ALBERT DAMBLON
Zwischen
Zuversicht
und Zweifel
Nachdenken über Ostern
Frage Frage „Sag mal, wie hältst dus mit Ostern? Bisher habe ich kaum etwas verstanden von dem, was du zu Ostern predigst. Oder glaube ich nur nicht daran? Ich würde ja gerne glauben, dass ihr recht habt. Nein, mir ist in meinem Leben schon so viel dazwischengekommen, ich weiß es nicht, wie ich anfangen soll. Hat dich nichts im Leben gestört? Bist du immer glatt durchgekommen? Du bist jetzt vierzig Jahre Priester. Jahr für Jahr wirst du die Osternacht gefeiert haben. Jahr für Jahr ein Halleluja oder mehrere, der Herr ist angeblich auferstanden. Wirklich auferstanden, meinst du? Glaubst du wirklich an das ‚wirklich‘? Darf ich dich als Zeugen nehmen? Legst du die Hand dafür ins Feuer, meinetwegen ins Osterfeuer? Nicht erst seit gestern hast du dich mit Ostern beschäftigt. Sicher an die vierzig Osterpredigten hast du vorbereitet. Vierzigmal bist du auf eine Geschichte gestoßen, die von einem lebendigen Toten erzählt. Vierzigmal warst du mit den Frauen an einem angeblich leeren Grab und vierzigmal klärte dich ein sogenannter Engel auf. Du musst wissen, was mit der Osterbotschaft gemeint ist. Glaubst du jetzt stärker als am Anfang deiner Karriere? Gehst du nach vierzig Dienstjahren in den Ruhestand in der festen Überzeugung, Jesus Christus lebt? Und dann, wartest du gelassen auf deinen Tod oder beunruhigt er dich noch? Sag es mir, sage es mir jedoch so, dass ich es nachvollziehe und auch gelassener werde. Hilf mir, ich will glauben, ich kann nicht.“ Seine Frage hatte mich gepackt. Sie war berechtigt. Ich musste mich ihr stellen. Mir kam eine Idee. In meinem Arbeitszimmer sortierte ich die Stichwortzettel meiner Osterpredigten. Mehr als vierzig eng beschriebene Seiten, geordnet nach Datum und Evangelium. Eigenartigerweise fand ich jedes Jahr und jeden Entwurf, und als ich von einigen die Stichworte las, erinnerte ich mich nicht nur an die vielen Ostergottesdienste, sondern mir fielen auch spontan Geschichten ein, die mich mit Ostern verbanden. Leise habe ich sie mir erzählt und manchen eine Predigt zugeordnet. Hat in den Jahren tatsächlich eine Entwicklung stattgefunden? Bin ich heute fester und stärker in meinem Osterglauben verwurzelt als vor vierzig Jahren? Ich habe mich intensiv auf die meisten Osternächte vorbereitet. Hat mir die Arbeit genützt, um an Ostern zu glauben? Was bringt es, Ostern zu predigen, was bringt es, Ostern Predigten zu hören? „Genau! Was hätte es mir gebracht, dir Osternacht für Osternacht zuzuhören?“
Gekritzelte Auferstehung
– Aufstehen
Liebevolles Ostern
– Erste Liebe
Erstes Erzählen
– Ein hoffnungsloser Osterwitz
Erzähltes Ostern
– Die Frauen und das Leben
H-e-u
– Schmetterlinge
– Ein überraschender Nachschlag
Ein kleines Osterlied
– Gesprengte Ketten
Trunkenes Ostern
– Einladung
Verrutschtes Ostern
– Lebensbaum
Die Auferstehung des Daniel
Gelöschtes Leben
– Lebenszeit
Hälfte des Lebens
Feuerpanik
– Wo ist das Leben?
Die Ölige
– Salbende Frauen
Sie hat aufgehört zu schlagen
– Das letzte Stündlein
Früh am Morgen
– Licht
Mühselige Arbeit
Abtritt oder Auftritt?
– Erschrecken und Zweifel
Letztes Warten
Antwort
„Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?“
(Lk 24,32)
„Sag mal, wie hältst dus mit Ostern? Bisher habe ich kaum etwas verstanden von dem, was du zu Ostern predigst. Oder glaube ich nur nicht daran? Ich würde ja gerne glauben, dass ihr recht habt. Nein, mir ist in meinem Leben schon so viel dazwischengekommen, ich weiß es nicht, wie ich anfangen soll. Hat dich nichts im Leben gestört? Bist du immer glatt durchgekommen?
Du bist jetzt vierzig Jahre Priester. Jahr für Jahr wirst du die Osternacht gefeiert haben. Jahr für Jahr ein Halleluja oder mehrere, der Herr ist angeblich auferstanden. Wirklich auferstanden, meinst du? Glaubst du wirklich an das ‚wirklich‘? Darf ich dich als Zeugen nehmen? Legst du die Hand dafür ins Feuer, meinetwegen ins Osterfeuer?
Nicht erst seit gestern hast du dich mit Ostern beschäftigt. Sicher an die vierzig Osterpredigten hast du vorbereitet. Vierzigmal bist du auf eine Geschichte gestoßen, die von einem lebendigen Toten erzählt. Vierzigmal warst du mit den Frauen an einem angeblich leeren Grab und vierzigmal klärte dich ein sogenannter Engel auf. Du musst wissen, was mit der Osterbotschaft gemeint ist. Glaubst du jetzt stärker als am Anfang deiner Karriere? Gehst du nach vierzig Dienstjahren in den Ruhestand in der festen Überzeugung, Jesus Christus lebt? Und dann, wartest du gelassen auf deinen Tod oder beunruhigt er dich noch? Sag es mir, sage es mir jedoch so, dass ich es nachvollziehe und auch gelassener werde.
Hilf mir, ich will glauben, ich kann nicht.“
Seine Frage hatte mich gepackt. Sie war berechtigt. Ich musste mich ihr stellen. Mir kam eine Idee. In meinem Arbeitszimmer sortierte ich die Stichwortzettel meiner Osterpredigten. Mehr als vierzig eng beschriebene Seiten, geordnet nach Datum und Evangelium. Eigenartigerweise fand ich jedes Jahr und jeden Entwurf, und als ich von einigen die Stichworte las, erinnerte ich mich nicht nur an die vielen Ostergottesdienste, sondern mir fielen auch spontan Geschichten ein, die mich mit Ostern verbanden. Leise habe ich sie mir erzählt und manchen eine Predigt zugeordnet. Hat in den Jahren tatsächlich eine Entwicklung stattgefunden? Bin ich heute fester und stärker in meinem Osterglauben verwurzelt als vor vierzig Jahren? Ich habe mich intensiv auf die meisten Osternächte vorbereitet. Hat mir die Arbeit genützt, um an Ostern zu glauben? Was bringt es, Ostern zu predigen, was bringt es, Ostern Predigten zu hören?
„Genau! Was hätte es mir gebracht, dir Osternacht für Osternacht zuzuhören?“
Ich war fertig. Nein, nicht mit den Nerven, im Gegenteil, ich war fertig, um endlich anzufangen. Das Theologiestudium und das praktische Jahr im Priesterseminar hatte ich beendet. Endlich fertig mit 26 Jahren. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, sich mehr Zeit für das Studium zu nehmen, um das Leben richtig zu lernen. Aber was heißt Leben lernen, ich meinte es zu beherrschen. Also trat ich am 17. März 1973 meine erste Stelle als Kaplan am Rand einer niederrheinischen Großstadt an. Mein Vorgänger lebte noch in der Dienstwohnung, sodass an einen Umzug nicht zu denken war. Sowieso musste zuerst renoviert werden. In der Dachstube des geistlichen Studienrats kam ich unter. Es machte mir nichts aus, weil es endlich losging. Jugend, Alte, Kinder, Gottesdienste – alles, was ich mir einmal gewünscht hatte, war plötzlich Wirklichkeit. Ich fing unbescheiden an. Denn tief in mir drin hatte ich die Fantasie, alles besser zu machen als meine Vorgänger. Was sollte falsche Demut. Nur weil ich anfing, sollte sich das Blatt in der Kirchengeschichte wenden.
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