ταῦτα μὲν ἡμεῖς, οἱ δὲ τοῖς ἐμφανέσι καὶ προχείροις μόνον ἐπακολουθοῦντες οἴονται νυνὶ γένεσιν. διαλέκτων Ἑλληνικῶν τε καὶ βαρβάων ὑπογράφεσθαι∙ οὓς οὐκ ἂν αἰτιασάμενος – ἴσως γὰρ ἀληθεῖ καὶ αὐτοὶ χρῶνται λόγῳ – παρακαλέσαιμ' ἂν μὴ ἐπὶ τούτων στῆναι, μετελθεῖν δὲ ἐπὶ τὰς τροπικὰς ἀποδόσεις, νομίσαντας τὰ μὲν ῥητà τῶν χρησμῶν σκιάς τινας ὡσανεὶ σωμάτων εἶναι, τὰς δ' ἐμφαινομένας δυνάμεις τὰ ὑφεστῶτα ἀληθείᾳ πράγματα. δίδωσι μέντοι πρòς τοῦτ' ἀφορμὰς τò εἶδος τοῖς μὴ τυφλοῖς διάνοιαν ὁ νομοθέτης αὐτός, ὥσπερ ἀμέλει καὶ ἐφ' ὧν νῦν ἐστιν ὁ λόγος·
τὸ γὰρ γινόμενον σύγχυσιν προσεῖπε. καίτοι γε εἰ διαλέκτων γένεσιν αὐτὸ μόνον ἐδήλου, κἂν ὄνομα εὐθυβολώτερον ἐπεφήμισεν ἀντὶ συγχύσεως διάκρισιν· οὐ γὰρ συγχεῖται τὰ τεμνόμενα, διακρίνεται δ’ ἔμπαλιν, καὶ ἔστιν οὐ μόνον ἐναντίον ὄνομα ὀνόματι, ἀλλ’ ἔργον ἔργῳ. σύγχυσις μὲν γάρ, ὡς ἔφην, ἐστὶ φθορὰ τῶν ἁπλῶν δυνάμεων εἰς συμπεφορημένης μιᾶς γένεσιν, διάκρισις δὲ ἑνὸς εἰς πλείω τομή, καθάπερ ἐπὶ γένους καὶ τῶν κατ’ αὐτὸ εἰδῶν ἔχειν συντέτευχεν. ὥστε εἰ μίαν οὖσαν φωνὴν ἐκέλευσε τέμνειν ὁ σοφὸς εἰς πλειόνων διαλέκτων τμήματα, προσεχεστέροις ἂν καὶ κυριωτέροις ἐχρήσατο τοῖς ὀνόμασι, τομὴν ἢ διανέμησιν ἢ διάκρισιν ἤ τι ὁμοιότροπον εἰπών, οὐ τὸ μαχόμενον αὐτοῖς, σύγχυσιν. ἀλλ’ ἔστιν ἡ σπουδὴ διαλῦσαι τὸ κακίας στῖφος (…). (Conf § 190–193)
Die aber nur das Äußere und Obenaufliegende verfolgen, glauben, daß hiermit die Entstehung der griechischen und barbarischen Sprachen beschrieben sei. Ohne ihnen Vorwürfe zu machen, – vielleicht ist auch ihre Meinung richtig – möchte ich sie auffordern, nicht dabei stehen zu bleiben, sondern zu der figürlichen Auslegung überzugehen in der Überzeugung, daß der Wortlaut der Gottessprüche dem Schatten der Körper gleicht, die (durch den Wortlaut) veranschaulichten Bedeutungen aber den tatsächlich vorhandenen Gegenständen. Die Veranlassung zu dieser Art (der Auslegung) gibt wohl den am Geiste nicht Geblendeten der Gesetzgeber selbst, wie offenbar auch bei der hier besprochenen Erzählung.
Denn das Ereignis nannte er Synchesis, obwohl er es doch, hätte er nur die Entstehung der Sprachen darstellen wollen, mit einem treffenderen Ausdruck als Sonderung statt als Synchesis (Zusammengießung) bezeichnet hätte. Denn was geschieden wird, wird nicht zusammengegossen; im Gegenteil, es wird gesondert; der Gegensatz liegt nicht nur in den Bezeichnungen, sondern auch in der Sache. Denn Synchysis ist, wie gesagt, die Auflösung der einfachen Kräfte zum Zwecke der Entstehung einer zusammengesetzten, Sonderung aber ist die Scheidung des Einen in ein Vieles, wie es sich mit der Gattung und ihren Arten verhält. Hätte somit der Allweise die Scheidung der einen Sprache in mehrere Mundarten geboten, würde er einen näherkommenden, richtigeren Namen gebraucht haben, von einer Scheidung, Teilung, Sonderung oder derartigem sprechend, nicht von der Synchysis, die jenen entgegengesetzt ist. Vielmehr ist sein Streben darauf gerichtet, die Schar der Untugend(en) aufzulösen (…). (Conf § 190–193)
Das Grund, warum für Philon das Thema der Perikope der Sprachverwirrung nicht die Sprache selbst sein kann, sondern warum es sich hier eindeutig um Tugenden und Laster handeln muss, ist ein semantischer: Σύγχυσις ist nämlich nicht in erster Linie als Verwirrung, sondern als Zusammengießung zu verstehen. In ersterem Verständnis gebraucht Philon das Lexem10 bis Conf § 138. Dabei ist zu bedenken, dass Philon zwar von Verwirrung spricht, in seiner Argumentation jedoch darauf abzielt, dass es sich gerade nicht um die Verwirrung der Sprachen handelt, sondern im Wesentlichen um die Abschaffung der Laster. Ab Conf § 183 stellt er das Lexem in der Bedeutung ‚Verwirrung‘ in Frage und zeigt durch seine Argumentation, dass es ungeeignet ist, die Auflösung der menschlichen Sprachgemeinschaft zu beschreiben. Anschließend wird σύγχυσις neu definiert und im Verständnis von Zusammengießung verwendet, was der Semantik des Verbs συγχέω und seiner wörtlichen Bedeutung (σύν: zusammen/mit und χύσις: das Gießen/Ausgießen/Aufschütten) näherkommt.11 Diese semantische Komponente unterstützt Philon dadurch, dass er σύγχυσις in den Zusammenhang mit μίξις und κρᾶσις stellt. Das Lexem ist nach der philonischen Argumentation nicht geeignet, die Entstehung verschiedener Sprachen zu beschreiben. Dafür hätte es Philons Ansicht nach treffendere Begriffe, beispielsweise τομή (Teilung/Schneiden), διανέμησις (Zuteilung/Austeilung) oder διάκρισις (Trennung) gegeben. Auf der physikalischen Ebene kann es sich nicht um eine Verwirrung handeln, sondern muss eine ähnliche Bedeutung haben wie Mengung und Mischung.12 Philon führt also in Conf § 183–195 neben ‚Verwirrung’ die weitere semantische Komponente des Lexems, ‚Zusammengießen‘, ein. Die Bedeutung entspricht nicht der der LXX. Hier kommt das Lexem neben Gen 11,9 noch an drei Stellen in 1 Sam (5,6.11; 14,20) vor und wird ausschließlich in der Bedeutung ‚Verderben/Verwirrung/Schrecken’ verwendet, nicht in der physikalischen und ursprünglichen Bedeutung der Zusammengießung. Philon greift hier vielmehr auf die stoische Lehre von den unterschiedlichen Verbindungsarten zurück.13 Bei den Stoikern wird σύγχυσις in physikalischem Zusammenhang gebraucht und verstanden.14 Philon selbst verwendet σύγχυσις 38mal in 14 unterschiedlichen Traktaten, wovon sich 16 Belege in Conf finden. Er benutzt das Lexem in unterschiedlichen Zusammenhängen und Bedeutungen, so dass keine einheitliche Semantik vorliegt.15 Am häufigsten wird es in ethischen Argumentationen gebraucht.16 Die unterschiedliche Verwendung des Lexems bei Philon zeigt, dass hier keine Begriffsbildung stattgefunden hat.17 Ein Begriff besteht aus „Wissenseinheiten“18, die „komplexe Sachverhalte bündeln“19; er gibt logische Ordnungen und Beziehungen wieder und ist klar und eindeutig.20 Dies trifft für die σύγχυσις bei Philon nicht zu. Das Lexem umfasst mehrere Sachverhalte, die sich auf unterschiedliche Themenbereiche (Mensch, Welt, Städte, Tugenden, Krieg, Gedanken, physikalische Vorgänge) beziehen, so dass mit σύγχυσις keine logische Ordnung wiedergegeben wird. Sie bündelt keine unabdingbar zusammenhängenden Phänomene und sie wird keinesfalls klar und eindeutig gebraucht.21 Entscheidend ist, dass Philon in seiner Argumentation in Conf § 183 ff zu vermitteln versucht, dass σύγχυσις in der Bedeutung ‚Zusammengießung‘ insoweit als Begriff fungiert, um zu verdeutlichen, dass die Sprache nicht das eigentliche Thema ist; tatsächlich definiert Philon σύγχυσις dort, wo eine solche Festlegung seine Argumentation stützen kann, in einer entsprechenden Art. Wenn Philon in Conf § 187 σύγχυσις als „φθορὰ τῶν ἐξ ἀρχῆς ποιοτήτων πᾶσι τοῖς μέρεσιν ἀντιπαρεκτεινομένων εἰς διαφερούσης μιᾶς γένεσιν“ (Auflösung der ursprünglichen Qualitäten durch ein Ineinanderwirken aller Teile zur Entstehung einer von jenen verschiedenen Qualität) beschreibt, definiert er σύγχυσις ad hoc als Begriff, weil dies für seine Argumentation zielführend ist.22 Im Fall von Conf will Philon zeigen, dass es sich bei der σύγχυσις nicht um eine Verwirrung handeln kann und in Gen 11 ‚Sprache’ nicht das eigentliche Thema sein kann. Da Philon selbst in lediglich zwei seiner Schriften – in Conf und in Aet – von der physikalischen Bedeutung von σύγχυσις ausgeht, wird deutlich, dass diese Begründung konstruiert ist; hier zeigt sich nicht die übliche philonische Semantik, sondern die stoische Fassung.
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