Es wird von dualer Ausbildung gesprochen, da sowohl der Ausbildungsbetrieb als auch die Berufsschule kooperative Partner in der Ausbildungszeit eines Auszubildenden sind. Während der Ausbildungsbetrieb eher die fachpraktische Vermittlung von Fertigkeiten und Fähigkeiten im jeweiligen Berufsbild übernimmt, legt die Berufsschule ihren Fokus auf die fachtheoretische Vermittlung (siehe Abb. 9).
Abb. 9:
Kooperationspartner der dualen Ausbildung (eigene Darstellung)
Im Rahmen der dualen Ausbildung besteht Berufsschulpflicht , auch wenn die Auszubildenden volljährig sind. Damit soll die fachliche Qualität der Ausbildung gewährleistet werden. An den Berufsschultagen sind die Auszubildenden von der Arbeit im Betrieb befreit (§ 15 BBiG, 2005). Die Berufsschule besuchen die Auszubildenden entweder ein- bis zweimal pro Woche, im Ausbildungsbetrieb arbeiten sie an den restlichen drei bis vier Tagen. Alternativ kann Blockunterricht durchgeführt werden.
Die Unterrichtstage an der Berufsschule werden komprimiert, und in regelmäßigen Abständen finden reine Schulwochen statt. So gibt es in diesem Falle reine Berufsschulwochen und reine Arbeitswochen im Betrieb. Der Berufsschulunterricht wird nach den Vorschriften des § 26 BBiG in drei Phasen unterteilt: Das erste Jahr umfasst die Phase der Grundbildung (Grundfertigkeiten und Grundkenntnisse), darauf foglen die Phase der allgemeinen beruflichen Fachbildung und im dritten Jahr die Phase der Vermittlung.
Seit den 1970er Jahren ist das Curriculum in der beruflichen Bildung geprägt vom Leitbegriff der handlungsorientieren Berufsbildung (Arnold et al., 1995:13). Bis heute hat an Berufsschulen die Handlungsorientierung im Unterricht eine besondere Stellung inne. Rückblickend zeigt die Historie der beruflichen Bildung schon im Mittelalter, dass das Handeln und Tun während des Ausbildungsprozesses nichts Neues sind (Czycholl & Ebner, 1995:41). Vielmehr wird durch diesen Begriff daran erinnert, in der beruflichen Ausbildung Lernarrangements zu schaffen, die „[…] authentische, simulierte und/oder symbolisch repräsentierte Arbeitshandlungen ermöglichen“ (Czycholl & Ebner, 1995:40). Dabei wird der Lehrer an Berufsschulen eher als Lernberater gesehen. Er ist für ein selbstgesteuertes und entdeckendes Lernen verantwortlich, um Lösungen entwickeln und auszuprobieren zu lassen. In dieser Rolle hat er eine hohe Verantwortung für die Planung, muss sich jedoch bei der Durchführung zurückhalten (Pätzold, 1995:169). Im Anschluss sollten in einer Reflexionsphase die Handlungen bewertet werden. Durch dieses Vorgehen werden das Denken, Können und Wissen vereint (Pätzold, 1995:168). Folgende Methoden empfiehlt Pätzold (1995:168) dabei: problemorientiertes Lernen, entdeckendes Lernen, situatives Lernen, Modellieren, Projektlernen sowie Lernen in Gruppen, Planspiele, Experimente und Erkundungen.
In Betrieben sind das Vorzeigen bestimmter Fertigkeiten und das Nachahmen mit mehreren Übungsphasen und verbalen Wiederholungen üblich (Pätzold, 1995:164). Im Gegensatz zur Berufsschule kann das entdeckende Lernen ein Risiko sein, wenn betriebliche Abläufe dadurch gestört werden. Das Vorführen von neuen Arbeitsabläufen erfordert vom Auszubildenden eine hohe Aufmerksamkeit und weckt seine Sinne durch das Hören und Sehen. Die verbale Wiederholung memoriert jeden Arbeitsschritt und das Nachahmen selbst ergänzt somit das Lernen mit allen Sinnen. „Häufige Wiederholungen des Lernvorgangs führen dazu, dass sich das Lernergebnis – das heißt das neu gelernte Verhalten – stabilisiert“ (Winkel/Petermann & Petermann, 2006:119). Die praktische Unterweisung am Arbeitsplatz erfolgt u.a. durch eine Vielzahl an Methoden, wobei die Vier-Stufen-Methode von Ch. R. Allen (USA) aus dem Jahr 1919 bis heute benutzt wird, gerade in kleineren handwerklichen Betrieben. Die vier Schritte der Unterweisung lauten wie folgt:
„1. Vorbereitung des Auszubildenden und des Arbeitsplatzes,
2. Vormachen des Ausbildungsinhaltes durch den Ausbilder,
3. Nachmachen des Ausbildungsinhaltes durch den Auszubildenden,
4. Üben der erworbenen Fertigkeiten durch den Auszubildenden“ (Schaper et al., 2000:123).
Immer mehr haben sich gerade in Großbetrieben als Vorreiter auch andere handlungsorientierte Methoden durchgesetzt, z.B. die Simulation oder Rollenspiele. So gibt es in vielen Betrieben das Projekt, dass die Auszubildenden ein Unternehmen für einen Tag im operativen Geschäftsbereich leiten. Das selbstständige Lernen gilt dabei als Grundprinzip der Handlungsorientierung, welche seit 1995 Leitbild in der beruflichen Bildung ist (Schaper et al., 2000:134). Schlüsselqualifikationen während der Berufsbildung sind insbesondere: 1. Berufliche Handlungsfähigkeit, 2. Problemlösefähigkeit, 3. Kooperations- und Beteiligungsfähigkeit (Schaper et al., 2000:132). Im Beruf wird somit ein Bündel an Kompetenzen gefordert, die auf eine Weiterentwicklung nach der Schule abzielen: „Wenn Bildung auf Persönlichkeitsentfaltung und Selbstverwirklichung und Kompetenz auf gesellschaftliche Handlungsfähigkeit zielt, dann ist jedem Individuum beides zu wünschen“ (Efing, 2013a: 13).
Die Handlungskompetenz ist folglich der Indikator für beruflichen Erfolg. Diese wird u.a. durch das Modell der vollständigen Handlung gefördert: 1. Informationsphase, 2. Planungsphase, 3. Entscheidungsphase (wer macht was im Team), 4. Ausführungsphase (oft Vier-Stufen-Methode), 5. Kontrollphase mit Selbstkontrolle und 6. Bewertungsphase (Ausbildungsnachweis wie Lerntagebuch als Zeichen der Reflexion) (Schaper et al., 2000:140).
Damit die Ausbildung rechtlich abgesichert ist, ist folgender Ablauf sehr gängig: In einem Berichtsheft hält der Auszubildende den Ausbildungsablauf als Wochen- oder Tagesbericht schriftlich fest. Dieses Heft wird dem Prüfungsausschuss sowohl bei der Zwischenprüfung in der Mitte der Ausbildungszeit als auch zur Abschlussprüfung vorgelegt. Alle staatlichen dualen Berufsausbildungen werden nach den jeweiligen Ausbildungsverordnungen vollzogen. Der Ausbildungsbetrieb plant die Ausbildung nach dieser Verordnung und muss dies transparent im Berichtsheft dokumentieren, damit der Auszubildende weiß, in welchem Ausbildungsjahr welche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben sind (BMBF, 2010a: 3, 13; § 13 BBiG, 2005).
Die Berufsschulen hingegen orientieren sich an den Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz (§§ 4,5; § 25 HwO, 1998). In den meisten Fällen dauert die duale Berufsausbildung zwischen zwei und vier Jahren und endet nach dem Bestehen der Abschlussprüfung (§ 37 BBiG, 2005; § 31 HwO, 1998). In dieser wird die berufliche Handlungsfähigkeit der Auszubildenden geprüft (BMBF, 2010:25).
Zugelassen werden die Auszubildenden zur Abschlussprüfung, wenn sie erfolgreich an der Zwischenprüfung teilgenommen haben, die schriftlichen Ausbildungsnachweise durch den Berichtshefter vorweisen können und die Ausbildung in der vorgeschriebenen Ausbildungsdauer absolviert haben (BMBF, 2010:25). Die Abschlussprüfung setzt sich aus einer schriftlichen und einer praktischen Prüfung zusammen (BMBF, 2010:26). Die schriftlichen Abschlussprüfungen der kaufmännischen Prüfungen der Industrie- und Handelskammern werden z.B. zentral und bundeseinheitlich durch die Aufgabenstelle für kaufmännische Abschlussprüfungen und Zwischenprüfungen (kurz: AkA), die Zentralstelle für Prüfungsaufgaben der Industrie- und Handelskammern (ZPA-Nord-West) sowie von der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK, 2010) geplant:
Die AkA ist eine Gemeinschaftseinrichtung zur überregionalen Erstellung von Prüfungsaufgaben für kaufmännische und kaufmännisch-verwandte Ausbildungsberufe, wie zum Beispiel der Ausbildungsberuf Kaufmann für Versicherungen und Finanzen . Die Geschäftsführung hat die IHK Nürnberg für Mittelfranken inne (AkA, 2011). Die Mehrheit der IHKs bezieht ihre schriftlichen Abschlussprüfungen von dieser Stelle. So sind dem AkA-Verbund schon 45 IHKs von 10 Bundesländern beigetreten (ebd.). Auch die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg nutzt von dieser Einrichtung einen Teil ihrer Prüfungen (ebd.).
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