Überprüft man weitere Eigenschaften dieses Items, so stellt sich die Frage, inwiefern sich dieses konstruierte Szenario für den Spanischunterricht authentisch gestaltet. Eine kritische Diskussion um diesen so relevanten Aspekt zieht sich durch die gesamte Item-Batterie. Die Validierung durch Experten und die Pilotierung durch Probanden werden daher unabdingbare Maßnahmen zur Überprüfung sein, so dass festgelegt werden kann, welche Kompromisse zugunsten der Beantwortung der Forschungsfragen in Kauf genommen werden müssen.
6.2 Item-Beispiel aus dem Bereich Semantik und Lexikologie
Lesen Sie folgende Schüleraussage und füllen Sie im Anschluss den Lückentext aus.
„Ayer busqué un libro pero no lo pude encontrar en mi regalo.“
a. Der Fehler in diesem Satz liegt in dem Wort _____________!
b. Aus semantischer Sicht entspricht hier das _____________ nicht dem _____________ gemäß der grundlegenden Dichotomie von Ferdinand de Saussure.
c. Im schulalltäglichen Gebrauch kennt man dieses linguistische Phänomen auch unter dem Begriff __________.
Die hier vorgestellte Aufgabe besteht darin, einen sogenannten „falschen Freund“ zu ermitteln, welcher im oben genannten Satz dem Wort regalo entspricht. Diesem Item kann durchaus eine hohe Authentizität attestiert werden, da derartige Interferenzen bei der Lernersprache oft vorkommen und durch den Einsatz mehrsprachiger Lernstrategien auch noch begünstigt werden können. Aus linguistischer Sicht kann man das Phänomen der „falschen Freunde“ mit den Fachtermini signifiant und signifié von Ferdinand de Saussure untermauern. Sicher drängt sich die Frage auf, ob an dieser Stelle nicht eine weitere Rubrik notwendig wäre, um den Umgang mit diesem Phänomen im Unterricht zu problematisieren. Dabei ergibt sich dieser allerdings implizit aus der Auseinandersetzung mit Teil b. Inwiefern dadurch aber die “Brücke” zwischen Fachwissen und fachdidaktischer Implementierung im Spanischunterricht geschlagen werden kann, wird stets von anderen Fertigkeiten der Lehrkraft abhängen. Nicht zu leugnen ist aber, dass die erwartbare Kompetenz der Fremdsprachenlehrkräfte im Bereich des Wortschatzes eine zentrale Rolle für die Vermittlung von Semantisierungsstrategien für die Lerner spielt, so dass das hier vorliegende Item eine hohe Legitimationskraft aufweist.
Anhand der beiden kommentierten Item-Beispiele konnte vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen gezeigt werden, dass das geplante Testverfahren in der Praxis auf Grenzen stößt, die jedoch die gewünschte Messung und Beantwortung der Forschungsfragen letztlich nicht unmöglich machen. In den einführenden Kapiteln dieses Beitrags haben wir dazu Gedanken einer neuen theoretischen Basis vorgestellt und darauf aufbauend die problematische Konstruktion eines geeigneten Messinstruments zur Erfassung der sich im Fachstudium entwickelnden Professionskompetenz von Lehramtsstudierenden der Fremdsprachen diskutiert. Betrachtet man die zunehmend laut werdenden Forderungen nach Optimierung der universitären Ausbildung – gerade in Anbetracht der tendenziell kürzer werdenden zweiten Ausbildungsphase – so führt kein Weg daran vorbei, die curricularen Inhalte im Studium verstärkt mit den in der beruflichen Realität gegebenen Anforderungen abzustimmen. Dabei darf aber keineswegs der bloßen Reduktion der Studieninhalte auf die passgenauen Bedarfe im Klassenraum Tür und Tor geöffnet werden, wie es von manchen Akteuren gefordert wird. Vielmehr gilt es, den heutigen Anforderungen in der sich stets weiterentwickelnden Schullandschaft durch eine Neumodellierung der Professionskompetenz von Lehrkräften gerecht zu werden. Messinstrumente wie das von uns im Rahmen unseres Forschungsprojekts entwickelte und hier vorgestellte sind Skizzen gangbarer Wege, die zwar nur Minimalanteile innerhalb der Gesamtausbildung abdecken, aber – so hoffen wir zumindest – durchaus einen gültigen Mustercharakter für weitere Studien haben können.
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