Das Verständnis über die Zielsetzung von Triangulation hat sich seither weiter ausdifferenziert und umfasst gegenwärtig weniger die ValidierungValidierung von Forschungsergebnissen als vielmehr die Vertiefung und Erweiterung von Erkenntnissen (Denzin 1989 revidierte Position; Fielding/Fielding 1986). Vor allem vor dem Hintergrund konstruktivistischer Positionen wurde problematisiert, dass ein methodischer Zugang nicht durch einen anderen korrigiert oder validiert werden kann, denn jede Methode lenkt den Blick auf andere Aspekte eines Phänomens: Sie bestimmt, was wir erfahren, und konstituiert den Gegenstand. Ziel eines mehrmethodischen Vorgehens kann es daher nicht sein, das eine richtige Bild der Realität offenzulegen. Vielmehr liegt das Potential eines triangulierenden Vorgehens darin, den jeweiligen Gegenstandsbereich umfassender und weitreichender beschreiben und erklären zu können. Daher eignet sich die Triangulation insbesondere in Settings, die durch eine hohe FaktorenkomplexionFaktorenkomplexion gekennzeichnet sind (wie z.B. fremdsprachliche Lehr- und Lernkontexte). Es besteht nicht der Anspruch, kongruente Ergebnisse zu erzielen; vielmehr werden durchaus Befunde erwartet, die divergieren, sich aber komplementär und multiperspektivisch ergänzen (vgl. Aguado 2015).
Die Betrachtung verschiedener Perspektiven kann sich durch verschiedene Formen der Triangulation realisieren. Diese wurden von Denzin (1970) klassifiziert und vier Typen zugeordnet, auf die seither rekurriert wird: Daten-, Methoden-, Forscher*innen- und Theorientriangulation.
Von DatentriangulationDatentriangulation wird gesprochen, wenn Datensätze kombiniert werden, die verschiedenen Quellen entstammen (Denzin 1970). Allein nach dieser Definition könnte jedoch jede Art der Triangulation, die sich unterschiedlicher Erhebungsmethoden bedient, auch als Datentriangulation bezeichnet werden, denn der Einsatz verschiedener Erhebungsmethoden führt immer auch zu unterschiedlichen Datensätzen (Aguado 2015: 207; Settinieri 2015: 23). Denzin spricht daher nur dann von Datentriangulation, wenn dieselbe Erhebungsmethode verwendet und das gleiche Phänomen untersucht wird (Denzin 1970: 301).
In Anlehnung an Denzin können drei Subtypen von Datentriangulation entsprechend der Triangulation verschiedener Zeitpunkte, Personen und/oder Orte unterschieden werden. So kann, wie z.B. in der Studie von Schwab (2009), die Datenerhebung zu mehreren Zeitpunkten stattfinden. Obwohl es nicht um das Nachzeichnen einer Entwicklung ging, erstreckten sich die Videomitschnitte von Unterrichtssequenzen in dieser Untersuchung über zwei Schuljahre. Die Erhebung von Daten mit einer spezifischen Methode kann auch mit einer weiteren Person oder Personengruppe durchgeführt werden, was geradezu den Regelfall darstellt und mit Blick auf SamplingSampling-Prozeduren zu reflektieren ist (s. Kap. 4.3). In der Referenzstudie von Bracker da Ponte (2015) wurden beispielsweise mehrere Lernendengruppen zu einer Aufgabenbearbeitung in Form von Gruppendiskussionen angeregt. Der dritte Triangulationstyp beschreibt die Kombination von Datensätzen, die an mehreren verschiedenen Orten erhoben wurden. In allen drei Fällen geht es nicht darum, auf diese Weise unterschiedliche Variablen (verschiedene Zeitpunkte, Personen oder Orte) zu erfassen und bei der Analyse zu berücksichtigen, sondern Datentriangulation dient grundsätzlich dazu, die Robustheit der Studie zu erhöhen.
Die Beispiele machen deutlich, dass meist mehrere Triangulationsstrategien gleichzeitig verwendet werden und Denzins Klassifizierungen nicht immer trennscharf sind. So ist die lokale Datentriangulation auch zwingend immer eine Kombination verschiedener Personen(gruppen). In Bezug auf die zeitliche Triangulation wird mehrfach angemerkt, dass demnach auch Longitudinalstudien triangulierende Untersuchungen wären, da hier die Datensätze mehrerer Zeitpunkte in Beziehung zueinander gesetzt werden. Dieses Vorgehen dient jedoch weder der Validierung noch der Vertiefung von Erkenntnissen, sondern der Erforschung von Prozessen (s. auch Aguado 2015: 207–208).
Im Unterschied zu Denzins Verwendung des Begriffs Datentriangulation als Oberbegriff gehen andere Klassifizierungen von Datentriangulation (bezogen auf Personen als verschiedene Informationsquellen) von zeitlicher und örtlicher Triangulation als nebeneinander stehende Triangulationstypen aus (Brown/Rodgers 2002; Cohen/Manion/Morrison 2017).
Denzin plädiert in Anlehnung an das theoretical sampling theoretical sampling der Grounded Theory dafür, innerhalb einer Studie nach möglichst vielen auf den Forschungsgegenstand bezogenen Datenquellen zu suchen, um durch Vergleiche möglichst kontrastiver Settings entsprechende theoretische Konzepte sukzessive herausarbeiten zu können (Denzin 1970: 301). Dem Prinzip von Replikationsstudien (s. Kap. 4.5) liegt ein ähnlicher Gedanke zugrunde, doch spricht man von Triangulation nur in den Fällen, in denen Daten bei der Analyse direkt zueinander in Beziehung gesetzt werden; dies ist in der Regel nur im Rahmen jeweils einer Studie der Fall, da Replikationsstudien zwar die Befunde, in der Regel aber nicht die Daten von Vorgängerstudien mit den eigenen Daten in Beziehung setzen (s. auch Kap. 4.5 zu Metaanalysen).
4.4.3 MethodentriangulationMethodentriangulation
Die Kombination mehrerer Methoden zur Erforschung eines Gegenstands ist die wohl am häufigsten durchgeführte Art der Triangulation. Denzin (1970: 308–309) unterscheidet hier zwei Formen: zum einen die Triangulation innerhalb einer Methode (within-method within-method ) und zum anderen die Verwendung verschiedener Methoden zur Beantwortung einer Forschungsfrage (between-method between-method ). Wenn z.B. in den Referenzarbeiten von Schart (2003) und Gödecke (2020) innerhalb eines Fragebogens offene und geschlossene Fragen gestellt werden, kann hier von methodeninterner TriangulationTriangulationmethodeninterne gesprochen werden. Schwab (2009) arbeitete in seiner Untersuchung methodenübergreifendmethodenübergreifend und triangulierte das Verfahren der videografischen Unterrichtsbeobachtung mit anschließenden retrospektiven Interviews mit den an der Studie teilnehmenden Lehrenden; außerdem wurden die Schülerinnen und Schüler leitfadengestützt interviewt (between-method triangulation) . Diese Referenzarbeit illustriert somit das Potential einer Kombination von Beobachtungen zur Erfassung der sozialen Dimension mit Befragungen zur Erfassung der mentalen Dimension. Vergleichsweise selten findet der methodentriangulatorische Fall Erwähnung, dass derselbe Datensatz mit unterschiedlichen Auswertungsverfahren bearbeitet wird wie beispielsweise von Knorr (2015), die Planungsgespräche von angehenden Lehrpersonen sowohl inhaltsanalytisch als auch gesprächsanalytisch auswertete. Werden jedoch unterschiedliche Variablen mit unterschiedlichen Methoden erhoben, wie dies u.a. die Referenzarbeit von Biebricher (2008) illustriert, so handelt es sich nicht um ein triangulatorisches, sondern um ein mehrmethodisches Vorgehen.
Eine spezielle Form der methodologischen Triangulation stellt die Verbindung quantitativer und qualitativer Forschungsmethoden dar, die auch als mixed methods mixed methods oder mixed methodologies mixed methodologies bezeichnet wird (s. Kap. 3.3). Diese Mischung von Methoden, die ehemals nahezu unvereinbare Paradigmen verknüpft, wird gegenwärtig nicht mehr in Frage gestellt; es werden jedoch Diskussionen nach dem Verhältnis beider Positionen innerhalb eines Forschungsdesigns, nach der Gewichtung der Ergebnisse, der Abfolge des Einsatzes der jeweiligen Methode und nach dem Umgang mit Divergenzen geführt (z.B. Flick 2011: 75–96; Kelle/Erzberger 2008; Kuckartz 2014; Lamnek 2010: 245–265; Mayring 2001; Schründer-Lenzen 2014). Gerade divergierende Ergebnisse werden eher als Chance betrachtet, da die Suche nach alternativen Erklärungen zur Modifikation von Theorien führen kann (Lamnek 2010: 259).
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