Und im Garten geht es, was die Vielfalt betrifft, sowieso drunter und drüber. Von essbaren Wildpflanzen über klassische Vertreterinnen aus Bauerngärten bis zu außergewöhnlicheren Experimenten, wie zum Beispiel Erdnüssen oder Artischocken, haben unsere Beete schon alles gesehen. Von einer Gemüseart gibt es außerdem meistens mehr als nur eine Sorte. Wir pflanzen ausschließlich samenfeste Sorten, die wir mit viel Leidenschaft auch selbst weitervermehren (wenn du genauer wissen möchtest, wen mensch in unseren Beeten so alles antrifft, schau auf Seite 111).
Woraus wir wachsen und wogegen wir uns starkmachen
Und dann ist das Hofkollektiv Wieserhoisl noch viel mehr als nur dieser Ort, dessen Bewohner*innen und sein spezieller Geist, den er nach außen hin verströmt. Es umfasst auch seine Wurzeln, die Vergangenheit und damit die vielen Menschen, die das, was jetzt ist, mitgestaltet haben. Mit ihrer Tatkraft in den Anfangszeiten und in den vielen Jahren danach, beim Umsetzen von Projekten, Aktionen, Veranstaltungen und Festen. Durch neue Themen, die sie zu uns getragen haben, die uns sensibilisiert und weitergebildet haben, die unsere Augen und Herzen weiter geöffnet haben für die Vielfalt der Menschen und das, was sie bewegt, sowie die Welt im Allgemeinen. Damit meinen wir all jene, die uns durch Anerkennung und Bestätigung auf unserem Weg bestärkt haben. All jene, die sich auf ihrem Weg von uns inspirieren ließen. Ähnliches selbst ausprobiert haben. An irgendeiner Ecke weitergebaut und um die nächste gedacht haben. Oder sogar neue Hofkollektive gegründet haben.
Damit meinen wir aber auch all jene, die uns vor Herausforderungen gestellt haben. Unsere Toleranz gegenüber der Vielfältigkeit des menschlichen Seins auf den Prüfstand gestellt haben. Uns im Umgang mit den schwierigen sozialen Seiten von Menschen bis an unsere Grenzen gefordert haben. Uns in Situationen des Krisenmanagements gedrängt haben und uns somit auch zu mehr Klarheit in der Abgrenzung geholfen haben. Einmal sagte ein Freund zu uns: „Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht!“ So manch aufreibende Situation hat uns also die Augen dafür geöffnet und den Blick dafür geschärft, was wir hier am Wieserhoisl wollen und was eben sicher nicht. Rassismus, Homophobie, aggressivem Verhalten, Egozentrismus, toxischer Männlichkeit soll und will hier kein Raum geboten werden. Und dafür heißt es, manchmal auch einen Schlussstrich unter die Toleranz und Offenheit für alle und alles zu setzen. Es bedeutet, manchmal Menschen von diesem Ort auszuschließen, weil wir hier gewisse Einstellungen oder Verhaltensweisen einfach nicht haben wollen.
Zum Glück sind das in all den Jahren Ausnahmen geblieben und das Hofkollektiv Wieserhoisl versteht sich als offener Ort der Begegnung. Hier treffen sich interessierte, engagierte Menschen, vernetzen sich, informieren sich, stellen ihre Hilfe zur Verfügung. Und gemeinsam basteln wir an einer anderen, friedlicheren und nachhaltigeren Welt.
Lassen wir die anderen erzählen: Was langjährige Freund*innen über uns sagen:
„Ich habe mich letztes Jahr so gefreut, an eurem kleinen und feinen Fest teilzunehmen und wieder einmal an eurem wunderbaren Ort zu sein, der mir immer wieder Geborgenheit schenkt. Ich habe es miterlebt, wie das Wieserhoisl gewachsen ist und sich verändert hat, und das war auch für mein eigenes Leben bereichernd. Ich bin dankbar, dass ich immer wieder herzlich bei euch aufgenommen wurde, und hoffe, das bald wieder erleben zu können.“
„Für mich wurde das Wieserhoisl in den letzten 10 Jahren zu einer zweiten Heimat. Es ist ein queerfeministischer Ort. Natur. Zugehörigkeit. Gemeinsamkeit. Lernen. Sein. Liebe.“
Dürfen wir uns vorstellen? Das sind wir, die Bewohner*innen des Hofkollektivs Wieserhoisl
› Hallo! Wir sind: Mael, Elena, Fritz, Noreia, Tobias, Mark, Popeia und Tina.
Das Hofkollektiv Wieserhoisl
TINA:
geboren 1980 in Graz; Studium „Landnutzung und nachhaltige Entwicklung“ an der Universität für Bodenkultur in Wien; Gründerin des Hofkollektivs Wieserhoisl 2006 und somit dessen Urgestein; Mutter von Popeia; praktizierende Wald- und Kräuterpädagogin; sie hat den unüberschaubaren Überblick über alle Pflanzenaktivitäten am Hof, ist Netzwerkerin, Partyqueen und Freundin der Zirkuswelten
POPEIA:
geboren 2009 im Zirkuswagen am Hof; Meisterin der verschiedenen Kollektivwelten, denn sie verbringt ihre Wochenenden bei ihrem Papa am Longo-maï-Hof Stopar in Kärnten; zweite Muttersprache: Französisch; sie besucht die Alternativschule Klex in Graz, ist sehr wortgewandt und fast immer gut gelaunt
MARK:
geboren 1983 in Bruck/Mur; Lehre als Prozessleittechniker, Skisport-Landeslehrer Tirol; Kunstaussteller; Kellner und Koch; Bachelorstudium Geographie an der Universität Graz; langjähriger Obmann des Jongliervereins Graz und selbst Jongleur seit über 20 Jahren; am Hof überall organisatorisch und tatkräftig dabei; unermüdlicher Auftreiber von nützlichen Secondhand-Gegenständen
TOBIAS:
geboren 1997 in Linz; Matura an der HBLA für künstlerische Gestaltung in Linz; seit Februar 2020 im Hofkollektiv Wieserhoisl; professionelle Gartenfee/ländliches Universalgenie, großer Freund von Pflanzen und ihren Wesen- und Eigenheiten; passionierter Kanufahrer und -guide mit Holzschnitzambitionen
FRITZ:
geboren 1978 in Klagenfurt; Studium der Landwirtschaft und Doktorat am Institut für Ökologischen Landbau an der Universität für Bodenkultur in Wien; seit 2010 im Hofkollektiv Wieserhoisl; Vater von Mael und Noreia; am Hof hauptsächlich verantwortlich für die Tierhaltung, das Weidemanagement und die Waldbewirtschaftung; er ist leidenschaft-licher Paellakoch und Tortenbäcker
ELENA:
geboren 1980 in Valencia/Spanien; Studium der Landwirtschaft in Spanien; seit 2010 im Hofkollektiv Wieserhoisl; Mutter von Noreia und Mael; ihre Arbeitsbereiche am Hof sind der Garten, die Saatgutvermehrung, die Jungpflanzen sowie Einkochen und Tierhaltung; sie arbeitet auch als Kindergartenassistentin; sie steht allen immer mit Rat und Tat zur Seite, bringt südländisches Flair ins Kollektiv und tanzt gerne
NOREIA:
geboren 2011 im Hofkollektiv Wieserhoisl; Zweite Muttersprache: Valenciano; geht in Deutschlandsberg zur Schule; sie ist unsere Schafflüsterin, hilft gerne mit, wenn gemeinsame Aktionen stattfinden, kocht gerne und hängt gerne auf den Bäumen herum
MAEL:
geboren 2017 im Hofkollektiv Wieserhoisl; Zweite Muttersprache: Valenciano; er hält das Kollektiv in Atem und bringt Stimmung ins Haus; er ist unser Pfeil-und-Bogen-Spezialist und trägt den geheimen Titel „King of Wieserhoisl“
Wir haben uns also für einen gemeinsamen Weg entschieden. Einen Weg, der von dem Grundsatz ausgeht, dass wir gemeinsam stärker sind. Widerstandsfähiger. Weniger verletzlich. Beweglicher.
Damit haben wir für uns eine Lösungsmöglichkeit gefunden, zwei Lebensarten zu vereinen: auf der einen Seite ein bescheidenes, bäuerliches, mit dem Ort stark verbundenes, auf der anderen Seite ein modernes, mobiles Leben. Wenn du jetzt denkst, dass diese Entwürfe ziemlich gegensätzlich klingen, hast du gar nicht Unrecht: Sie stehen manchmal auch ganz schön im Widerspruch und der Versuch, beides zu leben, ist nicht immer einfach. Aber es schweißt uns auch zusammen. Und meistens gelingt es uns, diesen Bogen zu spannen und die Vorteile beider Seiten voll auszukosten.
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