Sokrates:Aber wenn über das Leierschlagen?
Alkibiades:Keinesweges.
Sokrates:Aber über das Fechten pflegen sie ja wohl gar nicht zu ratschlagen in der Versammlung?
Alkibiades:Freilich nicht.
Sokrates:Also wenn sie worüber doch ratschlagen? doch wohl nicht wenn über Gebäude?
Alkibiades:Auch nicht.
Sokrates:Denn da wäre wohl ein Baumeister ein besserer Ratgeber als du.
Alkibiades:Ja.
Sokrates:Auch wohl nicht, wenn sie über das Wahrsagen ratschlagen?
Alkibiades:Nein.
Sokrates:Denn da wäre wieder ein Wahrsager besser als du.
Alkibiades:Ja.
Sokrates:Und zwar er mag klein sein oder groß, schön oder häßlich, vornehmer oder geringer Abkunft.
Alkibiades:Freilich wohl.
Sokrates:Denn von dem Wissenden, denke ich, kommt guter Rat in jeder Sache, nicht von dem Reichen.
Alkibiades:Wie könnte es anders sein!
Sokrates:Ob also der, welcher ihnen zuspricht, arm ist oder reich, das wird den Athenern nichts verschlagen, wenn sie wegen der Bewohner der Stadt ratschlagen, wie sich diese wohl gesund erhalten können; sondern sie werden nur suchen, daß der Ratgeber ein Arzt sei.
Alkibiades:Ganz natürlich wohl.
Sokrates:Wenn sie also was doch überlegen, wirst du mit Recht auftreten, wenn du auftrittst ihnen Rat zu erteilen?
Alkibiades:Wenn ihre eigenen Angelegenheiten, o Sokrates.
Sokrates:Meinst du die des Schiffbaues, was für Schiffe sie sollen zimmern lassen?
Alkibiades:Nicht doch, Sokrates.
Sokrates:Denn Schiffe zu bauen, denke ich, verstehst du nicht. Ist das die Ursache, oder sonst etwas?
Alkibiades:Nein, sondern dieses.
Sokrates:Also die Beratschlagung über welche von ihren Angelegenheiten meinst du denn?
Alkibiades:Wenn sie über Krieg und Frieden ratschlagen, o Sokrates, oder über sonst eine von den Angelegenheiten des Staats.
Sokrates:Meinst du wenn sie ratschlagen, mit wem sie Frieden machen sollen und mit wem Krieg führen und auf welche Weise?
Alkibiades:Ja.
Sokrates:Müssen sie nun nicht dies, mit wem es am besten ist?
Alkibiades:Ja.
Sokrates:Und dann wann es am besten ist?
Alkibiades:Freilich.
Sokrates:Und so lange als es besser ist?
Alkibiades:Ja.
Sokrates:Wenn nun die Athener sich berateten, mit wem man ringen muß, und mit wem lieber mit dem bloßen Vorderarm kämpfen und auf welche Weise: würdest dann du besseren Rat geben oder der Meister in Leibesübungen?
Alkibiades:Der letztere offenbar.
Sokrates:Weißt du nun wohl zu sagen, worauf sehend er seinen Rat darüber erteilen würde, mit wem man ringen muß und mit wem nicht? und wann und auf welche Weise? – Ich meine es so. Man muß doch mit denen ringen, mit denen es besser ist? oder nicht?
Alkibiades:Ja.
(108) Sokrates:Und soviel Gänge als es besser ist?
Alkibiades:So viele.
Sokrates:Und auch dann, wann es besser ist?
Alkibiades:Freilich.
Sokrates:Und wer singt muß bisweilen die Leier schlagen zum Gesang und tanzen?
Alkibiades:Das muß er.
Sokrates:Und nicht wahr dann wann es besser ist?
Alkibiades:Ja.
Sokrates:Und so lange als es besser ist?
Alkibiades:Das behaupte ich.
Sokrates:Wie nun? da du doch beide Male das Bessere genannt hast beim Leierschlagen zum Gesang und beim Ringen, wie nennst du das Bessere im richtigen Leierschlagen? so wie ich das Bessere im Ringen das gymnastische nenne, wie nennst du jenes?
Alkibiades:Ich verstehe nicht.
Sokrates:Versuche nur mich nachzuahmen. Denn ich habe schon beantwortet das was sich überall richtig verhält. Denn richtig verhält sich doch das was nach der Kunst geschieht; oder nicht?
Alkibiades:Ja.
Sokrates:War aber nicht jene Kunst die Gymnastik?
Alkibiades:Wie sollte sie nicht.
Sokrates:Und ich nannte das Bessere im Ringen das gymnastische?
Alkibiades:Das tatest du.
Sokrates:Und mit Recht?
Alkibiades:So dünkt mich.
Sokrates:So komm denn! denn dir steht es ja auch wohl an dich richtig auszudrücken, und sage mir zuerst, welches ist die Kunst, welcher das richtige Leierschlagen und singen und sich dazu bewegen obliegt, wie wird sie insgesamt genannt? Kannst du es noch nicht sagen?
Alkibiades:Nicht recht.
Sokrates:Versuche es so. Welches sind die Göttinnen; denen diese Kunst zukommt?
Alkibiades:Die Musen meinst du, Sokrates?
Sokrates:Freilich. Sieh nun, was für einen Beinamen hat von ihnen diese Kunst?
Alkibiades:Die Musik dünkst du mich zu meinen.
Sokrates:Die meine ich auch. Was ist nun das, was nach dieser richtig erfolgt? so wie ich dir dort das nach der gymnastischen Kunst richtige benannte, wie sagst du nun auch hiebei daß es geschehe?
Alkibiades:Musikalisch, dünkt mich.
Sokrates:Wohl gesprochen. Wohlan denn auch das bessere beim Krieg führen oder beim Friede halten, dieses bessere wie nennst du es? wie du dort von jedem sagtest, das bessere sei das musikalischere, und bei dem andern es sei das gymnastischere, so versuche auch hier das bessere zu benennen.
Alkibiades:Aber ich weiß wirklich nicht wie.
Sokrates:Allein ist das nicht schmählich, wenn dich, indem du sprächest und Rat gäbest über Speisen, daß die eine besser ist als die andere und jetzt und in dieser Menge, jemand hernach fragte, wie nennst du dieses bessere, o Alkibiades? daß du hievon zwar zu sagen wüßtest, es ist das gesundere, wiewohl du dich nicht für einen Arzt ausgibst: wofür du dich aber ausgibst es zu verstehen, und auftrittst um Rat zu erteilen als ein Wissender, hiernach gefragt du wie es scheint nichts zu (109) sagen weißt, willst du dich dessen nicht schämen, oder dünkt es dich nicht schmählich?
Alkibiades:Gar sehr freilich.
Sokrates:So überlege denn und versuche zu sagen, worauf doch ziele dieses bessere in dem Frieden halten und in dem Kriegführen mit wem man soll.
Alkibiades:Aber ich überlege es und kann es doch nicht inne werden.
Sokrates:Und weißt auch nicht wenn wir Krieg anfangen, was für Begegnisse wir einander beschuldigen, weshalb wir zum Kriegführen schreiten, und wie wir sie nennen?
Alkibiades:Das weiß ich, wir wären hintergangen oder beraubt worden oder man hätte uns Gewalt angetan.
Sokrates:Halt, und wie sagen wir sei uns das alles begegnet? versuche anzugeben, wie dabei das So oder So verschieden ist.
Alkibiades:Meinst du unter dem So, o Sokrates, das gerecht oder ungerecht?
Sokrates:Eben dieses.
Alkibiades:Das ist ja freilich ein großer und gänzlicher Unterschied.
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