Ich bin bi. Obwohl. Ich weiss nicht, ob man das so nennen kann. Mit Frauen schlafe ich nur. Mit Männern schlafe ich und versuche so anstrengende Konstrukte wie Beziehungen aufzubauen. Mit Frauen tu ich das nicht. Erstens: Ich habe mich nie in eine Frau verliebt, also gab es nie Grund dazu. Und zweitens: Ich will mich den Frauen nicht zumuten. Ich will einfach keine Frau verletzen. Denn meistens verliere ich nach dem Sex das Interesse. Passiert dies nicht, mache ich auf Perfect Girlfriend bis … ich das Interesse verliere. Was allerspätestens nach drei Monaten passiert. Ich habe es, bis auf eine traurige, unschöne Ausnahme, nie länger als drei Monate in einer Beziehung ausgehalten. Ich bin grösser, aber jünger als Emma. Beides nicht viel. Aber bisschen. Ich bin Nichtraucherin. Dafür kiffe ich. Will aber aufhören. Weil ich zu viel esse, wenn ich kiffe. Und für meinen Job ist nicht gut, wenn ich zunehme. Ich wohne eigentlich in Genf, meine Mutter und ich sind da hingezogen, als sich meine Eltern scheiden liessen. Mein Dad lebt in Zürich. Deshalb war ich früher jedes zweite Wochenende hier. Jetzt bleibe ich manchmal länger. Mein Dad ist eh immer weg. Und seine Wohnung liegt an bester Lage (Kreis 5), ist riesig und so viel schöner als mein WG-Zimmer in Genf. Und er kriegt Tickets für all die Veranstaltungen, an die er selber nicht kann und an denen man gratis trinken kann und … Leute wie Emma kennenlernt.
Und darum ist Emma mit Cleo befreundet:
1. Cleo hat zwei Stunden mit mir auf meinem Küchenboden geweint und wortlos meine Hand gehalten, als meine Lieblingstante starb.
2. Cleo hat, als Suff-SMS-Sandro mal wieder eine neue Freundin hatte, während ich akut in ihn verschossen war, ein ganzes Wochenende mit mir auf meiner Dachterrasse «Mein Herz» von Beatrice Egli in Endlosschlaufe gehört.
3. Cleo hat mich in einem sehr emotionalen Anfall für komplett gestört erklärt, als ich sie sehr spät am Abend mal weckte, weil mich die Todesmeldung von Michael Jackson so krass mitgenommen hat.
4. Cleo hat mich mal an einem Freitag um 16 Uhr angerufen, um mich zu fragen, ob wir den Schnellzug nach Paris nehmen können, um am Samstag in ihrem Lieblingsrestaurant Moules et frites zu essen. Wir konnten.
5. Cleo hat mir «The Simpsons»-Gummistiefel geschenkt und mich zu einem Backstreet-Boys-Konzert begleitet.
6. Cleo klebt regelmässig handgeschriebene Liebesbotschaften auf Post-its irgendwo in meine Wohnung.
7. Cleo sagt mir oft, dass ich das schönste Lachen der Welt habe.
8. Cleo behauptet regelmässig und gegenüber allen, wir hätten am Anfang unserer Freundschaft was zusammen gehabt. Sie hat das auch meinen Eltern erzählt.
9. Cleo hat einen Ordner auf ihrem Compi, wo sie Bilder von Hochzeitskleidern hortet, von denen sie sicher ist, dass ich sie zur gegebenen Zeit dafür lieben werde.
10. Cleo wird das Gotti meiner ersten Kartoffel, sollte ich jemals eine bekommen.
So haben sich die beiden Frauen gemäss Cleo kennengelernt.
Es war ein Sommerabend. Eine Party in Zürich. Emma arbeitete hinter der Bar. Ich sass an der Bar. Was gut war, denn so konnte ich mich betrinken und hatte gleichzeitig den besten Blick auf die Person hinter der Bar. Tatsache ist: Ich hatte einen Crush auf Emma, als wir uns kennenlernten. Was nicht überrascht. Alle haben einen Crush auf Emma, wenn sie sie kennenlernen. Irgendwann haben wir uns unterhalten. Sie checkte nicht, dass ich mit ihr flirtete. Was durchaus daran liegen kann, dass ich eine miserable Flirterin war. Aber was soll ich sagen, ich war jung. Wir verstanden uns, Emma und ich, und irgendwann war die Party zu Ende. Wir gingen mit den anderen Barleuten in einen Club. Und dann ist es passiert, in dem Getümmel auf der Tanzfläche, und sie bestreitet es heute noch, aber Emma, gib es endlich zu: Wir haben uns geküsst! Nicht lange. Aber, es war ein Kuss! (Ja, ich war blau wie Sau, aber ich kann mich erinnern! Ich kann mich ganz klar erinnern!)
Fragt man Emma, war das anders: «Wir haben höchstwahrscheinlich ganz sicher nicht geknutscht. Mensch!»
KID CLEOEmma, bist du da?
EMMA AMOURJa. Für dich immer.
KCÄhm, das meinte ich nicht, es geht mir gut. Ich habe keine Probleme. Also, schön, dass du für mich da bist. Aber hier geht es vor allem um dich. Um dich und deine Probleme. Oder hast du gar keine Probleme?
EADoch, logisch. Tausende. Das ewig verstopfte Brünneli ist das kleinste. Schlimmer ist das Dilemma um mein Liebesleben. Und das um meinen Kontostand. Ausserdem weiss ich nicht, wie ich einen weiteren Valentinstag ohne festen Freund überstehe. Nein, wart. Ich überstehe den Scheiss super. Ich weiss nur nicht, wie es meine Familie schaffen soll. Also eigentlich einfach meine Mutter.
KCIch habe dir das schon hundertmal gesagt, ich sags aber noch einmal: Ich verstehe nicht, was dein Problem ist. Also mit der Liebe. Jeder steht auf dich. Jeder! Und jede! Wollen wir an dieser Stelle, nur ganz kurz, noch den Leserinnen und Lesern erzählen, dass wir etwas hatten, als wir uns kennenlernten? Ich bin, was dieses Gespräch und auch alles sonst betrifft, für Ehrlichkeit und Transparenz.
EAOhman, zum tausendsten Mal. Wir hatten nichts miteinander. Also wahrscheinlich nicht. Oder ziemlich sicher nicht. Da war viel Wein. Und ein biz Nebel im Kopf. Ich bin aber sehr sehr sehr sicher, dass du grandios küsst. Also, weiter?
KCDanke. Das glaube ich dir, dass du sehr sicher bist…
EAGenügt es nicht, dass mich schon die Männerwelt so nervt. Musst du auch noch? Okay, du musst.
KCJetzt nur nicht grad aggressiv werden wegen einem ganz ganz kleinen Kuss. Zurück zu den Problemen und der Liebe.
EAAlso schau, ich wünsche mir den grossen Knall. Was kann ich dafür, dass ich «Love Actually» gesehen habe und mich so in die Szene verliebt habe, wo ein Typ mit einem Ghettoblaster und Schildern vor der Türe einer Frau steht und ihr per Schilder seine Liebe erklärt. Mir hat noch keiner seiner Liebe per Schilder erklärt …
KCMoment! Der hat das Kartonzeugs für die Frau seines besten Kumpels gebastelt! Das ist nicht romantisch, das ist hinterrücks!
EADas ist Hollywood-Dramaturgie. Im real life, also in meinem life zumindest, reicht es völlig, wenn es ein absoluter Normalo macht. Einer mit schönen Waden und gutem Humor. Und gepflegten Händen. Du weisst schon.
KCJa, und Arzt muss er sein. Ich weiss, ich weiss. Ems, das ist kein Normalo, das ist Mister Perfect. Die gibts nicht im richtigen Leben.
EAAuch hier, sehr schade, dass das Leben keine «Grey’s Anatomy»-Folge ist. Aber nun gut. Schau, Suff-SMS-Sandro zum Beispiel. Der ist kein Arzt. Der hat oft raue Hände. Und einen Humor, den vor allem er selber lustig findet …
KCWarum, und da spreche ich wohl im Namen aller Emma-Fans, bist du denn herrgottnochmal nicht mit Suff-SMS-Sandro zusammen?
EAWir sind nicht kompatibel. Komm, du kennst ihn, du kennst mich. Kannst du bitte mal als Drittperson den Leserinnen und Lesern sagen, dass und vor allem warum wir nicht kompatibel sind? Also ausserhalb des Bettes nicht?
KCNein.
EADu nervst …
KCOkay doch, ich weiss es ja: Weil ihr nicht verliebt seid. Und du willst nicht um das Verliebtheitsgefühl betrogen werden. Ich weiss das ja. Und doch denke ich manchmal in einer romantischen Phase, dass ihr gut zusammenpassen würdet. Einfach, weil du es sonst mit keinem so lange aushältst. Nur deshalb. Er ist Inventar. Er gehört irgendwie zu dir dazu. Was auch alle wissen wollen: Was machst du, wenn du keine Kolumnen schreibst?
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