »Großweltsystemen« die Rede, ein weitgefasstes Konzept, das sowohl die Existenz von unzähligen Galaxien bejaht wie auch die Möglichkeit von fühlendem Leben auf anderen Planeten. Gleichzeitig liefert er eine detaillierte Analyse des Lebens, die die Tiefen der menschlichen Psyche auslotet. So setzt der Mahayana-Buddhismus grundsätzlich voraus, dass es im Universum zahlreiche belebte Welten gibt.
Gleichzeitig versteht er sich als Triebkraft für jeden einzelnen Menschen, seine eigene spirituelle Reformation herbeizuführen, womit er einen dauerhaften Frieden und ein langfristiges Gedeihen von Zivilisationen sichert.
In seiner zweieinhalbtausendjährigen Geschichte zeichnete sich die Verbreitung des Buddhismus durch Toleranz, Freundlichkeit und Liebe zur Natur aus. »Der Buddhismus«, so der französische Orientalist Sylvain Lévi, »kann die Ehre für sich beanspruchen, einen Teil dieser Welt erobert zu haben, ohne jemals Gewalt, ohne jemals Waffen eingesetzt zu haben.« Tatsächlich ist das Ziel von Buddhisten – und auch dieses Buches – der Weltfrieden. Im Buddhismus sprechen wir von »Weltfrieden durch persönliche Erleuchtung «. Eine friedliche und sichere Gesellschaft ergibt sich aus einem Prozess des persönlichen Dialogs – von Mensch zu Mensch zu Mensch –, bis der Krieg und alle unterschwelligen Ursachen dafür von dieser Welt verschwinden. Aus all diesen Gründen wird der Buddhismus in der aufkeimenden wissenschaftlichen Kultur des 21. Jahrhunderts eine dynamische Rolle spielen.
Mit dieser funkelnden Idee im Hintergrund wenden wir uns nun der individuellen Ausübung zu, einschließlich des verborgenen Gesetzes, das Nichiren in den Tiefen des Lotos-Sutra zutage förderte. Schließlich gilt: Bevor wir das Schicksal der Welt verändern, müssen wir uns erst einmal selbst verändern.
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