Der Glaube ist eine experimentale Erkenntnis und findet Ausdruck in dem Wörtchen: ‚Adam erkannte sein Weib‘, d.h. in der Erfahrung (sensu) erkannte er sie als sein Weib, nicht spekulativ und historisch, sondern experimentaliter. Der historische Glaube sagt zwar auch: Ich glaube, dass Christus gelitten hat, und zwar auch für mich, aber er fügt nicht diese sensitive und experimentelle Erkenntnis hinzu. Der wahre Glaube aber statuiert dieses: ‚Mein Geliebter ist mein, und ich ergreife ihn mit Freude.‘6
Ebenso ist in der späten Schaffensphase davon die Rede, dass zwischen Braut und Bräutigam kein „Zwischending“ sein soll.7 Aber bei aller Sprachmächtigkeit bleibt Luther in der Beschreibung der Brautmystik sehr konventionell, quasi im Rahmen eines theologischen Sprachspiels. Er schöpft nicht den allegorischen Reichtum des Hohelieds aus, verwendet wenige Metaphern für die unio mystica , und wo er das tut, wie in der Freiheitsschrift, übernimmt er Bilder aus der mystischen Tradition: Wenn allein das Wort und der Glaube in der Seele regieren, so wird die Seele „gleich wie das Eisen aus der Vereinigung mit dem Feuer glutrot wie das Feuer“.8
Teresa versteht Christus als Bräutigam der Seele, die unio mystica als geistliche Verlobung und Vermählung. Die Sprachbilder, die sie dafür verwendet, sind einerseits der Bibel und der mystischen Tradition entlehnt, andererseits auch sehr originell und der alltäglichen Beobachtung ihres Erfahrungsraumes entnommen. Sie erlebt den Transformationsprozess, die conformatio in Christo wie eine Liebesgeschichte, in der Gott der Handelnde ist, und ringt um Worte, um dies verständlich zu machen. Der Bräutigam richtet in der Seele so viel an, „dass sie vor Sehnsucht geradezu vergeht und nicht weiß, worum sie bitten soll, da es ihr klar zu sein scheint, dass ihr Gott bei ihr ist. Nun werdet ihr mir sagen: Wenn sie das also erkennt, wonach sehnt sie sich dann oder was tut ihr dann noch weh? Was möchte sie noch Besseres? Ich weiß es nicht; ich weiß nur, dass dieser Schmerz ihr bis in die Eingeweide vorzudringen scheint und sich – sobald derjenige, der sie verwundet – den Pfeil aus ihnen herauszieht – tatsächlich so anfühlt, als würde er sie mit sich herausreißen, entsprechend dem Liebesschmerz, den sie empfindet. Ich habe gerade gedacht, ob vielleicht vom Feuer des glühenden Kohlenbeckens, das mein Gott ist, ein Funke übersprungen sei und die Seele derart getroffen habe, dass sie diese Feuersglut zu spüren bekam. Und da es noch nicht ausreichte, um sie zu verbrennen, das Feuer aber so beseligend ist, bleibt dieser Schmerz in ihr zurück und richtet in ihr all das an, sobald es sie berührt. Das ist, glaube ich, der beste Vergleich, mit dem es mir gelungen ist, es auszudrücken“. Und dennoch bleibt es wieder ein vorläufiger, unzulänglicher Vergleich für das Erfahrene. Aber Teresa bleibt die Gewissheit, dass dieses Feuer vom Seelengrund ausgeht, „wo der Herr weilt, und der zieht nicht mehr aus“ (6M 2,5). Teresa spricht vom „Sakrament der Ehe“ als Sinnbild für die geistliche Verlobung, weil sie, „auch wenn es ein plumper Vergleich sein mag“ (5M 4,3), keinen besseren findet – bevor sie in der siebten Wohnung zwischen Verlobung und Vermählung unterscheidet und auf andere Metaphern zurückgreift. Das Einswerden im Zustand der Verlobung ist es, „wie wenn zwei Wachskerzen so nahe zusammengebracht würden, dass es ein einziges Licht wäre, oder wie wenn der Docht, das Licht und das Wachs zu einem verschmolzen wären. Nachher aber kann man die eine Kerze wieder leicht von der anderen lösen, und es sind wieder zwei Kerzen, und so auch mit dem Docht und dem Wachs“ (7M 2,4). Für die geistliche Vermählung benutzt sie aber ein anderes Bild: „Hier ist es aber, wie wenn Wasser vom Himmel in einen Fluss oder eine Quelle fällt, wo alles zu einem Wasser wird, so dass man es nicht wieder aufteilen oder voneinander trennen kann, was nun Flusswasser ist oder vom Himmel fiel; oder wie wenn ein Raum zwei Fenster hätte, durch die ein starkes Licht einfällt, auch wenn es getrennt einfällt, wird doch alles zu einem Licht“ (7M 2,4). Diese Metaphern klingen nach ‚Verschmelzung‘, nach Aufhebung des immer bleibenden Unterschiedes zwischen Gott und Mensch, sind aber nicht so gemeint. Denn Teresa verweist anschließend auf die klassische biblische Stelle in der Brautmystik, die auch von Luther zitiert wird: „Vielleicht ist es das, was der heilige Paulus sagt: ‚Wer sich an Gott festmacht und sich ihm nähert, wird ein Geist mit ihm‘ (1 Kor 6,7)“. Bei Teresa finden wir also für die Gotteinung eine Fülle von oft originellen Metaphern, die sie aus der Alltagserfahrung und ihren spirituellen Lektüren nimmt: nicht nur die des Feuers und der Ehe, sondern etwa auch die der Wachskerzen, der Verbindung des Wassers vom Himmel/Fluss und Meer oder der Sonnenstrahlen in einem Raum.
Mit ihrer spirituellen Sprache und Metaphorik prägte Teresa nachhaltig die geistliche Literatur des 17 Jahrhunderts.9 Als schreibende Frau wurde sie zudem für andere Frauen zum Vorbild. Sie schrieben Autobiographien im Stil Teresas10 oder beriefen sich auf ihre Autorität, um über geistliche Dinge reden und schreiben zu können, wie dies etwa Sor Juana Inés de la Cruz Ende des 17. Jahrhunderts in Mexiko reklamiert. Als 1690/91 der Bischof von Puebla das Recht und die Fähigkeit der Frauen dazu bezweifelt, da gemäß dem Pauluswort die Frauen nicht lehren dürfen und im Stillen lernen sollten, hebt Sor Juana Inés de la Cruz u.a. auch das Lehrbeispiel Teresas hervor: „[…] ich wünschte, diese Interpreten und Exegeten des heiligen Paulus würden mir erklären, wie sie dies verstehen: ‚Lasset die Frauen schweigen in der Gemeinde‘ [1 Kor 14,34]. Entweder verstehen sie darunter konkret Kanzel und Pult oder allgemein die Kirche als Gesamtheit der Gläubigen. Wenn sie das erstere meinen […] – warum tadeln sie dann diejenigen, die privat Studien betreiben? Wenn sie das Verbot des Apostels im übertragenen Sinne verstehen, daß es den Frauen nämlich nicht einmal erlaubt ist, privat zu schreiben oder zu studieren – wieso hat dann die Kirche einer Gertrude, einer Teresa, einer Brigida, der Klosterfrau von Agreda und vielen anderen erlaubt zu schreiben?“11
“Como león bramando”: Jewish Motifs in Teresa of Ávila’s Poetry
GEROLD NECKER
One of the most serious corrections in the history of biographical writing on Teresa of Ávila was the recognition of her Jewish roots and the background of a converso family, to which her paternal grandfather Juan Sánchez obviously belonged.1 The antecedents of Juan’s self-accusation before the Inquisition in 1485 are not entirely clear, neither when nor to what extent each member of the Sánchez family embraced the Christian faith or secretly remained loyal to Judaism. But the far-reaching consequences of what it meant to be born as a converso in sixteenth-century Spain have been thoroughly examined.2 In these times the ranking of the so-called limpieza de sangre (the notorious “purity of blood”) was even higher than titulos de hidalguía (titles of nobility). Teresa’s realistic concern for her brothers’ social setting may be telling in this regard, as was pointed out by Ulrich Dobhan; that she and her siblings used their mothers’ family name “Ahumada” instead of “Sánchez” and in particular her view of “regrett[ing] more having committed a venial sin than if she were a descendant of the vilest, lowest born peasants and converted Jews in the whole world.”3
1. Interreligious Affairs
The rediscovery of Teresa’s affiliation to new Christians resulted in speculations about her possible knowledge of Jewish traditions, especially the esoteric ones. Initial ideas as to how this saint’s work indicates such inspiration developed through analysis of her meaningful use of divine names, which may reflect the sensible attitude of conversos in this matter.1 In particular, her explicit addresses to God as “majestad” hints at this, according to Nicole Pélisson, possibly also (but doubtful, in my opinion) that she uses “Cristo” more often than the name “Jesus”, despite her monastic name “Teresa de Jesús” or her empathy for Jesus’s suffering and his lonely prayer in the garden of Gethsemane.2 The question of whether Teresa indeed followed the assumed preference of the conversos for ‘regal’ images of Christ will be taken up at the end of this chapter.
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