die Schatten tranken gierig, wie ich hier!
O meine Mutter! mit dem blanken Schwert
mußt' ich es dir verwehren, von dem Blut
zu schlürfen! Qual im Herzen, tat ich's! doch
ich tat's! ich wehrte dir! dann endlich trankest
auch du! – und deine Lippen regten sich,
und Worte, selbst wie Schatten, flüsterte
des Schattens Mund! – O Mutter! dreimal sprang ich
hinzu, dich zu umarmen! dreimal löste
dein Bild in nichts, gleich wie ein Traum, sich auf! –
O Mutter! – Traum ist alles um mich! – Traum! –
Eumaios
Verworrne Dinge sprichst du, Fremdling! und
du machst mich schaudern! – Der das Gastrecht hütet:
Zeus! sei uns gnädig. – Komm und setze dich!
Er geleitet den Bettler zur Bank und läßt ihn niedersitzen. Dann fährt er fort
Ein Hirte bin ich: Diener meines Herrn
und herrenlos! – Dies scheint dir wunderlich
vielleicht! – So ist's! 's ist wunderlich und ist
kein allzu freundlich Schicksal, leicht zu tragen!
vielmehr, der ärgsten Bürde gleich, oft schwer! –
Doch still davon! die Götter wollen's, und
er, der mein Herr ist – und nicht ist! –, er trägt
schwerer als ich, der ich, von Mangel nicht
berührt, daheim von seinem Wohlstand zehre,
während er fern ist, irrend – oder tot!
In seinem Namen sei willkommen, Fremdling!
Und wie ich mit dir teile Wein und Brot,
so mögen es die Götter fügen, daß
man ihm ein Gleiches tue wie ich dir,
wo er, entblößt von allem Nötigen
vielleicht – dir ähnlich – Mitleid heischend anklopft!
Verzieh ein wenig! Stärke dich mit Wein,
dem herzerfreuenden! indessen schlacht' ich
und rufe dich, ist alles wohl bestellt,
hinein zur Mahlzeit.
Eumaios, Bogen und Pfeile mit sich nehmend, geht in den Hof. Der Bettler sitzt eine Weile in sich gesunken da. Leukone steht in der Nähe und betrachtet den Fremden gedankenvoll. Er bewegt plötzlich die Lippen.
Odysseus
Welchen Namen trägt
dies Land, auf das ich blicke?
Leukone
Ithaka!
Odysseus
wendet sich langsam und betrachtet Leukone fremd und geistesabwesend
Ich frage, wie dies Land heißt, wo ich bin! –?
Leukone
Dies Land ist Ithaka!
Odysseus
scheint nicht zu begreifen, läßt den Blick langsam durch die Fernen der Insel wandern
Ich werde nie –
ich fühl's – grausame Mächte! ... werde nie
auch nur den Rauch von meinem Heimatsherde
am fernsten Himmel steigen sehn! –
Leukone
Wenn du –
unmöglich kamst du doch zu Fuße, Fremdling ...
wo zoget ihr die Kiele auf den Strand?
Odysseus
blickt, ohne die Frage des Mädchens zu hören oder zu beantworten, unverwandten Auges in die Landschaft
Welch eine Qual ward mir nun wiederum
ersonnen? – Hilflos tast' ich um mich her,
gehüllt in Wahnsinn! – Wo ich landete? –
Es ist mir unbekannt! – Mit wem ich kam? –
Ich weiß es nicht! – Woher? – Könnt' ich es sagen!
Leukone
Bist du so sehr verwirrt, daß du nicht weißt,
woher und wie du zu uns kamst, so müssen
die Schmerzen, die du littest, furchtbar sein
und grauenvoll der Zorn der Himmlischen,
die dich verfolgen: denn ich wüßte mir
nicht eine Strafe auszudenken, schlimmer
als Wahnsinn! – Wenn die leere Finsternis
herrscht hinter eines Mannes Stirn, wo sonst
Zeus' Tochter thronend sitzt, die klare Gottheit:
so ist der Wurm im Schlamme glücklicher
und herrlicher als er! – Wie wäre dies
wohl für ein Menschenauge zu erdulden –
geschweige für ein göttliches! –, wenn Tote
im Licht sich spreizten, tränken, Speise schlängen
und wandelten!?
Odysseus
Sag mir: wie heißt dies Land? –
Leukone
Weißt du schon nicht, woher der Wind dich trug,
so wisse – und des magst du sicher sein,
Greis! –, dies ist Ithaka! Hier herrschte einst
Odysseus! Einst, nicht heut! – Heut herrschet hier
Gewalttat, Raub, Haß, Unterdrückung, Mord!
Odysseus
Und wer ... wer, sagst du, führte ehmals hier
das Szepter, Stimme? – Welcher Mann?
Leukone
Ein Gott!!
Odysseus
Und welchen Namen liehst du ihm?
Leukone
Odysseus!!
Odysseus
Sprich dies noch einmal, klar – und Laut für Laut.
Leukone
Es ist kein Ziegenhirt in Hellas' Grenzen
so taub und so geschieden von der Welt,
daß ihm vom Ruhme des Odysseus nicht
die Seele schauderte ... daß er vom Klange
des Namens nicht erbebte bis ins Mark,
den du, Unseliger, vorgibst, nicht zu kennen.
Odysseus
Ich kenne ihn!
Er verhüllt sein Haupt.
Leukone
Du mußt ihn kennen! Ja!
Den Städtezertrümmerer! im Völkerrat
den Ersten! jenen Mann, durch dessen List
die große Ilion zuletzt dahinsank.
Odysseus
enthüllt sein Haupt wiederum. Rätselhaft scheint die ausgebreitete Insellandschaft seinen Blick anzuziehen
Trug der Dämonen! – Wälder, ihr umgrünt
des Felsens Flanke wie ein Vlies. Zur Bucht
ergießt ein Strom sich. Weiden stehen dort
und Pappeln. Fischer liegen auf dem Fang,
und draußen kreuzen Segel. – Schließ' ich nun
mein Auge, oder tu' ich's auf: es ist
das gleiche Bild – dem innern Sinne und
dem äußeren die gleiche Wohltat! Und
beschränkt, befriedet gleichsam, ruht der Blick,
obgleich ihn sichtbar keine Schranke einschließt,
wie ein Verfolgter auf dem Bette der
Herberge eines Gottes selig aus! –
Und doch ist's Trug.
Leukone
So wäre dir dies Land
nicht fremd?
Odysseus
Gemach, und laß mich sinnen! Sage:
liegt hinter jenen sanften Hügeln dort,
die, vom Gewölk des Ölbaums grau umschattet,
den Strom verbergend, nach der Küste streben ...
liegt hinter ihnen ... zwar verborgen ...? Nein! –
Du lügst! ich weiß es! ... Und dort ist die Stadt
und liegt der königliche Sitz des Mannes,
den du mit Namen nanntest!
Leukone
Ja, so ist's!
Odysseus
Pallas Athene, Göttin, sprachst du das?
Teilst du die Nebel mir mit einem Strahle,
der mich nicht tötet! –? Heimat, bist du das? –
Stehst du noch da? – noch immer hier? – hast du
gewartet, treu, als wäre nichts geschehen?
Bist du von irdischem Stoffe?
Er hebt eine Handvoll Erde auf.
Ja, hier ist –
Gold – nicht Erde ... ist Ambrosia –
nicht Erde ... nein, nur Erde ist's!
Nicht schlechtes Gold und nicht Ambrosia.
Nur Erde! Erde! –
Sieh, hier dieser Staub
ist köstlicher als Purpur, köstlicher
als alle Frachten der Phönizier!
ist wundervoller als Kalypsos Bett!
süßer als Kirkes Leib, der Zauberin,
und schmeichlerischer anzufühlen! Biete
mir Helena – ich bin ein Bettler, habe
nichts außer diesen Lumpen –, biete mir
die heilige Troja, wie sie ging und stand:
Ein Korn von diesem Staube wiegt sie auf!
Leukone
Wer bist du?
Odysseus
Ich? Odysseus! ... war mein Freund.
Leukone
O fremder Vater, möge dieses Wort
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