dir nicht entschlüpfen, wenn du erst im Haus
gastlich bewirtet mit Eumaios tafelst:
denn allzuoft kommt einer so wie du
und fabelt, aus Gewinngier oder Not,
er wisse von Odysseus zu erzählen.
Worauf er dann, bis sich die Balken biegen,
zumeist mit dreister Gaunerstirne lügt.
Ich rate dir: schweig von Odysseus! Weder
behaupte, daß du ihn mit Augen sahst,
noch, daß ein Gastfreund dir von ihm berichtet,
noch, daß er kurz zuvor in einem Lande
gewesen sei, in das du kämest! Sage
nicht, daß er lebe! komm' es dir nicht bei
zu schwören, daß du sein Speerträger warst
vor Troja oder gar im Bauch des Pferdes
verborgen saßest, neben ihm! Vor allem,
wenn du auf Gaben hoffst, Nachtlager, Schutz,
so hüte dich, daß nicht ein Dämon dich
verleitet, bis du etwa prophezeist
und irreredest von Odysseus' Heimkehr!
Denn dies ist nun gewiß: er kehrt nie heim!
Odysseus
Wieso ist das gewiß?
Leukone
Die Götter haben
ihm fern von hier den Untergang bereitet,
und keine Hoffnung bleibt uns mehr!
Odysseus
So habt
ihr die gewisse Nachricht seines Todes?
Starb er denn rühmlich?
Leukone
Frag Poseidaon,
der ihn auf salziger Flut umhergehetzt,
ob er im Kampfe mit den Räuberschiffen
dahinsank oder ob den ruhmlos Ringenden
die See verschlang.
Odysseus
Man sagt – und wissen möcht' ich,
ob man mit Fug sagt –, dreizehn hauptumlockte
Achaier aus dem Schwarm, den einst der Held
gen Troja führte, seien wohlbehalten
jüngst heimgekehrt?!
Leukone
Jüngst heimgekehrt? Nicht einer
seit zwanzig langen Jahren. Er ist tot.
Und also zweifle niemand, daß er's ist,
und harre niemand sinnlos der Verschollnen,
denn dies heißt freveln! Unheil übergenug
hat Zweifeln, Zaudern, Harren uns gebracht. –
Was tust du?
Odysseus
Nichts! Mich schaudert's nur! Die Luft
ist kalt auf euren Felsen! – Gut, ich will,
um Essens willen, denn mich hungert! – will
den Namen, der mir auf der Zunge schwebt,
festbinden! Um ein Stück verschimmelt Brot
aus dem Gedächtnis tilg' ich ganz ihn aus. –
Doch sage mir: Wer ist es, der dem Helden
den Hügel wölbte? Totenopfer ausgoß? –
Blieb irgendwer zurück, um dies zu tun?
Leukone
Dies ist die Frage, Greis, die meine Seele
in Sorge zittern macht, seit Telemach
zu Schiffe ging, sich in der sandigen Pylos
Rats zu erholen bei dem alten Nestor;
ich selber war's, die ihn dazu bewog!
Auch riet ich ihm, zum allerletztenmal,
Kundschaft zu suchen von dem Vater, ob
noch irgend, daß er lebe, Hoffnung sei.
Ich riet – nichts hoffend und des Gegenteils
vielmehr gewiß – nur darum, daß er hier
männlich der unheilträchtigen Trauer steure,
der tatenlosen, kurzerhand den Hügel
aufhäufe, opfere, Geschenke bringe
und fortan, frei jedweden Zauderns, selbst
das Szepter halte, in dem Seinigen
als ein Gebieter waltend. Doch nun ist
zwiefach peinvolles Harren unser Los,
seitdem er fort ist: harrten wir des Vaters –
nun harren wir des Vaters und des Sohnes!
Fast dünkt des Sohnes Wiederkunft mir heut
ein Glück, weit inniger zu wünschen als
Odysseus' Wiederkehr! denn er ist jung
und jener alt, wo wir der Kraft bedürfen
und eines starken, jugendlichen Arms!
Nun steh' ich hier seit Wochen, spähend, blicke,
bis mich die Augen schmerzen, ferne hin.
Hätt' ich doch Fittiche, dem Kranich gleich,
zu fliegen, daß ich ihn verwarnte, ihm,
dem ahnungslosen Telemach, mit Fingern
die Meuchler wiese, die mit vielen Schiffen,
verteilt um unsre Küsten, auf ihn lauern:
um ihn zu töten, wie ihr Vorsatz ist!
Odysseus
Du sprichst von einem Manne!? Telemach? –
So lebt ... hieß nicht Odysseus' einz'ger Sohn,
den er zurückließ, saugend an den Brüsten
der Mutter, Telemach? Lebt Telemach?
Lebt dem Verschollnen, sage mir, ein Sohn?
Leukone
Träumst du noch immer? Auch die göttliche
Penelopeia lebt, des Sohnes Mutter!
Freilich, die sonderbarste Mutter, die
je einem Sohn beschieden war: umgeben
von einem Hofstaat wilder Freier, die
ihr huldigen, des Sohnes Gut verprassen,
ihm selber nach dem Leben trachtend! – Wohl,
du lächelst, Greis: dies scheint dir Widersinn!
Und doch sind jene Männer, die dort draußen
mit schamlos aufgeblähten Segeln kreuzen,
Penelopeias fürstliche Schmarutzer,
die ihre Duldung großzog, ihre Schwäche
ausbrütete, die ihr mit Schmeicheleien
die angsterfüllte Seele sättigten,
bis daß sie dumm und haltlos ward und ein
Gewebe webt, was sie zu endigen
nicht wünscht und webend immer wieder auftrennt.
Und wenn es diesen Werbern nun gelingt,
den Sohn zu morden der Umworbenen,
so ist, was sie trotzdem gewoben hat,
das Leichenhemde des Laertes nicht!
vielmehr des Sohnes, Telemachens Tod!
Odysseus
zerbricht seinen Stab
Das werdet ihr nicht wollen, Himmlische!
Eumaios
erscheint durch das Hoftor
Zween Ferkel braten, Fremder, uns am Spieß!
Komm nun.
Leukone
Er röchelt.
Eumaios
Bist du krank?
Leukone
Man sieht
das Weiße seines Auges nur, Großvater!
Eumaios
Laß gut sein, und bereite uns den Mischkrug,
Leukone. Dieses Mannes Seele ist
verschmachtet, und wer wüßte nicht, wie Mangel
den Menschen niederbeugt, der umgeworfen
im Raum des Schiffes wie ein totes Gut
geduldig Monde überdauern muß.
Leukone begibt sich in den Hof.
Du hast den Fuß auf festem Grunde, Vater!
Steh auf, tritt in mein Haus und tue Ehre
dem Tische an, der drinnen dir gedeckt steht.
Odysseus
erhebt sich langsam, von Eumaios gestützt, starrt nach der Stelle, wo Leukone gestanden hat
Die Göttin? – Sage mir, wohin entschwand
die Himmlische? – die aus Kronions Haupt
Entsprungene? – Sie war bei mir, sie stand
zween Fußbreit nur von dir entfernt! dort stand sie
und sprach! – Und was sie sprach, will ich bewahren
in meinem Herzen, bis die gute Stunde
des Glücks, wo eine mir beschieden ist,
den Mund mir überfließen macht! – Für jetzt
laß mich ... gewähre mir's, daß ich die Schwelle,
eh ich sie überschreite, mit den Lippen
berühren darf! Denn niemand fordere
von mir, daß ich das Antlitz dieses Steins
beleidige, das altehrwürdige:
durch ach wie viele schlummerlose Nächte
im wilden, ringenden Gebet ersehnt.
Er läßt sich nieder, drückt die Lippen auf die Eingangsschwelle des Hofes und liegt so, lange und schweigend. Endlich erhebt er sich und geht mit Eumaios in das Gehöft, wo beide verschwinden.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.