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Die Notwendigkeit solcher Untersuchungen hat sich im Ergebnis als Reflex einer stetig strenger werdenden Judikatur und Gesetzgebung ergeben. Die Fälle Mannesmann,[2] Siemens,[3] MAN,[4] aber auch und insbesondere die in den Jahren 2014 und 2015 angestiegenen Kartellbußen[5] verdeutlichen, welche Konsequenzen sich für Unternehmen wegen der Verletzung von gesetzlichen Vorschriften ergeben können. Viele Gesellschaften sind daher präventiv dazu übergegangen, professionelle Compliance-Abteilungen zu etablieren, die eine Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sicherstellen sollen.
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Vornehmlichste Aufgabe des Unternehmensleiters ist es nämlich, das Unternehmen so zu führen, dass dieses sich im Außenverhältnis rechtmäßig verhält und die gesetzlichen und behördlichen Vorgaben eingehalten werden.[6] Besondere Bedeutung hat diese Frage in dem viel zitierten Urteil des LG München I im Falle „Siemens/Neubürger“[7] erhalten. Der Beklagte ist in diesem Urteil dafür haftbar gemacht worden, dass innerhalb des Unternehmens schwarze Kassen existierten und Bestechungsgelder gezahlt wurden. Dabei ist dem Vorstand keineswegs vorgeworfen worden, er habe von diesen Vorgängen gewusst. Vielmehr soll er sich deshalb pflichtwidrig verhalten haben, weil er keine Compliance-Organisation geschaffen hatte, die das System schwarzer Kassen verhindern konnte. Es gibt sehr starke rechtliche Argumente dafür, die Richtigkeit dieser Entscheidung in Zweifel zu ziehen.[8] Das LG München I hat jedenfalls verkannt, dass ein Unternehmensleiter nur für eigenständige Pflichtverletzungen in die Haftung genommen werden kann und das Zepter der Organisationspflicht nicht dazu dienen darf, eine Art Sippenhaftung für das Fehlverhalten von Mitarbeitern zu etablieren. Ein Vorstandsmitglied haftet also keineswegs für das Verschulden seiner Mitarbeiter. Der Vorstand ist allerdings – und insoweit ist dem LG München I beizupflichten – dazu verpflichtet, eine Organisation aufzubauen und zu unterhalten, die den Anforderung gerecht wird, wie sie in den §§ 76, 93 AktG normiert werden. Welche Anforderungen aber an eine ordnungsgemäße Unternehmensorganisation zu stellen sind, gehört bis heute zu den ungeklärtesten Fragen im Bereich der Vorstands- und Geschäftsführerhaftung und genau darauf hat das Gericht im vorgenannten Falle keine Antwort gegeben. Anerkannt ist, dass der Unternehmensleiter dafür Sorge zu tragen hat, dass Gesetzesverletzungen nach Möglichkeit überhaupt nicht auftreten oder aber sofort entdeckt werden, um etwaige Missstände beseitigen zu können.[9] Ganz sicher nicht zulässig ist es aber – und dies jedenfalls wird durch die Entscheidung des LG München I suggeriert – von dem Vorliegen einer Gesetzesverletzung auf das Vorliegen einer Organisationspflichtverletzung rückzufolgern. Nicht jedes Fehlverhalten des Unternehmens im Außenverhältnis kann also dem Vorstand angelastet werden. Die sogenannten Internal Investigations von denen der Titel dieses Werkes handelt, sind ein nahezu als unabdingbar anzusehendes Mittel, um feststellen zu lassen, ob denn der Unternehmensleiter der soeben beschriebenen Organisations- und Leitungspflicht gerecht geworden ist. Auch und gerade in Anbetracht der derzeitig mangels höchstrichterlicher Rspr. zwangsläufig bestehenden Rechtsunsicherheit, ist es allerdings wichtig, dass der Vorstand auch darüber nachdenkt, Versicherungen abzuschließen, welche die bestehenden Risiken abdecken. Dabei ist keineswegs ein einzelnes Versicherungsprodukt alleine dazu geeignet, der Komplexität der Risiken Rechnungen zu tragen. Vielmehr ergänzen sich verschiedene Versicherungsprodukte, die erst kumuliert eine umfassende Absicherung etablieren.[10] Da der D&O-Versicherung insoweit eine Schlüsselstellung zukommt, soll nachfolgend das Deckungskonzept näher beleuchtet werden.
[1]
Zu der stetigen Bedeutung solcher internen Untersuchungen vgl. etwa Budras FAZ v. 3.6.2012: „Hat man die Beamten erst einmal im Haus wird man sie schließlich nicht mehr so schnell los“.
[2]
BGH NJW 2006, 522.
[3]
BGH NJW 2009, 89.
[4]
Vgl. den Artikel auf Spiegel-Online „Kartellwächter nehmen Lkw-Hersteller ins Visier“, abrufbar unter: www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/durchsuchungen-bei-man-kartellwaechter-nehmen-lkw-hersteller-ins-visier-a-740233.html(letzter Abruf am 31.7.2012).
[5]
Das Bundeskartellamt hat unter dem 25.6.2013 neue Leitlinien erlassen.
[6]
Michalski/Haas/Ziemons § 43 Rn. 46; MK-GmbHG/ Fleischer § 43 Rn. 30; Roth/Altmeppen § 43 Rn. 6; Saenger/Inhester/Lücke/Simon GmbHG, 2011, § 43 Rn. 19; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack § 43 Rn. 23; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer § 93 Rn. 6; Spindler/Stilz/Fleischer § 93 Rn. 14; MK-AktG /Spindler § 93 Rn. 63; Hüffer Rn. 4; § 93 Rn. 6; GroßKomm-AktG/ Hopt § 93 Rn. 98; Heidel/Landwehrmann § 93 Rn. 71; Hölters § 93 Rn. 54; Thümmel Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 184; zum Ganzen vgl. auch Goette DStR 1998, 1308, 1309.
[7]
LG München I 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10 = NZG 2014, 345.
[8]
Herr Neubürger hat Suizid begangen, vgl. dazu FAZ v.6.2.2015.
[9]
Henssler/Strohn/Oetker § 43 Rn. 25; Saenger/Inhester/Lücke/Simon GmbHG, 2011, § 43 Rn. 28; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer § 93 Rn. 6; Hölters § 93 Rn. 63 ff; MK-AktG/ Spindler § 83 Rn. 82; Heidel/Landwehrmann § 93 Rn. 71.
[10]
Die D&O-Versicherung, auf die weiter unten noch einzugehen sein wird deckt als Haftpflichtversicherung dass Fehlverhalten des Unternehmensleiters; die Vertrauensschadenversicherung deckt Risiken ab, die durch das vorsätzliche Verhalten von Mitarbeitern des Unternehmens verursacht werden; andere Produkte wie die Cyber-Versicherung oder die R&W decken speziell auftretende Risiken ab.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen› 3. Kapitel Versicherungsrechtliche Rahmenbedingungen› II. Das Deckungskonzept der D&O-Versicherung
II. Das Deckungskonzept der D&O-Versicherung
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Mit der D&O-Versicherung wird grundsätzlich die gesamte Reichweite organschaftlicher Haftung von Unternehmensleitern und Aufsichtsorganen versichert. Man unterscheidet insoweit zwischen Innen- und Außenhaftung.
5
Die Innenhaftungist in § 93 AktG/§ 43 GmbHG geregelt. Danach haften Unternehmensleiter, die ihre Pflichten verletzen, der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens als Gesamtschuldner. Für die Aufsichtsorgane trifft die Verweisungsvorschrift des § 116 AktG eine entsprechende Regelung. Man spricht in diesem Zusammenhang von Innenhaftung, weil die Haftung das Innenverhältnis zwischen Organ und Gesellschaft betrifft.
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Von einer Außenhaftungspricht man demgegenüber dann, wenn ein Dritter – also ein Gläubiger – Schadensersatzansprüche gegen das Organmitglied erhebt. Solche Schadensersatzansprüche können entweder auf § 311 Abs. 3 BGB (sog. Sachwalterhaftung) oder – insbesondere – auf deliktische oder spezialgesetzliche Normen gestützt werden.
1. Haftpflichtversicherung und Versicherung für fremde Rechnung
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Die Deckungskonzepte der Versicherer, die D&O-Policen anbieten, variieren hinsichtlich der Einzelheiten teilweise erheblich.[1] Gemeinsam ist allen Konzepten, dass die D&O-Versicherung als Haftpflichtversicherung in der Weise ausgestaltet wird, dass die Inanspruchnahme des Unternehmensleiters im Rahmen der Innenhaftung – also die Inanspruchnahmedurch das Unternehmen selbst – den Versicherungsfallauslöst.[2] Eine Haftpflichtversicherung i.S.d. §§ 100 ff. VVG ist dadurch gekennzeichnet, dass der Haftpflichtversicherer das Risiko des Versicherten übernimmt, von einem „Dritten“ auf Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden.[3] Dieses typische Risiko ist auch Gegenstand der D&O-Police. Denn versichert wird danach das Organ gegen die Inanspruchnahme durch das Unternehmen (Innenhaftung) oder durch Dritte (Außenhaftung).
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