Michael Azerrad - Nirvana

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Kurt Cobain, der «Kronprinz der Generation X» (Newsweek), erschoss sich am 8. April 1994 in seinem Haus in Seattle – wenige Monate zuvor hatte er dort gemeinsam mit Michael Azerrad die Arbeit an dieser einzigen autorisierten Nirvana-Biographie beendet. In schonungsloser Offenheit erzählt Cobain in den 18 Kapiteln aus seinem Leben, von seiner freudlosen Jugend in einer Kleinstadt, seinen emotionalen Verletzungen und physischen Leiden bis hin zu der Betäubung mit Drogen und dem zornigen Weltschmerz in seiner Musik, der ihn innerhalb von wenigen Jahren in die ungewollte Rolle eines Kulthelden katapultierte.

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Nirvana - изображение 1

Aus dem Amerikanischen übersetzt

von Thomas Pöll

Nirvana - изображение 2

www.hannibal-verlag.de

Impressum

11. Auflage 2013

Titel der Originalausgabe: „Come As You Are – The Story of Nirvana“

Copyright © 1993, 1994 by Michael Azerrad

Published by Doubleday, New York

Lyrics to songs by Nirvana courtesy of Hal Leonard Publishing Corporation.

Lyrics to „Damaged II“ by Greg Ginn courtesy of SST Records.

Lyrics to „Left of Centre“ courtesy of Sloan.

„The Motorcycle Song“ by Arlo Guthrie © 1967, 1969 by Appleseed Music Inc.

All rights reserved. Used by permission.

All photographs by Michael Lavine by permission of Outline Press.

All photographs by Kristin Callahan by permission of London Features.

© der deutschen Ausgabe

Koch International GmbH/Hannibal

www.hannibal-verlag.de

E-Book: www.buchsatz.com

Umschlaggestaltung: bw-works.com

Coverfoto: mit freundlicher Genehmigung der MCA, Hamburg

ISBN 978-3-85445-428-1

Auch als Hardcover erhältlich: ISBN 978-3-85445-099-3

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Inhalt

Kapitel null

Kapitel eins

Ein kleiner aufmüpfiger Junge mit fettigen Haaren.

Kapitel zwei

Uns interessierte nur das Herumgammeln.

Kapitel drei

Das ist mein Bruder Chris. Er steht auf Punkrock.

Kapitel vier

Diese Burschen waren ja aus Aberdeen.

Kapitel fünf

Langsam wird das alles sehr radikal.

Kapitel sechs

Diese Jungs werden größer sein als die Beatles!

Kapitel sieben

„Bist du hungrig?“ – „Ja.“

Kapitel acht

Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Solo, schlechtes Solo.

Kapitel achteinhalb

Wir hatten das Gefühl, nichts könnte uns aufhalten.

Kapitel neun

Es ist Zeit, Unklarheit zu schaffen.

Kapitel zehn

Ein Phänomen quer durch alle Programme.

Kapitel elf

Slam-Dancing mit Mr. Brownstone.

Kapitel zwölf

Wir heulten nur mehr.

Kapitel dreizehn

Drei nette, freundliche, anständige junge Männer.

Kapitel X

Zorn, Tod und totale Glückseligkeit.

Kapitel vierzehn

Alles, was mich anstinkt.

Kapitel fünfzehn

Den Erwachsenen gefällt es nicht.

Kapitel sechzehn

Bestätigungen

Diskografie

Danksagung

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Kapitel null

Wir schreiben den 9. April 1993 im Cow Palace in San Francisco. Elftausend Menschen – Grunge Kids, Sporttypen, Metalheads, Mainstream-Fans, Punks, kleine Kinder mit ihren Eltern, Hippie-Typen – sind gekommen, um den ersten US-Live-Auftritt von Nirvana seit sieben Monaten zu sehen. Manche sind dafür sogar eigens aus Los Angeles und Seattle angereist. Der Auftritt ist eine Benefizveranstaltung für die Vergewaltigungsopfer in Bosnien. Wenn man von einer siebenwöchigen Tour durch verschiedene Clubs Ende 1991 absieht, waren die meisten amerikanischen Fans nicht viel näher an ein Live-Konzert von Nirvana herangekommen als an ihren Fernsehauftritt in „Saturday Night Live“ vor über einem Jahr. In der Zwischenzeit ist eine ganze Menge passiert: Es gab Drogengerüchte, Trennungsgerüchte und Gerichtsverfahren. Gleichzeitig wurden weltweit ungefähr fünf Millionen Exemplare des Albums Nevermind verkauft. Und eine ganze Menge ist nicht passiert: eine Tour durch Konzertarenen in den Vereinigten Staaten, ein neues Album. Der Show kommt große Bedeutung zu.

Die Band kommt auf die Bühne, Kurt Cobain trägt eine wasserblaue Strickjacke, ein mit der Innenseite nach außen getragenes „Captain America“-T-Shirt und in Auflösung begriffene Blue Jeans. Er winkt kurz und nervös in die Menge. Er hat sich für den Anlass die Haare blond gefärbt. Ein Wust davon verdeckt seine Augen, ja sogar die gesamte obere Hälfte seines Gesichts.

Von den ersten Akkorden von „Rape Me“ an spielt die Band voller explosiver Kraft. Der Sound wird in Salven von der Bühne in die Menge katapultiert – „Breed“, „Blew“, „Sliver“, „Milk It“, „Heart Shaped Box“. Gegen Ende spielen sie ihren Hit, und obwohl Kurt die Anfangsakkorde fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt, werden die Moshers im Publikum zu Berserkern. Als schließlich zu den Klängen von „Lithium“ Feuerzeuge und Streichhölzer hochgehalten werden, weiß jeder Einzelne in diesem höhlenartigen Schuppen ganz genau, warum er Nirvana liebt.

Obwohl Chris Novoselic und Kurt mindestens zehn Meter voneinander entfernt stehen, bewegen sie sich und reagieren sie aufeinander, als wären sie viel näher beisammen; ihre Kommunikation ist mühelos. Irgendwann in der Mitte des Auftritts ruft Kurt zu Chris hinüber: „Ich fühl’ mich großartig! Ich könnte noch eine Stunde lang spielen!“ Und genau das passiert. Sie verdichten vierundzwanzig Songs in eineinhalb Stunden, darunter acht aus dem neuen, noch nicht erschienenen Album. Die Menge beklatscht die neuen Songs enthusiastisch, vor allem die wilde Attacke „Scentless Apprentice“ und das majestätische „All Apologies“, das sich in einem Nebel aus Mantra-Gesängen und Feedback auflöst.

Eddie Vedder von Pearl Jam beobachtet alles von der Seite der Bühne aus; unweit von ihm Dale Crover von den Melvins. Frances Bean Cobain ist bei ihrem Kindermädchen oben in der Garderobe ihres Vaters; Courtney kommt herunter und muss gleich einer Mineralwasserflasche aus Plastik ausweichen, die Kurt gerade achtlos wegwirft. Sie winkt ihm spöttisch zu.

Am Ende des Sets verschwinden Kurt, Chris und Dave Grohl hinter dem Schlagzeug und rauchen gemeinsam eine Zigarette. Sie diskutieren, welche Songs sie noch spielen sollen. Dann kommen sie zurück und geben eine halbstündige Zugabe aus sieben Songs, die ihren Höhepunkt in „Endless, Nameless“, der geheimnisvollen Schlussnummer von Nevermind, findet. Die Band beschleunigt den Gitarrenriff, über dem die Nummer liegt. Sie spielen wie in Trance. Kurt springt auf den Verstärkerturm und marschiert darauf herum. Er ist zwar nicht sehr hoch, aber trotzdem zieht er alle Aufmerksamkeit auf sich – wie ein Selbstmordkandidat, der auf einem Fenstersims balanciert. Die Musik wird noch schneller. Die Gitarren kreischen, Chris hat seinen Bass abgeschnallt und schwenkt ihn wild vor dem Verstärker; Dave Grohl drischt präzise und hemmungslos auf seine Trommeln ein. Als die Musik ihren Höhepunkt erreicht, wirft sich Kurt krachend in die Drums, Trommeln und Beckenständer fallen herunter. Das Schlagzeug sieht aus wie eine fleischfressende Pflanze, die sich öffnet, um ihr Opfer zu verschlingen. Ende der Show.

Die Leute fragen sich, ob Kurt in Ordnung ist. Das ist keine Show-Einlage, denn dann wäre die Bühne gepolstert gewesen. Vielleicht zieht Kurt eine Nummer ab wie ein Grundschulkind, das seine Nase zum Bluten bringt und sich das Blut dann ins Gesicht schmiert, um von einem älteren Schläger verschont zu bleiben – so eine Art „Ich verletzte mich lieber selber, bevor du es tust“ –, und das von dem Kerl, der das Konzert mit einem Lied namens „Rape Me“ („Vergewaltige mich“) eröffnet hat. Vielleicht ist es auch eine Hommage an zwei der Lieblingsstuntmänner Kurts: Evel Knievel und Iggy Pop. Oder ist er so aufgewühlt von der Musik, dass er unempfindlich für jeden körperlichen Schmerz ist wie ein aufgeputschter Swami, der über heiße Kohlen gehen kann? – Nach dem atemlosen und vor Begeisterung strahlenden Publikum zu urteilen, scheint Letzteres am ehesten zuzutreffen.

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