Kristiane Kondrat - Abstufung dreier Nuancen von Grau

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Abstufung dreier Nuancen von Grau: краткое содержание, описание и аннотация

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"Eine junge Frau befindet sich auf der Flucht, fühlt sich verfolgt und in die Enge getrieben. Überall stößt sie auf Menschen, die sie scheinbar bedrohen und ihr Angst machen. Doch allmählich kann sie dieser Angst Grenzen setzen und sich letztlich sogar davon befreien. Diese Geschichte einer Traumatisierung und ihrer Überwindung erzählt die Autorin vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lebenserfahrung während der kommunistischen Diktatur in Rumänien.
Kristiane Kondrats Roman überzeugt durch seine poetischen und surrealen Bilder, die außergewöhnlich dichte Sprache mit Wortschöpfungen. Sie findet Ausdrucksmöglichkeiten für Erfahrungen, für die es sonst kaum Sprache gibt: für panische Angst, für das Verschwimmen äußerer und innerer Wirklichkeit.
»Die Zeit- und Haltlosigkeit, von der dieser Roman sich nährt und die er vermittelt, aber auch die sich selbst nicht in den Mittelpunkt stellende, poetische Stilistik des Textes machen ihn zu einem zeitlosen Roman«, schreibt die Literaturwissenschaftlerin Christina Rossi in ihrem Nachwort.
"

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© 2022 danube books Verlag e. K., Ulm

Umschlaggestaltung Hans Karl Zeisel, Korb bei Stuttgart

Verlag danube books Verlag e. K., Ulm

ISBN 978-3-946046-32-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Irrtümer und Druckfehler bleiben vorbehalten.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Nachwort

Weiß ohne Schatten und Weiß mit schmutzigweißen Schatten. Und Weiß auf Weiß, hochgetürmt, blendend. Wenn der Himmel verhangen war, brach das Weiß des Schnees durch und erhellte Hof und Garten, leuchtete hinter dem Zaun im Nachbargarten und in der anderen Straße.

Ich wartete immer lange, bis der Schnee ganz hoch war. Er rundete alle Kanten ab, den Dachfirst, die Zaunpfähle und die Spitzen der Heuschober auf dem Anwesen des Bauern in der Nachbarschaft. Mein Vater nahm die ganz große Leiter, stellte sie ans Hausdach, wanderte mit ihr rund ums Haus und schlug mit einer langen Stange den Schnee vom Dach. Auch vom Holzschuppen, von der Waschküche und dem Gänsestall. Die Dächer wurden entzaubert. Ich hatte lange warten müssen, bis alles flaumig und rund war, er aber schlug den Schnee vom Dach. Der Dachschnee fiel ab, klatschte dumpf auf und grub tiefe Löcher mit zerfransten Rändern in den Schnee, der im Hof lag.

Im Garten blieb der Schnee lange heil und unberührt: Es war kein Weg mehr zu sehen. Ich stapfte durch und warf mich dann auf die flaumige, an der Oberfläche glitzernde Decke, die vor mir lag. Sie sank ein, und ich sank mit, immer tiefer, es knirschte unter meinem Gewicht, wenn sich die lockeren Schneekristalle ineinanderdrückten und zerbrachen. Ich warf mich wieder und wieder in den über den Beeten abgerundeten Schnee und wälzte mich darin. Die Beete im Garten sahen aus wie Gräber in einem verschneiten Friedhof. Ich ließ mich immer wieder in die Daunenbetten der verschneiten Gräber fallen, mit einer Leidenschaftlichkeit, die ich später nie wieder aufgebracht habe. Dann baute ich den Weg durch den Garten neu, genau da, wo er vorher gewesen war, bevor der Schnee kam.

Jetzt liege ich unter einer weißen Decke, die mir bis zum Kinn reicht. Die Wände sind von einem anderen, nicht kristallinen Weiß, genauso andersweiß ist die Zimmerdecke. Ein anderes Weiß als der unberührte Schnee in jenem Garten, als jenes Mädchen, das mir inzwischen fremd geworden ist, sich in die Beete geworfen hatte, die aussahen wie verschneite Gräber. Dieses Weiß der Zimmerdecke kenne ich auch, das Zugedecktsein bis zum Kinn. Ich habe schon einmal hier gelegen. Damals war ich freiwillig hierhergekommen. Nach meiner Ankunft hängte ich mein Straßenkleid auf einen Bügel und den Bügel mit dem leblos hängenden Kleid in den Schrank. Nahm einen zweiten Bügel für die Jacke, überlegte es mir dann anders, hängte den leeren Bügel wieder in den Schrank und die Jacke über das leblos hängende Kleid. Die steife Jacke konnte die Leblosigkeit des Kleids jedoch weder verbergen noch mildern, und beide zusammen wirkten auf dem Bügel im Kleiderschrank furchtbar resigniert und verbittert. Der Schrank war auch weiß, wie fast alles in jenem Zimmer, man hätte ihn leicht übersehen können. Er verschluckte noch hintereinander meine Schuhe, die Handtasche und die Reisetasche.

Hier gibt es bestimmt auch einen weißen Schrank, ich müsste nur den Kopf ein bisschen nach links drehen, rechts ist die Fensterfront, daher kommt das Licht, das mir heute morgen ins Gesicht gesprungen ist. Ich kann jetzt meinen Kopf so weit drehen, dass ich die Fenster sehe, die Hausdächer jenseits der Fensterscheiben und hinter den roten, schiefen, regenfeuchten dichtgedrängten Hausdächern frische, saubergewaschene Baumkronen. Es muss lange geregnet haben, wie lange, kann ich nicht beurteilen. Draußen ist alles flüssig, in den drei Fensterrahmen zerrinnen die Bilder des Hausdächer- und Baumkronen-Triptychons, die ich mir so mühsam, durch schmerzhaftes Kopfdrehen, erkämpft hatte. Sobald sie für meine Blicke erreichbar geworden sind, beginnen sie sich schon aufzulösen und werden weggeschwemmt. Ich schaue trotzdem immer wieder hin, um die weiße Zimmerdecke, die mich von oben bedroht, zu verscheuchen. Hier ist alles gewollt weiß, es gibt sich Mühe, weiß zu sein. Nur der Fußboden bleibt grau, obwohl er morgens nach dem Aufwaschen wie Glatteis glänzt. Auch die Schwestern – ich weiß nicht, warum man sie so nennt, ich fühle mich ihnen nicht verwandt – streben das Weiß an, ohne es jedoch ganz zu erreichen. Schwestern: Ich weise jeden Gedanken einer möglichen Verwandtschaft entschieden zurück. Die keinesfalls mir verwandten Schwestern können das absolute Weiß nicht erreichen. Ich würde sie draußen auf der Straße nicht wiedererkennen, wiedererkenne sie nur hier, wo sie in diesen Wunsch nach Weißsein eingepackt sind.

Das vorige Mal, als ich freiwillig hierhergekommen war, lag links von mir eine späte Studentin, Mitte Dreißig, die mit blutigem Ernst ihre heiligen Kühe auf der weißen Bettdecke weidete. Die Kühe waren von dem gleichen gräulichen Weiß der Bettdecke. Diese sich stets ereifernde Frau, die keine Ruhe finden konnte, da sich ihre Gedanken ständig im Kreis drehten und ein Wort das andere verfolgte, ohne es jemals zu erreichen, verfügte über so viel Humor wie ein von der Wichtigkeit seines Tuns überzeugter osteuropäischer Parteifunktionär mitten im Kalten Krieg. Parolen, von denen ich dachte für immer befreit zu sein, pfiffen wie Gewehrkugeln an meinem linken Ohr vorbei und schlugen an die rechte Wand, die sie wiederum zurückschlug an die linke Wand, die sie auch nicht haben wollte, so dass die alten Sprüche wie ein wiederholt verirrtes Echo auf den Kunststoffboden in der Mitte des Zimmers mit Krach aufschlugen und sperrig dalagen, so lange, bis die Putzfrau kam und sie beseitigte. Einmal war eine der Schwestern darüber gestolpert, hatte Mühe, ihr Gleichgewicht wiederzufinden, und stand da wie eine beleidigte Lehrerin, die die Schüler mit Kreide beworfen hatten, fragte laut und spitz, wer es gewesen sei. Niemand wollte es gewesen sein. Ich weiß nicht, wie die Studentin aussah, ich hatte ihr Gesicht nie wahrgenommen, nur ihre Stimme ist mir, wie eine Narbe, im Gedächtnis geblieben. Und wenn sie nicht immer wieder ihr Alter ins Gespräch gebracht hätte, so als müsse sie ständig beweisen, dass es ihr nichts ausmachte, so spät noch Erstsemester zu sein, hätte ich diese Verspätung gar nicht wahrgenommen oder sie als etwas Selbstverständliches betrachtet.

Mit hartnäckiger Neugier und Zudringlichkeit versuchte sie immer wieder bei den bis zum Kinn unter weißen Decken Liegenden Weltanschauungen festzustellen, ihnen Bekenntnisse zu entlocken. Schräg gegenüber lag eine junge Dolmetscherin, die mit ihrem Familienalbum beschäftigt war. Sie lag in ihrem dunkelbraunen Haar, das das ganze Kissen bedeckte, die ganze Zeit so, als hätte sie sich nach einer schweren Anstrengung gerade fallenlassen, und ordnete tagein, tagaus die Fotos ihrer beiden Kleinkinder chronologisch ein, reagierte kaum auf die interrogativen Attacken der Studentin, weshalb jene auch das Interesse an ihr verlor und sie in Ruhe ließ. Neben der Dolmetscherin, genau mir gegenüber, lag eine ältere, stets Boulevardzeitung lesende Schreibwarenladenbesitzerin aus der Innenstadt. Sie schaute ab und zu von ihrer Zeitung auf und warf schmale grüne Blicke aus einem braungefalteten Gesicht. Jedesmal, wenn sie in der Zeitung einen Artikel über hohe Prozentsätze an Ausländerkriminalität entdeckte, kreiste sie die Schlagzeile mit einem Kugelschreiber mehrere Male dick ein, hob die Zeitung hoch und zeigte sie meiner Bettnachbarin zur Rechten, einer jungen Türkin.

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