Noch etwas über die Theorie der Löcher. Wie ich sagte, entstehen die Löcher, wenn wir ein Kind sind. Als Baby hat man keine Löcher; man wird vollkommen geboren. Wenn man heranwächst, wird man aufgrund der Interaktionen mit der Umwelt und bestimmter Schwierigkeiten, die einem widerfahren, von bestimmten Teilen von sich selbst abgeschnitten, und zwar je nach dem Entwicklungsstadium, in dem man gerade ist, von einem entsprechenden Teil. Jedesmal, wenn man von einem Teil von sich selbst abgeschnitten wird, manifestiert sich ein Loch. Die Löcher füllen sich dann mit der Erinnerung an den Verlust und denThemen des Verlusts. Nach einer gewissen Zeit füllt man einfach die Löcher auf. Womit man die Löcher füllt, das sind die falschen Gefühle, Vorstellungen, Überzeugungen von sich selbst, Strategien, wie man mit der Umwelt umgehen kann. Diese Filter nennt man in ihrer Gesamtheit die Persönlichkeit – die falsche Persönlichkeit, oder was wir die falsche Perle nennen.
Wie ihr seht, ist die falsche Persönlichkeit also ein Ergebnis von Verlusten von Teilen des Selbst. Nach einer Weile aber glauben wir, daß wir diese sind. Alle glauben, sie seien das, was sie füllt. Die falsche Persönlichkeit versucht, den Platz des Echten, Wirklichen, Eigentlichen einzunehmen. Deshalb verwenden wir hier eine Menge Arbeit auf das Verstehen unserer Persönlichkeit. Unsere Arbeit führt dazu, daß wir die Geschichte der Entwicklung unserer falschen Persönlichkeit studieren, bis wir schließlich in der Lage sind, die Erinnerung an die Situation zu erfahren, in der sich das bestimmte Loch gebildet hat. Auf diese Weise könnt ihr eure Essenz zurückgewinnen, Stück für Stück, bis ihr vollständig seid.
Wie ihr seht, sage ich diese Dinge auf eine sehr allgemeine Weise. Wir können viel genauer sein. Wir können jede einzelne Qualität betrachten, erkennen, wann sie verloren wurde und was das Ergebnis ist. Manchmal gehen Kombinationen von Qualitäten verloren. Zum Beispiel kann es sein, daß ihr eure Stärke, euren Willen und eure Liebe verliert, und diese bilden dann ein zusammengesetztes Loch. Eine ganze psychologische Perspektive kann also um dieses Verstehen gebaut werden – die Psychologie der Löcher –, die die Psychologie der Persönlichkeit, der falschen Perle ist.
S.: Ich habe oft bemerkt, daß ich ein Loch fühle, wenn ein Mann mich entwertet, und ich gerate dann in Panik und möchte etwas haben, das da hineingleitet, bevor Kompensationen es wieder auffüllen. Wenn das geschieht, fühle ich mich nicht stark genug, um dabei zu bleiben, bevor es sich mit Panik und Sehnsucht und Selbstabwertung füllt und ich mich mit diesen Gefühlen wieder identifiziere. Wäre es einfach eine Sache der Übung, mich das Loch stark genug fühlen zu lassen?
A.H.: Ja. Das ist das, was ich meine. Wir arbeiten daran, zu lernen, diese Gefühle zu ertragen, bei ihnen zu bleiben und nicht zu versuchen, sie mit etwas anderem zu füllen. Manchmal passiert das einfach, das Auffüllen passiert automatisch. Deshalb wird die Persönlichkeit automatisch genannt. Es läuft ganz mechanisch ab. Alles geschieht nach einer Weile automatisch. Man weiß nicht einmal, daß man etwas füllt.
S.: Wie verlangsamt man den Prozeß – einfach indem man beobachtet, wie er geschieht?
A.H.: Ja, indem ihr anschaut, wie er abläuft, wenn ihr auch eine gewisse Bewußtheit dafür habt, daß ihr versucht, ein Loch zu füllen. Aber ihr versucht nicht, das Loch zu füllen. Ihr könnt euch das Ziel setzen: „Die nächsten zwei Wochen werde ich nicht versuchen, Bestätigung von außen zu bekommen.“ Oder: „Jedesmal wenn ich merke, daß ich von außen Bestätigung bekommen möchte, werde ich das nur beobachten und nicht entsprechend handeln.“ Das ist eine Möglichkeit, wie man es machen kann. Wirklich, alles was wir bei dieser inneren Arbeit tun ist, mit diesen Themen umgehen. Heute betrachten wir es aus einer besonderen Perspektive, die euch ein bestimmtes Verständnis geben kann, um eure Arbeit zu erleichtern.
Die falsche Persönlichkeit ist in dem Sinn mechanisch, als sie automatisch versucht, wenn ihr eine essentielle Qualität von euch selbst verloren habt und es da ein Loch gibt, es mit falschen Qualitäten von außen zu füllen. Dann wird dieser Teil eurer falschen Persönlichkeit gebildet. Die Aktivität der Persönlichkeit geht in zwei Richtungen. Auf der einen Seite versucht sie immer, das Loch zu vermeiden, Schmerz zu vermeiden und Lust zu erleben. Das geht automatisch. Andererseits versucht die Persönlichkeit immer, das Loch zu füllen, sobald etwas passiert, das den Mangel freilegen kann. Auch das geht automatisch. Deshalb ist es notwendig, daß wir uns selbst genau beobachten. Die meisten Menschen sind so sehr mit ihrem Versuch identifiziert, die Löcher zu füllen, daß sie nicht glauben, es sei möglich, es nicht zu tun. Ein Mensch, der nach jemandem sucht, der ihn liebt, weiß nicht, daß es eine Alternative gibt. Er glaubt, dies sei das Beste, was er tun kann und kann sich nichts anderes vorstellen. Die meisten Menschen stellen diese Dinge niemals in Frage. Es geht so mechanisch. Sie sagen, so seien sie eben. So sei die Welt. Wenn du dich klein fühlst, suche jemanden, der dich toll findet. Was kann man sonst tun? Das ist wirklich das, was die meisten Menschen denken. Wenn ihr das Gefühl habt, daß ihr nicht wert seid, geliebt zu werden, dann findet jemanden, der euch mag. Man identifiziert sich mit diesen Mustern gewöhnlich so vollkommen, daß es keine Chance von Veränderung gibt. Um anzufangen, an so einem Muster zu arbeiten, muß man zuerst immer wieder beobachten, wie es abläuft, und einsehen, daß es wirklich nicht funktioniert. Menschen kommen gewöhnlich nicht hierher um zu arbeiten, bevor sie angefangen haben zu erkennen, daß ihre Methode nicht funktioniert. Sonst kommen sie nicht. Sonst glauben sie an ihre Strategien so vollkommen, daß sie denken, es werde funktionieren, wenn sie nur besser darin werden und es noch ein paar Jahre länger tun. Vielleicht haben sie noch nicht den richtigen Menschen oder noch nicht die richtige Situation gefunden. Wenn sie nur ein bißchen mehr Geld verdienen, werde alles gut werden.
Alle diese Rationalisierungen halten die meisten Menschen in Gang. Für die, die sich selbst beobachten, wird offensichtlich, daß diese Muster ihnen nicht verschaffen, was sie eigentlich wollen. Das sind die Menschen, die normalerweise hierher kommen, um zu arbeiten, und ihnen ist es möglich, etwas anderes zu erfahren. Aber ich meine nicht, daß Leute, die zu der inneren Arbeit kommen, sich entschlossen haben, ihre Löcher zu erfahren. Nein. Wenn jemand zum ersten Mal hierher kommt, dann will er in Wirklichkeit bessere Methoden finden, die Löcher zu füllen. Deshalb kommen alle hierher. „Ich werde einen besseren Weg finden, wie ich jemanden dazu bringen kann, mich zu lieben; Ich werde besser in meiner Entschlossenheit, abzunehmen; Ich werde Möglichkeiten finden, dies oder jenes zu sein.“ Das ist das, was jeder in Wirklichkeit möchte. Ihr kommt also und findet langsam heraus, daß es bei der inneren Arbeit um etwas anderes geht. Und ihr werdet frustriert, weil wir immer wieder sagen: „Nein, Löcher füllen funktioniert nicht.“ Ihr fühlt die Löcher immer mehr. „Aber ich möchte es füllen, mir geht es immer nur schlecht. Wann wird es endlich besser? Was kann ich tun, damit ich dieses schreckliche Zeug nicht fühlen muß?“
Es dauert lange, bis man versteht, daß es nicht funktioniert, wenn man das Loch zu füllen versucht. Auch jetzt, da ihr mir zuhört, versucht ihr, Löcher mit einem gewissen Verstehen zu füllen. Manche von euch glauben schon, daß die Worte, die ich sage, die Löcher füllen werden. „Wenn ich nur weiß, worum es geht, dann müßte es schon besser werden.“ Was ich sage, ist dann wirksam, wenn ihr anfangt, eure Löcher zu fühlen, eure Leere zu fühlen. Wenn ihr sie mit Worten oder Vorstellungen füllt, füllt ihr sie einfach nur wieder.
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